Audio

Ausstellung "Streit" im Kommunikationsmuseum Frankfurt

Gruppe schwarzer Gartenzwerge, die die Hand zum Hitlergruß heben.

Eine Ausstellung im Museum für Kommunikation in Frankfurt zeigt: Streiten ist gar nicht so schlecht wie sein Ruf. Und gesellschaftlicher Fortschritt ist ohne Streit nicht zu erreichen.

Seltsame Gartenzwerge begrüßen einen in der Streit-Ausstellung des Museums für Kommunikation. Sie sind ganz schwarz und haben den Arm erhoben zum Hitlergruß. Ottmar Hörls Nazi-Zwerge mit dem Titel "Poisened" sind gleichermaßen Gesellschafts-Kritik und Kunst, über die man sich hier streiten kann.  

Gemälde einer Katze vor buntem Hintergrund.

Auch Kunst von Joseph Beuys hängt in der Ausstellung, neben einem kitschigen Riesenfoto eines Miezekätzchens im Sonnenuntergang, umrankt von Blumen. Was darf Kunst? Und was ist schön?

Kurator Florian Schütz ist kein Fan von Nazi-Zwerg und Miezekatze, aber er erklärt: "Wir beginnen in der Ausstellung mit dem Bereich Kunst, weil man hier mit seiner Begleitung erproben kann, wie man über gewisse Kunstwerke denkt. So kann man gut ins Diskutieren kommen."

Streit - von privat bis politisch

Die Ausstellung gliedert sich in vier große Themenbereiche: Kunst, Liebe, Macht und Geld. Es geht um Streit in privaten Beziehungen und auf gesellschaftlicher Ebene. 

Aber wäre eine Welt ganz ohne Streit nicht viel schöner? Florian Schütz findet: "Wenn wir aufhören zu streiten, sprechen wir nicht mehr miteinander. Und es geht doch darum, dass wir uns gegenseitig besser verstehen, gerade wir nicht einer Meinung sind. Streit hat ja auch was Befreiendes, dann ist die Luft geklärt." Co-Kuratorin Laura Schmidt betont die elementare Funktion einer gesunden Streitkultur für eine Demokratie. 

Eine Frau in weiß und ein Mann in schwarz stehen mit verschränkten Armen von einem Katzen-Bild.

Schöner Streiten

Die Ausstellung nennt zehn Regeln, die uns helfen können, richtig oder gut zu streiten, im Privaten wie gesamtgesellschaftlich. Für Schütz ist die wichtigste Regel: Generalisierende Schuldzuweisungen vermeiden, also kein “du machst immer...".

Für Laura Schmidt am wichtigsten: Ausreden lassen. Denn das sei ein Zeichen von Wertschätzung und Respekt – und damit Grundlage jeder Kommunikation. 

Eine Hand wirft ein Papier in einen Schredder, der in einem Post-Briefkasten verborgen ist.

Interessanterweise streiten beide Kuratoren nicht gerne, sondern bezeichnen sich als harmoniebedürftig und konfliktscheu. Immerhin: Sich selbst und sein Streitverhalten gut zu kennen, ist das A und O.

Welches Streit-Tier bin ich?

Bei dieser Erkenntnis möchte die Ausstellung helfen. Man kann sich zu Beginn aus einem Angebot verschiedener Streit-Tiere das aussuchen, was nach eigener Einschätzung am ehesten zu einem passt.

Im Laufe der Ausstellung werden dann immer wieder Konfliktsituationen geschildert und Fragen dazu gestellt. Und am Ende bekommt man auf Basis seiner gegebenen Antworten die knallharte Wahrheit serviert.  

Ausstellungswand mit Tier-Zeichnungen

Bin ich vielleicht gar nicht die sanftmütige Eule, sondern der streitlustige Affe? Nicht der selbstbewusste Wolf, sondern der manipulative Fuchs? Oder doch die defensive Schildkröte?

Als die Schau erstmals im Berliner Kommunikationsmuseum zu sehen war, sei das vielen Besuchern und Besucherinnen so ergangen, dass sie sich in ihrem eigenen Streit-Tier getäuscht haben, erzählt Kuratorin Schmidt.

Weitere Informationen

Streit - Eine Annäherung

Vom 6. Oktober bis 25. August 2024 im Museum für Kommunikation Frankfurt. Die begleitende Webseite stellt nicht nur die Streittypen vor, sonder gibt auch Tipps, wie man besser streitet.

Ende der weiteren Informationen

Cancel Culture und Publicity

Das N-Wort in Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf-Büchern, antisemitische Äußerungen des Rappers Kanye West oder der Skandal um die 550 Euro teure Ledertasche im Aldi-Design, mit der Schauspieler Lars Eidinger vor schlafenden Obdachlosen posierte.

In einer Vitrine hängen zwei Einkaufstaschen, eine im Aldi-Stil, die andere ein Beutel im Stil von Lidl.

Diese und weitere Beispiele in der Ausstellung zeigen, woran sich Streits entzünden – und wie wir in der Gesellschaft damit umgehen. Für welche Werte wir einstehen und kämpfen.  

Andererseits wird auch deutlich: Streit verkauft (sich) gut. Nicht nur die Querdenker haben Unsummen mit ihren Pullis und Merchandise-Artikeln eingenommen, sagt Kurator Schütz, auch Donald Trump und ein namhafter deutscher Smoothie-Hersteller profitieren von lukrativen, selbst angezettelten Empörungswellen. 

Von Streiks bis #metoo 

Wie ein Gegenpol wirkt dazu ein anderer großer Bereich der Streit-Ausstellung, der von den Poststreiks im 20. Jahrhundert über Lenelotte von Bothmer, die den Bundestag 1970 (!) mit ihrem Auftritt im Hosenanzug zum Beben brachte, bis zum Erstreiten eines Betriebsrates für die Gorilla-Lieferfahrer und –fahrerinnen reicht.

Schwarzer Kurier-Rucksack mit der Aufschrift Gorillas

Die Ausstellung zeigt, wie überlebenswichtig Streit in Form von Demonstrationen, Streiks und politischen Auseinandersetzungen für unsere gerne als "streitbar" bezeichnete Demokratie ist.

Nur in einer Gesellschaft, in der gestritten werden darf, können zumindest potenziell alle zu ihrem Recht kommen, betonen Schmidt und Schütz.  

Amüsant und versöhnlich 

Die Frankfurter Streit-Ausstellung im Museum für Kommunikation liefert viele originelle Ideen und unterhaltsame Fakten zum Thema Streit. Wirklich in Streit geraten wird man hier aber wahrscheinlich nicht. 

Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen