250. Jubiläum und Ausstellung Wie Mozarts "Kleine Nachtmusik" nach Offenbach kam

Ob in Telefon-Warteschleifen oder in der Fernsehwerbung, kaum ein Musikstück ist so bekannt wie Mozarts "Kleine Nachtmusik". Ohne das Offenbacher Musikhaus André wäre das nicht möglich gewesen. Jetzt zeigt eine Ausstellung die bewegte Geschichte des Unternehmens.

Zwei Männer stehen vor einem Ladengeschäft und schauen in die Kamera. Über ihnen ein Scild, auf dem steht: "250 Musikhaus André"
Musikhaus André in Offenbach: Inhaber Hans-Jörg André und sein Sohn und Nachfolger Moritz André. Bild © Steffen Edlinger/hr

"Mozart, André, Offenbach – Der Klang der Zeitkapsel" heißt die Ausstellung, die auf kleinem Raum viel bietet: Nicht nur 250 Jahre Firmengeschichte, sondern auch Entwicklungen im Buchdruck und die Bedeutung eines Musikhauses für Offenbach.

Durch das Familienunternehmen André galt die Stadt sogar eine Zeitlang als "Nabel der Musikwelt". Die Ausstellung im Haus der Stadtgeschichte Offenbach läuft noch bis zum 25. August. Aber was hat es mit der Zeitkapsel auf sich, was hat das Musikhaus mit Mozart zu tun und hat der womöglich mit Kaffee gekleckst?

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Constanze Mozart wollte Noten loswerden

Die "Notenfabrique André", wie das Offenbacher Musikhaus ursprünglich hieß, war ein echtes Start-up: Der Seidenproduzent Johann André gründete es 1774 quasi aus Liebe zur Musik und war damit einer der ersten, der mit dem Druck und Verkauf von Musiknoten Geld verdiente.

Aber erst der Sohn des Firmengründers, Johann Anton André, gelang der große Coup: Als sein Vater starb, musste der damals 24-Jährige das Musikhaus übernehmen. Und unternahm zuerst eine Art Kunden- und Bildungsreise zu den Musikzentren Europas.

Unter anderem landete er auch in Wien. Bei Constanze, der Witwe von Wolfgang Amadeus Mozart, wie der heutige Musikhauschef Hans-Jörg André erzählt. "Ihr Mann war schon neun Jahre tot. Und Constanze hat verlauten lassen in die Musikbranche, dass sie auf einem Stapel von handschriftlichen Noten ihres Mannes sitzt und die gerne loswerden würde."

Mozartnoten waren Ladenhüter

Das war damals gar nicht so leicht, denn ein toter Künstler war in der Zeit automatisch ein uninteressanter Künstler. Aber der junge Verlagschef kaufte den Mozart-Nachlass nach harten Verhandlungen trotzdem, für 2.750 Gulden – das war viel Geld damals. "Aus der Portokasse ging das nicht", betont André. "Das hat den Verlag finanziell auch so gefordert, dass er eine Teilzahlung vereinbaren musste."

Notenschatz nach Offenbach geholt

Mitten unter den Nachlass-Noten war auch ein damals noch völlig unbekanntes Musikstück: Eine Serenade, die später den Beinamen "Kleine Nachtmusik" erhielt. "Meines Wissens war die kleine Nachtmusik bis dato nicht mal aufgeführt worden", sagt Hans-Jörg André.

Heute ist es eines der bekanntesten Stücke von Mozart. Bei dem heutigen Musikhauschef schwingt Stolz mit, wenn er betont, dass dieses Stück vielleicht nie in die Welt gekommen wäre, wenn sein Vorfahre Johann Anton André den Notenschatz nicht nach Offenbach geholt hätte.

Originalnoten aus Mozarts Feder

Ein Teil dieses Schatzes ist auch in der Ausstellung im Haus der Stadtgeschichte in Offenbach zu sehen: Handgeschriebene Noten, Striche und Punkte, die von Wolfgang Amadeus Mozart, dem berühmten österreichischen Komponisten eigenhändig zwischen Notenlinien geschrieben wurden.

Auch eine Reproduktion, ein sogenanntes Faksimile, des Notenblatts der "Kleinen Nachtmusik" ist zu sehen. Allerdings bewusst unspektakulär in einer Vitrine präsentiert, denn diese historischen Raritäten vertragen keine Lichtspots und kein Sonnenlicht.

