Polizisten und vermummte Fans treffen in der Simulation aufeinander.

Gewaltbereite Fans, Polizisten in voller Ausrüstung, Wasserwerfer: die Bundespolizei Hünfeld hat den Einsatz bei einem Fußballspiel trainiert. Dabei ging es ordentlich zur Sache.

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Bundespolizei – Fortbildung gegen Gewalt bei Fußballspielen

hs
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"Kriegen Sie Luft?" Ein Polizist kniet auf dem Nacken eines Fußballfans, Handschellen klicken. Der Mann hat den Beamten körperlich angegriffen, gleich wird er abgeführt. Um die Szene herum: unzählige maskierte Fans. Bengalos vernebeln die Sicht. 

Was wie ein Ernstfall aussah, war in Wirklichkeit eine Großübung der Bundespolizei Hünfeld (Fulda). Die Akteure: insgesamt 250 Polizisten. Die Übung rund um den Sportpark Johannisau und im Stadion war Bestandtteil eines 12-wöchigen Lehrgangs. Die jungen Beamten gehörten zur Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit der Bundespolizei Hünfeld (BFHu). 

Mehrere Polizisten nehmen gewaltbereite Fußballfans fest. Die Fans liegen am Boden, die Polizisten knieen über ihnen.

Gewaltbereitschaft der Fans "definitiv angewachsen" 

Die Stimmung war aufgeheizt. Die Übung sollte die Realität in deutschen Fußballstadien zeigen. Egal, ob im Profibereich oder bei den Amateuren - immer wieder kommt es zu Gewalt und Ausschreitungen.

Die Gewaltbereitschaft von Fans sei in den letzten Jahren definitiv angewachsen, sagte Chris P. (Nachname ist der Redaktion bekannt). Der stellvertretende Hundertschaftsführer beschrieb die Hemmungen gegenüber Polizeibeamten als abgeschwächt: "So kommt es immer wieder zu unschönen Situationen, wenn Polizeikräfte und gewaltbereite Störer aufeinandertreffen." 

Die gewaltbereiten Störer des fiktiven Fußballspiels waren in diesem Fall ebenfalls Polizeibeamte. Sie waren in die Rolle der zum Teil aggressiven Fans geschlüpft und simulierten für ihre Kollegen eine eskalierende Auseinandersetzung.

Herausforderung: Verschiedene Phasen und immer wieder Attacken

Das Übungsszenario war in verschiedene Phasen eingeteilt. Zunächst wurden die Busse nach der Anreise kontrolliert, um "gezielt Gegenstände oder Identitäten festzustellen und Straftäter herauszuziehen", erklärte Chris P. Anschließend wurden die vermeintlichen Fans ins Stadion begleitet.  

Das Foto zeigt Chris P., den stellvertretenden Hundertschaftsführer. Er hat kurze dunkle Haare und trägt eine blaue Uniform.

Auch hier kam es immer wieder zu einzelnen Attacken. Die Festnahme-Hundertschaft sollte so trainieren, wie man in einer aufgeheizten Situation gewaltbereite Fans voneinander trennt und festnimmt.

"Grenze ist überschritten"

Nach dem Abpfiff auf dem Rasen wurden die Fans zu den Bussen eskortiert. Auch hier eskalierte die Situation. Gewalttäter lösten sich aus der Menge und attackierten die Chaoten der anderen Mannschaft - und die Polizei. Man brauche ausreichend Polizeikräfte und Konzepte, um zu verhindern, dass gewisse Fangruppen aufeinandertreffen, erklärte Chris P.

Pyrotechnik gezündet: gewaltbereite Fangruppen stehen auf dem Rasen.

Die Regeln würden immer weniger eingehalten, sagte der Hundertschaftsführer. Zudem träfen immer mehr gewaltbereite Fans an so genannten "Drittorten" aufeinander. Sie verabredeten sich über digitale Plattformen, dort schaukele sich das Gewaltpotenzial immer weiter hoch. Die Polizei könne "nur vor Ort dazwischengehen", sagte Chris P. Für ihn sei mittlerweile "eine Grenze überschritten".

Gewalt gegen Polizisten und Unbeteiligte

Früher habe die Gewalt hauptsächlich zwischen den unterschiedlichen Fußballfans stattgefunden, sagte ein Sprecher der Deutschen Polizeigewerkschaft dem hr. Heute richte sie sich "auch und insbesondere gegen die Polizei und Unbeteiligte".

Eine Grenze gebe es oft nicht. Auch wenn ein Mensch am Boden liege, werde weiter auf ihn eingetreten und geschlagen, so der Sprecher. Achtung und Respekt vor der Polizei seien verloren gegangen, heißt es von Seiten der Polizeigewerkschaft.

200 Verletzte bei Krawallen

Im November etwa war es vor einem Bundesliga-Spiel zwischen Eintracht Frankfurt und dem VfB Stuttgart zu heftigen Ausschreitungen zwischen Eintracht-Fans und der Polizei gekommen. Es gab zahlreiche Verletzte auf beiden Seiten, insgesamt rund 200. Der Verein hatte die Gewalt seitens der Fans, aber auch den Einsatz der Polizei scharf kritisiert. Die Aufarbeitung dauert an.

Weil Fans der Eintracht wiederholt bei Spielen Pyrotechnik zündeten, musste der Verein in der Vergangenheit zudem mehrfach Geldstrafen zahlen, die UEFA verhängte während der Champions League im vergangenen Jahr einen Zuschauer-Teilausschluss.

"Was läuft hier gerade?"

Für die eingesetzten Beamten seien es jedes Mal beeindruckende Momente, wenn gewaltbereite Fans auf der anderen Seite stünden, sagte Chris P., der Hundertschaftsführer aus Hünfeld. Er frage sich in solchen Situationen: "Mein Gott, was läuft hier gerade?" 

Übungen wie die in Fulda seien sinnvoll, meint die Polizeigewerkschaft. Auch wenn die Realität immer anders aussehe, als in der Simulation geübt.

In Fulda konnten die Beamten immerhin so realitätsnah wie möglich trainieren. Um für das fit zu sein, was an den Wochenenden irgendwo in deutschen Fußballstadien Alltag ist.

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Kosten in Millionenhöhe

Einsätze bei Fußballspielen kosten in Hessen jedes Jahr mehrere Millionen Euro. Allein für die Polizeieinsätze bei den Derbys zahlt das Land Hessen nach Regierungsangaben rund eine Million Euro pro Spiel.

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