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Künstler Arhun Aksakal in Willingshausen

Bildkombination aus zwei Foto: links sind drei riesige Ballen, eingeschlagen in ein silbernes Textil, in einer weiß gekachelten Werkstatt liegend zu sehen; rechts ein junger Mann, der neben einem Hochsitz in der Landschaft steht.

Arhun Aksakal ist Absolvent der Städelschule Frankfurt und hat dieses Jahr das Stipendium der Künstlerkolonie Willingshausen bekommen. Mit seiner Kunst möchte er vor allem eins: Die Idylle ein wenig stören.

Ein Ort wie im Märchen, wie bei den Brüdern Grimm: Das alte Schloss Willingshausen (Schwalm-Eder), ein großer Park mit alten Bäumen, ein Platz zum Träumen. Stünde da nicht mitten im Park ein angekohlter Hochsitz. Das Holz ist ganz schwarz, er steht leicht schief. Nein, das passt nicht zu den Brüdern Grimm.

Aber genau das will Arhun Aksakal. Er hat den Hochsitz selber angeflämmt und hier aufgestellt: "Es gibt ein romantisches Bild dieser Landschaft, in den Geschichten und Malereien", erklärt er. "Dieser angebrannte Hochsitz hat einen dystopischen Charakter, der mit dem Romantischen zusammenstößt und das Bild von diesem wunderschönen Schlossgarten etwas stört."

Verkohlter Hochsitz und Kunst in der Schlachterei

Angebrannte Romantik: Ein typisches Werk des 28-jährigen Künstlers. Aksakal hat viel recherchiert über Willingshausen und seine Künstlerkolonie, wo er in diesem Herbst im Rahmen eines Künstlerstipendiums lebte.

Vor fast genau 200 Jahren, im Jahr 1824, wurde die Kolonie unter anderem von Ludwig Emil Grimm gegründet, dem Maler-Bruder der berühmten Märchen-Sammler. Wilhelm und Jacob Grimm besuchten auch immer wieder Freunde im Schloss Willingshausen, in dessen Park heute der verkohlte Hochsitz steht.

Siloballen prägen die Landschaft

Arhun Aksakal hat aber nicht nur hier seine Spuren hinterlassen. Auch gleich nebenan, in der alten Schlachterei, hat er ein Kunstwerk installiert. Die steht zwar leer, aber die alten Räume sind noch im Originalzustand erhalten.

Mann mit einer grünen Basecap steht bei einer Pferdekoppel.

Aksakal fasziniert das, es sei aber auch ein gruseliger Ort, sagt er. Die Endstation für die Tiere, in der es penetrant nach Fett stank, bis er hier Ballen mit frisch geschnittenem Silo mitten in den alten Schlachtraum aufstellte.

Siloballen prägen auch die Landschaft rund um Willingshausen, wie die Hochsitze. So kam ihm die Idee. Der junge Künstler hat sie in Chromfarben lackiert. Siloballen in der Schlachterei: Hier ist wieder etwas zusammengekommen, was gar nicht zusammengehört. Typisch Arhun Aksakal.

Von Offenbach nach Kurdistan

Er hat in seinem Leben bisher viel erlebt, was auf den ersten Blick nicht zusammengehört. Beginnend mit seiner Jugend in Offenbach, als Enkel türkischer Einwanderer. Seine Eltern hätten sich in Deutschland sozialisiert, die Großeltern dagegen lebten zwischen beiden Welten. "Und ich lebe auch in diesen zwei Welten, bin sowohl in der Türkei sozialisiert worden als auch hier in Deutschland."

Zwei aufeinanderprallende Welten hat der Offenbacher auch im Bürgerkriegsgebiet in Kurdistan erlebt. Einerseits die Gastfreundschaft und Friedenssehnsucht der Menschen dort, andererseits die Brutalität der islamistischen Milizen.

Freiheit und Zeit

All das hat ihn geprägt, und das entdeckt man in Aksakals Kunst auch in Willingshausen. Das Stipendium im Dorf sei für ihn ein Glücksfall, findet er: "Es ist wunderschön hier. Und man hat eine gewisse Freiheit und Zeit, nachzudenken. Das habe ich weniger in der Stadt."

Außenansicht eines kleinen Fachwerkhauses, eingebunden in eine dörfliche Straße.

In der Kunsthalle von Willingshausen gibt es selbstgebackene Torten aus dem Ort, wieder ein Stück Idylle. Hier ist beispielsweise zu sehen, was der Offenbacher aus der Analyse eines 100 Jahre alten Ölgemäldes gemacht hat.

Uli Becker-Dippel arbeitet dort ehrenamtlich und betreut auch die Stipendiaten. Sie erzählt, dass es seit 200 Jahren Tradition der Künstlerkolonie sei, dass die Künstler aus der Stadt rauskommen aufs Land. Sie malten in der Schwalm rund um Willingshausen das Landleben, die Menschen, die Trachten.

Von Willingshausen nach Berlin

Heute nehmen die Stipendiaten diese Tradition wieder auf. Arhun Aksakal ist der 56. Stipendiat seit 1996, als das Stipendium das erste Mal vergeben wurde. Während Uli Becker-Dippel erzählt, lächelt sie zu Arhun Aksakal hinüber, der auch am Tisch sitzt und gerade Torte isst.

Der Künstler aus Offenbach nickt. Die Menschen seien sehr freundlich zu ihm. Aber seine Zeit in Willingshausen geht zu Ende. Er wird jetzt nach Berlin ziehen, vom Land mitten hinein in die Millionenstadt. Wieder etwas, was eigentlich nicht zusammenpasst. Aber Arhun Aksakal ist neugierig darauf. Wie immer. 

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"All Guts, no glory": Arhun Aksakal in Willingshausen

Die Werke des Städel-Absolventen sind noch bis 17. Dezember in der Kunsthalle Willingshausen zu sehen. Für den Besuch der Außenstandorte der Ausstellung wird um eine schriftliche Anmeldung bei der Touristeninformation der Gemeinde gebeten. Zur Finissage führt Aksakal um 14 Uhr noch einmal selbst durch das Dorf zu seinen Kunstwerken. 

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