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Licht ins Dunkel: Euclid auf dem Weg ins All

Start einer Falcon-9-Rakete mit Euclid an Bord

Die ESA-Raumsonde Euclid ist am Samstag ins All gestartet. Sie soll dunkle Materie und dunkle Energie erforschen und eine 3D-Karte von Teilen des Universums erstellen. Gesteuert wird die Mission von Darmstadt aus.

Mit einem Bilderbuchstart ist das Weltraumteleskop Euclid der Esa am Samstag um 17.12 Uhr (MESZ) vom Kennedy Space Center im US-Bundesstaat Florida aus zu seiner Forschungsreise ins All aufgebrochen. Im Darmstädter Raumfahrtkontrollzentrum ESOC, von wo aus die Mission gesteuert wird, verfolgten zahlreiche Wissenschaftler und Journalisten, wie die Sonde kurz nach 17 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ) abhob. Per Livestream konnten sich Interessierte den Start auch im Internet ansehen.

Das Rätsel der dunklen Materie und der dunklen Energie

Das knapp fünf Meter lange und im Durchmesser knapp vier Meter messende Gerät soll im Wortsinne Licht ins Dunkel um ein nach wie vor ungelöstes Rätsel der Wissenschaft bringen: das der dunklen Materie und der dunklen Energie. "Das Unsichtbare sichtbar machen" fasst der französische Astrophysiker David Elbaz den Kern der Mission zusammen.

Graphische Darstellung von Euclid im All mit der Milchstraße im Hintergrund

Dazu schaut das nach dem griechischen Mathematiker Euklid benannte Teleskop zehn Milliarden Lichtjahre weit ins All und erstellt eine dreidimensionale Karte von einem Drittel des Universums. Milliarden von Galaxien sollen mit hoher Präzision erfasst werden. Es wird laut ESA die größte und genaueste 3-D-Darstellung des Alls, die es je gegeben hat.

Flugdirektor: "Weltweit einmalig"

"Was wir da machen, ist weltweit einmalig", erklärt Andreas Rudolph, Flugdirektor der Mission im ESOC. "Das ist in dieser Größenordnung noch nie gemacht worden." Wieder einmal gehe es um Grundlagenforschung in der Kosmologie: Wie ist das Universum aufgebaut und wie ist es entstanden? Viele Fragen sind nach wie vor ungeklärt.

Vor einiger Zeit bereits stellten Wissenschaftler fest, dass sich Verteilung und Bewegung von Sternen und Galaxien nicht mit der Massewirkung sichtbarer Körper erklären ließ. Man nahm also an, dass es etwas Unbekanntes geben muss, das diesen Prozess antreibt - die sogenannte dunkle Materie und dunkle Energie - so genannt, weil man nicht wirklich weiß, worum es sich handelt.

Kein Licht, aber Gravitation

"Was diese beiden Dinge nicht tun, ist elektromagnetisch zu interagieren", erklärt Rudolph. Das heißt, sie absorbieren auch kein Licht und strahlen keines aus. Einen Brocken dunkler Materie, so man ihn sich auf den Tisch stellen könnte, würde man wohl nicht sehen. Doch wie kommt man dem unsichtbaren Stoff im All auf die Spur?

Zum Beispiel über sogenannte Gravitationslinsen. "Die Gravitation der dunklen Materie krümmt den Raum und das Licht folgt dieser Krümmung", erklärt Rudolph. Entfernte Galaxien wirken verzerrt. Das kann man messen und somit Rückschlüsse auf das Vorhandensein dunkler Materie schließen.

Noch geheimnisvoller ist die sogenannte dunkle Energie. Das Universum dehnt sich immer schneller aus, was es allein aufgrund der Gravitation nicht tun dürfte. Dahinter vermutet man eine weitere unbekannte Kraft. Auch das ist zunächst nur ein Modell.

Die Forscher nehmen an, dass das Universum zu etwa 25 Prozent aus dunkler Materie und zu rund 70 Prozent aus dunkler Energie besteht. Das, was wir sehen können – Sterne, Planeten, Menschen – würde demnach nur rund fünf Prozent des gesamten Universums ausmachen.

Blick in die Vergangenheit

Von der Kartierung erhofft sich die Forschung einen Überblick über die Verteilung der jeweiligen Komponenten im All, um so genauere Rückschlüsse auf deren Natur ziehen zu können. Die ganze Struktur und Geschichte des kosmischen Gefüges soll damit erforscht werden. Denn der Blick in die Ferne ist zugleich ein Blick in die Vergangenheit.

Das Licht, das Euclid einfangen wird, ist bis zu zehn Milliarden Jahre unterwegs. Es zeigt, wie sich das Universum in früheren Phasen seiner Existenz jeweils entwickelte. Und das könnte auch Licht auf die Frage werfen, welche Rolle die dunkle Energie dabei spielt und gespielt hat.

Zielort: Lagrange 2

Seine Beobachtungsposition wird Euclid am sogenannten Lagrange-2-Punkt einnehmen. Das ist ein 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernter Ort an der Grenze der Schwerefelder von Erde und Sonne, von dem aus das Teleskop zusammen mit der Erde die Sonne umkreisen kann, ohne dass man viel Energie in den Antrieb stecken müsste. Fünf solcher Punkte gibt es im System Sonne-Erde.

Um vor störendem Licht und der Hitzestrahlung der Sonne geschützt zu sein, schirmt ein mehrere Meter großer Schild das eigentliche Teleskop ab. Euclid hat einen Objektivdurchmesser von 1,2 Metern, um das Sternenlicht einzufangen. Zwei Sensoren für den sichtbaren und den Nahinfrarot-Bereich erzeugen daraus die Bilder.

"Es gibt keinen Pannendienst im All"

Dem Esa-Zentrum in Darmstadt kommt dabei wieder eine zentrale Rolle zu. "Wir kontrollieren den Satelliten, sobald er sich von der Rakete abgelöst hat", erläutert Flugdirektor Rudolph. Das Team im ESOC ist auch für Korrekturmanöver zuständig, wenn irgendetwas nicht planmäßig laufen sollte. Das muss zuvor gründlich getestet werden. "Es gibt im All ja keinen Pannendienst."

Wochen nach dem Start erreicht die Sonde ihren Zielort. Es folgt eine mehrmonatige Testphase, dann kann das Teleskop mit seiner wissenschaftlichen Arbeit beginnen. Ausgelegt ist die Mission nach heutigem Stand für rund sechs Jahre. In dieser Zeit sammelt Euclid Daten.

Über auf der ganzen Erde verteilte Bodenstationen landen diese Rohdaten im Kontrollzentrum in Darmstadt. Ein internationales Konsortium von mehr als 2.000 Forscherinnen und Forschern bereitet sie auf und stellt sie über ein Archiv der gesamten Wissenschaft zur Verfügung. Insgesamt 21 Nationen sind an der Mission beteiligt. Die Kosten belaufen sich Rudolph zufolge auf etwa 1,4 Milliarden Euro, verteilt auf rund 20 Jahre.

Krieg änderte Startpläne

Ursprünglich sollte Euclid mit einer russischen Sojus-Rakete von Kourou in Französisch-Guayana aus ins All fliegen. Doch der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hatte für eine Änderung der Pläne gesorgt.

Der Start erfolgte stattdessen an Bord einer Falcon-9-Rakete des privaten Raumfahrtunternehmens SpaceX. Teile dieser Raketen sind wiederverwendbar. So setzte die erste Stufe des rund 70 Meter hohen Vehikels schon wenige Minuten nach dem Liftoff wieder sicher auf einer im Meer schwimmenden Plattform auf.

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