Audio

Polizisten müssen sich Ermittlungsverfahren stellen

Polizist von hinten

Der Job ist hart und oft gefährlich: Polizisten werden im Einsatz regelmäßig mit Gewalt konfrontiert - und üben selbst Gewalt aus, bis hin zum Einsatz der Schusswaffe. Seit Jahresbeginn wurde in 373 Fällen gegen Beamte ermittelt.

Rechte Chatgruppen, eine Ohrfeige für einen Randalierer, ein tödlicher Schuss im Einsatz: Immer wieder müssen sich in Hessen Polizisten einem Ermittlungsverfahren stellen.

"Seit dem 1. Januar 2023 wurden gegen hessische Polizeibeamtinnen und -beamte 373 Ermittlungsverfahren zur strafrechtlichen Prüfung an die zuständige Staatsanwaltschaft abgegeben", teilte das Innenministerium mit.

Großteil der Anzeigen aus der Bevölkerung

Von den gut 370 Verfahren sind demnach 291 auf Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern zurückzuführen, die die Einsätze als rechtswidrig empfanden. Verfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung, Körperverletzung im Amt oder Nötigung machten den größten Teil der Ermittlungen aus.

Laut Innenministerium stellte die Staatsanwaltschaft 48 der seit Anfang des Jahres übermittelten Verfahren ein.

Fall in Roßdorf noch in der Prüfung

Zuletzt hatte ein Fall in Roßdorf (Darmstadt-Dieburg) für Aufsehen gesorgt. Bei einem nächtlichen Einsatz wurde ein Mann durch eine Dienstwaffe schwer verletzt. Der genaue Verlauf ist der Staatsanwaltschaft noch nicht klar, weil der Fall noch von der Polizei bearbeitet wird. Es werde davon ausgegangen, dass der Mann mit einem Messer bewaffnet gewesen sei, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft mit.

Die Beamtinnen und Beamten sehen sich bei ihren Einsätzen auch immer wieder Aggressionen, Anfeindungen und Gewalt ausgesetzt. Nach Angaben des Ministeriums gab es 2022 rund 2.200 Straftaten gegen Polizisten mit rund 4.700 Geschädigten.

Oft Probleme mit Betrunkenen

Die Beamten seien im Dienst häufig mit Situationen konfrontiert, in denen sie mit Menschen in emotionalen Ausnahmezuständen, mit Berauschten oder Betrunkenen zu tun hätten, teilte das Ministerium mit. In solchen Situationen müsse dann auch mal körperliche Gewalt eingesetzt werden.

"Entscheidend ist, wie mit solchen Vorfällen und Verdachtsfällen innerhalb der mehr als 21.000 Bedienstete umfassenden hessischen Polizei umgegangen wird", so das Ministerium.

Bei jedem einzelnen Fall - auch bei anderen Delikten wie der Verletzung des Dienstgeheimnisses, Strafvereitelung oder bei falschen Verdächtigungen - werde bei entsprechenden Verdachtsmomenten ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren geführt.

GdP: Handykameras erhöhen den Stress

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Hessen geht von steigenden Verfahrenszahlen aus "weil ja auch die Angriffe auf Polizisten zugenommen haben", so der GdP-Landesvorsitzende Jens Mohrherr. Die Gewaltbereitschaft sei gestiegen, und bei jeder Kontrolle durch Polizisten werde gleich das Handy gezückt, was den Stress erhöhe.

Jede Festnahme und jede Personenkontrolle könne eskalieren. "Es ist für die Beamten nicht neu, dass sie mit einem Fuß in einem Ermittlungsverfahren stehen." Aber die Verfahrensdauer sei zu lang. Es gebe Fälle, bei denen vier Jahre gegen Beamte ermittelt werde. "Das treibt die Kollegen doppelt um", sagt der Gewerkschaftschef.