Ein Schwarz-Weiß-Bild von einem dunkelhaarigen Jungen und einer blonden Frau.

Er überlebt als Kleinkind einen schweren Unfall, seine Adoptivmutter stirbt. Fast 50 Jahre später ist der Filmemacher Sikander Goldau in Fulda auf Spurensuche: nach Zeugen, nach der Unfallursache - aber auch nach seinen Wurzeln.

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Filmemacher aus Fulda: "Motherlands"

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Ohrenbetäubender Lärm. Sirenen. Blaulicht. Sikander Goldaus erste Kindheitserinnerungen sind keine schönen. Am 23. Mai 1974 war er im Auto zusammen mit seiner Adoptivmutter auf der B27 bei Fulda unterwegs. Es war 23.10 Uhr, der damals Fünfjährige schlief auf der Rückbank, als es plötzlich krachte.

Goldaus Mutter Hildegard war offenbar langsam über einen unbeschrankten Bahnübergang gefahren, obwohl sich ein Zug der Rhönbahn näherte. Ob sie eingeschlafen war oder dachte, sie würde noch über die Gleise kommen, konnte nie geklärt werden.

Zeitzeugen des Unfalls gesucht

Das Auto wurde vom Zug erfasst und rund zehn Meter mitgeschleift, die Mutter schwer verletzt, der Sohn aus dem Auto geschleudert. Beide kamen ins Städtische Klinikum, wo die Mutter normalerweise als Krankenschwester arbeitete. Sie starb dort, der Adoptivsohn überlebte mit leichten Verletzungen.

Heute ist er 54, arbeitet als Filmemacher und sucht nach Antworten. Was war geschehen auf den Schienen der Rhönbahn? Goldau möchte einen Dokumentarfilm produzieren, in dem der Unfall vom 23. Mai 1974 eine zentrale Rolle spielt. Der Filmemacher sucht den Lokführer von damals und Rettungskräfte oder deren Familienmitglieder.

"Ich möchte nicht übergriffig sein, die Menschen sind vielleicht selbst traumatisiert", sagt er. "Aber ich möchte meine Vergangenheit verstehen. Dieser Unfall ist wie ein weißer Fleck auf einer Landkarte."

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Kontakt und Kampagne

Sikander Goldau hat auch eine Spendenkampagne für die Finanzierung des Films gestartet. Seine Mailadresse für mögliche Unfallzeugen lautet: info@scarmour.com

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In Pakistan adoptiert

Auch um Identität soll es in der Dokumentation gehen, um seine Identität. Sikander Goldaus Mutter hatte ihn 1970 in Pakistan adoptiert, wo er 1969 zur Welt kam - die Umstände sind nicht genau bekannt, sagt Goldau. Die Adoptivmutter hatte einige Jahre in Quetta, einer Provinzhauptstadt im Westen des Landes, als Missionsschwester gearbeitet.

Sie nahm ihn als alleinerziehende Mutter mit nach Deutschland. Nach dem Unfall adoptierte Hildegard Goldaus Bruder den Jungen. Er wuchs in Eschwege und am Bodensee auf, machte sein Abitur in München und studierte dann an der Filmhochschule.

"Du bist eigentlich ein deutscher Jung'"

Heute lebt er in München, hat eine zwölf Jahre alte Tochter und arbeitet als Filmemacher und Illustrator. "Oft wurde mir signalisiert, dass ich mit meinem Aussehen nicht dazugehöre hier in Deutschland. Aber wohin gehöre ich?", fragt er sich immer wieder.

Sikander Goldau

Dank eines Tagebuchs seiner Adoptivmutter konnte er in seiner Geburtsstadt in Pakistan vielen Spuren nachgehen, die er 2006 erstmals besuchte und 100 Stunden Filmmaterial mitbrachte. Die Reise sei faszinierend gewesen, sagt er: "Du bist eigentlich ein deutsche Jung' und denkst dir: Da komme ich jetzt also her?"

Im Juni hat er zum ersten Mal Fulda und das Haus besucht, in dem seine Adoptivmutter und er vor rund 50 Jahren lebten, bat die Fuldaer Zeitung um Hilfe. In Fulda will er seinen Film auch fertig drehen.

"Es sind die gleichen Menschen wie wir"

Einen Teil des Projekts finanziert er über die Filmförderungen in Bayern und NRW, mit einer Crowdfunding-Kampagne sammelt er Geld, um den Film fertigzustellen.

"Motherlands" soll der Film heißen, den Goldau auch irgendwie als universelles Projekt sieht. Seine Geschichte sei die von vielen Menschen mit Migrationshintergrund, sagt er: "Ab Griechenland, der Türkei fängt vielleicht sowas wie ein anderer Planet an, die Denke ist anders - aber es sind die gleichen Menschen wie wir. Mit den gleichen Träumen, mit den gleichen Ängsten."

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