Suche nach NS-Raubkunst im Museum Schloss Fasanerie in Eichenzell

Das Museum Schloss Fasanerie in Eichenzell überprüft seine Sammlung auf unrechtmäßig erworbene Kunstwerke aus der Nazi-Zeit. Zur Halbzeit des Forschungsprojekts zeigt sich: Bei einem Dutzend der Werke hat sich der Verdacht erhärtet. Und die Forschungen sollen ausgeweitet werden.

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Raubkunst aus Nazi-Zeit in Museum von Schloss Fasanerie

Drei Männer stehen an einem Tisch in einer Bibliothek. Auf dem Tisch stehen kleine Kunstwerke.
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In den Kunstsammlungen des Museums Schloss Fasanerie in Eichenzell (Fulda) befindet sich wahrscheinlich mehr NS-Raubgut als gedacht. Die Zahl der zu überprüfenden Kunstwerke sei größer als noch zu Beginn der Forschungsprojekts angenommen, teilte Museumsdirektor Markus Miller am Dienstag auf Anfrage mit. Es ist nach sechs Monaten nun Halbzeit bei dem auf ein Jahr angelegten Projekt.

Seit Oktober 2022 werden die Kunstsammlungen der Kulturstiftung des Hauses Hessen in Schloss Fasanerie untersucht. Dabei geht es um Stücke, die ihren jüdischen Besitzern während der NS-Zeit entzogen wurden.

Nachgegangen werden soll der Frage, ob seit der Zeit des deutschen Nationalsozialismus (1933-1945) Kunstwerke im Museum sind, die unrechtmäßig erworben wurden. Etwa weil Juden unter politischem Druck gezwungen wurden, Objekte weit unter Wert zu verkaufen. Oder ihnen wurden Kunstwerke sogar abgepresst oder gestohlen.

Weitere "potenzielle Verdachtsfälle" im Auge

Untersucht werden im ersten Zyklus der Nachforschungen 160 Objekte. Doch mittlerweile wurde klar: Die Zahl der zu betrachtenden Kunstwerke liegt weit höher. 70 weitere Objekte sind in den Fokus geraten. Der Kunsthistoriker Sven Pabstmann, der mit dem Projekt betraut wurde, nennt sie "potenzielle Verdachtsfälle, deren Herkunft unklar ist".

Deswegen sollen die Nachforschungen ausgeweitet werden. Es laufe darauf hinaus, dass beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste eine weitere Förderung des Forschungsprojekts beantragt werde, sagte Museumsdirektor Miller.

Verdacht bei einem Dutzend Kunstwerken erhärtet

Dass die Nachforschungen mehr als vage Vermutungen und unklare Verdachtsfälle betreffen, hat sich schon erwiesen. Unter den 160 bislang betrachteten Objekten - zum Beispiel Möbelstücke und Skulpturen - befindet sich ein Dutzend Kunstwerke, bei denen sich der Verdacht erhärtet habe, wie Pabstmann sagte. Wie mit diesen Stücken nun verfahren werde, sei noch unklar. Das Museum sei aber gewillt, eine "gerechte und faire Lösung" herbeizuführen, wie es Miller nannte.

Im Hinblick auf möglicherweise bereits geleistete Entschädigungen in den Nachkriegsjahren solle aber vermieden werden, dass es zu Doppel-Entschädigungen komme. "Wir werden das in Verhandlungen mit den Nachfahren klären", versicherte Miller. Beim Willen um eine Einigung handele es sich um eine freiwillige Initiative. Es sei nichts mehr justiziabel.

Archiv-Recherchen und Spurensuche unter der Lupe

Pabstmann hat in der zweiten Hälfte seiner zunächst auf ein Jahr angelegten Forschungen noch viel Arbeit vor sich. Denn nun soll begonnen werden, die Objekte genauer unter die Lupe zu nehmen. An den Kunstwerken seien womöglich Spuren zu entdecken, die auf ihre Herkunft hindeuteten. Zugleich sollen aber noch die Archiv-Recherchen abgeschlossen werden, mit denen sich der Kunsthitoriker in den vergangenen Monaten vorzugsweise beschäftigt hat.

Pabstmann hat nach eigener Aussage mehr als zehn Archive in ganz Deutschland besucht, darunter Einrichtungen in Frankfurt, Darmstadt, Wiesbaden und Berlin. Dabei habe er 200 Akten ermittelt und gesichtet, die ihm bei der Jagd nach NS-Raubgut Hinweise geben können. "Die Auswertung der Archiv-Quellen sei sehr mühsam und kleinteilig", sagte er mit Blick auf die mitunter digitalisierten Daten, "man klickt sich halt so durch".

Kulturstiftung will historischer Verantwortung gerecht werden

Die Akten enthalten unter anderem wichtige Informationen zum Schicksal der Kunstsammlung des jüdischen Sammlers Rudolf von Goldschmidt-Rothschild (1881-1962). Er war ein bedeutender Kunstsammler und Bankier in Frankfurt. Aus seiner Sammlung erwarb Philipp Prinz von Hessen (1896-1980) bei einer Versteigerung im Jahr 1939 mehrere Stücke. Unter welchen Umständen und zu welchem Preis, das ist unklar.

Philipp Prinz von Hessen ist der Großvater von Heinrich Donatus von Hessen, der heute Vorstand der Kulturstiftung des Hauses Hessen ist. Er sagte zu Beginn des Forschungsprojekts im Vorjahr: "Wir stellen uns der historischen Verantwortung und bemühen uns um Aufarbeitung."

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Tag der Provenienzforschung

Museum Schloss Fasanerie hat einen passenden Zeitpunkt für die Zwischenbilanz zum Forschungsprojekt gewählt. Denn am Mittwoch (12. April) ist der internationale Tag der Provenienzforschung. In diesem Forschungsbereich sollen die Herkunft und alle früheren Besitzverhältnisse (Provenienzen) eines Exponats nach Möglichkeit lückenlos dargestellt werden.

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