Mordprozess in Gießen Angeklagter gesteht, Leiche zerteilt und im Haus versteckt zu haben
Im Mordprozess vor dem Landgericht Gießen wird ein Vernehmungsvideo gezeigt. Darin gesteht der Angeklagte aus Lauterbach, dass er die Leiche seiner Mieterin im Haus versteckt, zerteilt und Teile im Wald entsorgt habe. Den Mord gesteht er jedoch nicht.
Empörung - gleich zu Beginn des Videos. "Blödsinn", sagt der Angeklagte, als der Oberstaatsanwalt ihn während seiner ersten Vernehmung im Juli 2024 mit dem Tötungsvorwurf konfrontiert. Zu diesem Zeitpunkt weiß er noch nicht, dass die Ermittler da bereits Leichenteile im Keller seines Hauses entdeckt haben.
Der 58 Jahre alte Frührentner aus Lauterbach (Vogelsberg) steht seit Anfang Mai gemeinsam mit seiner 44 Jahre alten Lebensgefährtin vor dem Landgericht Gießen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Paar vor, eine Mieterin über Wochen schwer misshandelt, gedemütigt, isoliert, ausgebeutet und schließlich mit einer Überdosis verschiedener Tabletten getötet zu haben.
Mord durch Unterlassen?
Bei der Toten handelt es sich um eine 55 Jahre alte Frau mit Down-Syndrom. Sie soll infolge der Vergiftung und an unterlassener Hilfeleistung gestorben sein. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: gemeinschaftlicher Mord durch Unterlassen sowie gefährliche Körperverletzung.
Die Beweisaufnahme in dem Prozess ist umfangreich und dürfte noch mehrere Monate dauern. Ein zentrales Element war nun ein Videomitschnitt der ersten Vernehmung des angeklagten Vermieters zu Beginn der Ermittlungen.
Erste Hinweise bei Hausdurchsuchung
Im Zuge tagelanger Durchsuchungen in einem Fachwerkhaus im Lauterbacher Ortsteil Wernges hatte die Polizei damals Leichenteile im Haus der beiden Angeklagten gefunden. Das nun gezeigte Video offenbart: Während der Befragung bestritt der Angeklagte jegliche Verantwortung für den Tod der Frau.
Vielmehr habe er ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu ihr gehabt, behauptete er. Sie sei ein "liebes Mädchen" gewesen, er habe "alles für sie gemacht" und sei "kein böser Mensch". Und: "Ich habe auch garantiert niemanden umgebracht."
Ermittler legen Beweise vor
Nach und nach konfrontierten die Ermittler den Mann während der Befragung mit belastenden Beweisen: Laut Staatsanwaltschaft hatte er beispielsweise nach dem angeblichen Auszug der Frau weiterhin ihre EC-Karte genutzt und ihren Kontostand überprüft.
Als die Ermittler ihn schließlich auf einen Kellerraum im Haus ansprachen und fragten, was dort zu finden sei, antwortete der Mann: "Ich kann’s erklären."
Geständnis: Leiche im Keller versteckt
Daraufhin berichtete der Angeklagte, die Frau morgens tot in ihrem Zimmer gefunden zu haben. Er behauptete, sie habe sich mit einer Überdosis selbst das Leben genommen. Aus Angst, für ihren Tod verantwortlich gemacht zu werden - da die Tabletten teilweise ihm und seiner Partnerin gehört hätten - habe das Paar entschieden, die Leiche zu verstecken.
Zunächst hätten sie geplant, sie im Wald zu beerdigen, aber nicht gewusst, wie. Nach mehreren Wochen habe er den bereits verwesenden Körper im Keller mit einer Axt zerteilt und die Teile in eine große Tonne gelegt. Um den Verwesungsgeruch zu überdecken, habe er unter anderem Raumduft aufgestellt und die Tonne mit Panzertape verklebt.
Leichenteile im Wald entsorgt
Kopf, Arme und Beine habe er später in eine Plastikbox gepackt und in den Wald gebracht. Dort habe er die Leichenteile auf einen Holzhaufen geworfen. Der Torso sei zu schwer gewesen, um ihn ebenfalls zu transportieren, behauptete er.
Er habe panische Angst gehabt, erneut beschuldigt zu werden. Bereits 1997 war der Mann wegen eines Tötungsdelikts im Raum Frankfurt in Untersuchungshaft, das Verfahren wurde jedoch eingestellt. Der Fall blieb ungeklärt.
In der Vernehmung erklärte der Angeklagte, die damaligen Erlebnisse hätten bei ihm zu Schlafstörungen und psychischen Problemen geführt, weswegen er in Behandlung gewesen sei. "Ich hatte Angst, dass die mich wieder einsperren und den Schlüssel wegwerfen", sagte er.
Nach der Vernehmung führte der Angeklagte die Ermittler zu der Stelle im Wald, an der er die Leichenteile abgelegt hatte.
Aussage steht im Widerspruch zur Anklage
Seine Aussage widerspricht in weiten Teilen der Darstellung der Staatsanwaltschaft sowie der Aussage eines Zeugen aus der Vorwoche. Die Staatsanwaltschaft sprach in der Anklage von einem 68 Tage langen Martyrium der Frau - geprägt von Gewalt, Isolation und Erniedrigung durch die Vermieter.
Der Sohn eines ehemaligen Mieters hatte die Ermittlungen ins Rollen gebracht. Nachdem es Ende Juni 2024 aufgrund von Mietstreitigkeiten zu einem Polizeieinsatz auf dem Hof kam, wies er die Beamten darauf hin, dass eine Mieterin bereits vor Monaten unter mysteriösen Umständen verschwunden sei - ohne ihre Sachen mitzunehmen. Daraufhin wurde der Hof durchsucht.
Zeuge berichtet von Gewalt und Kontrolle
Der Sohn berichtete vor Gericht von systematischer Einschüchterung, Geldstrafen und Gewalt durch das Vermieterpaar. Die Frau sei vollständig kontrolliert worden: Ausgangsverbot, Redeverbot, Essensentzug, kein Hausschlüssel. Auch ihr Zimmer sei von außen verriegelt gewesen. Am Ende habe die Frau auf Ansprache überhaupt nicht mehr reagiert.
Sein inzwischen verstorbener Vater habe eines Tages bemerkt, dass die Frau einen ganzen Tag lang nicht aus ihrem Zimmer kam, so der Zeuge. Gemeinsam mit der Vermieterin habe er sie dann auf dem Boden gefunden und ins Bett gelegt.
Selbst einen Notarzt zu rufen, habe sich sein Vater wegen mangelnder Deutschkenntnisse nicht zugetraut, berichtete der Sohn, der vor Gericht ebenfalls aus dem Rumänischen übersetzt wurde. Später sei ihm von den Vermietern erzählt worden, die Frau habe sich erholt und sei überstürzt ausgezogen.
Das Verfahren wird voraussichtlich bis in den Herbst dauern. Als nächstes soll ein Vernehmungsvideo der mitangeklagten Vermieterin gezeigt werden.