Trotzdem ist beim Originalnotenblatt deutlich ein brauner Fleck am linken unteren Rand zu erkennen. Sieht aus wie ein Kaffeefleck. Ist Mozart da ein Missgeschick passiert? "Das wird man niemals feststellen können", schmunzelt die Kuratorin der Ausstellung, Katja Schneider.

Altes Notenblatt
Eine Originalnotenschrift von W.A. Mozart, mit Flecken unbekannter Herkunft Bild © Steffen Edlinger/hr

Offenbach und die Welt – Handelsbeziehungen

Dafür sind andere Aspekte der Ausstellung zweifelsfrei: Ein riesiges, kiloschweres Kontorbuch aus dem historischen Fundus der Unternehmerfamilie verzeichnet zum Beispiel fein säuberlich die Druckaufträge und Versendungen. Allein daraus wird deutlich, dass das Musikhaus André schon früh Geschäfte mit ganz Europa und sogar bis nach Übersee gemacht hat.

Es war zwar nicht der erste Musikverlag in Deutschland, aber die Andrés hatten sich bald durch verbesserte Druckverfahren wie die Lithographie, durch kunstvolle Titelblätter und ein Gespür für besondere Komponisten, einen hervorragenden Ruf erarbeitet. Das Geschäft boomte.

Die Komponisten wollten in Offenbach verlegt werden! "Beispielsweise ist überliefert", sagt Musikwissenschaftler Ralph Philipp Ziegler, "dass Carl Maria von Weber dreimal umsonst hierhergekommen ist, um die Andrés zu treffen".

Was nicht mehr in die Mode passt, landet in der Zeitkapsel

Der Einfluss des Musikhauses wirkte sich aber auch noch anders aus: Wie bei einem Buchverlag heute, musste auch ein Musikverlag damals auf den Markt schauen, den Geschmack der Käufer und den Zeitgeist im Auge behalten.

Besonders anschaulich wird das in der Ausstellung durch eine Wand mit Titel-Notenblättern: Die sind mal knallig bunt, mal mit Jugendstil-Ornamentik verziert oder auch klassisch schlicht. Und wenn sich der Geschmack des Publikums gewandelt hatte, dann wurden diese Notenblätter aussortiert.

Holzregal mit alten Schachteln und Blätttern darin
Ein Teil der Zeitkapsel in der Ausstellung in Offenbach. Bild © Steffen Edlinger/hr

Im Musikhaus André landeten sie dann in der sogenannten Zeitkapsel – auf dem Dachboden des Musikhauses. Noch heute lagern dort 1.800 Drucke aus der 250-jährigen Geschichte. Und gerade weil die Atmosphäre in der Zeitkapsel so beeindruckend ist, hat sie Kuratorin Katja Schneider auch in die Ausstellung geholt. "Ich hab da oben ein Stück Regal abgebaut und eins zu eins in der Ausstellung aufgebaut."

Vom Musikverlag zum Musikgeschäft

Insgesamt hat das Musikhaus André in den 250 Jahren seines Bestehens 18.000 Musikstücke verlegt. Aber irgendwann nagten auch Wirtschaftskrisen und Kriege an der Substanz des Familienunternehmens. Auch das wird in der Ausstellung thematisiert.

Der heutige Musikhauschef Hans-Jörg André erklärt, dass sich der Musikverlag irgendwann hin zu einem Musikgeschäft entwickelt hat, es wurde auch mit Musikinstrumenten gehandelt.

"Das ging 1828 los mit einer Niederlassung in Frankfurt, die bis zum Zweiten Weltkrieg bestand." In der Ausstellung erinnert ein Familienerbstück noch an diese Zeit, ein Tafelklavier mit etwas ramponierten Elfenbeinbeschlägen: Auf der Herstellermarke steht C. A. André, Frankfurt a. M. – die Familie hat also sogar selbst Instrumente hergestellt.

Altes Klavier mit Noten
Bild © Steffen Edlinger/hr

Diese Zeiten sind allerdings vorbei, sagt der aktuelle Chef. "Heute sind wir eigentlich eher ein Musikfachhandel." Aber auch nach 250 Jahren immer noch in Offenbach und immer noch in Familienhand.

Auch die Nachfolge ist schon geregelt: Der 28-jährige Sohn Moritz wird bald seinen 62-jährigen Vater Hans-Jörg André ablösen und damit die achte Generation an der Spitze des Offenbacher Musikhauses sein.

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Redaktion: Katrin Kimpel

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Sendung: hr2, 05.07.2024, 08.20 Uhr

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Quelle: hessenschau.de