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Demos nach Hamas-Attacke fordern Polizei

Viele Polizisten stehen um eine kleine Gruppe von Menschen im öffentlichen Raum. Daneben steht ein Wasserwerfer.

Gerichtliche Auseinandersetzungen um Demo-Verbote, antisemitische Parolen und Terror-Verherrlichung: Polizei und Justiz in Hessen sind seit dem Ausbruch des Kriegs im Nahen Osten im Dauereinsatz. Man sei "am Anschlag", heißt es von der Polizei.

Seit dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober sind in Hessen rund 420 Straftaten erfasst worden, die im Zusammenhang mit den Kampfhandlungen im Nahen Osten stehen. Das teilte das Innenministerium am Freitag auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mit.

Demnach handelt es sich bei einem Großteil der Straftaten um Hasspostings im Internet. Nur bei einer vergleichsweise geringen Anzahl sei es bisher zu Gewalt wie Körperverletzungs- und Widerstandsdelikten gekommen.

Bei der Meldestelle "Hessen gegen Hetze" seien seit den Terrorangriffen auf Israel 350 Meldungen mit antisemitischen Inhalten oder explizit israelbezogenem Antisemitismus eingegangen. Das sei das Vierfache der üblichen Meldungen antisemitischer Inhalte pro Monat.

Straftaten bei Kundgebungen im zweistelligen Bereich

Im Zuge von insgesamt 165 bekannt gewordenen Veranstaltungen wurden zudem hessenweit Straftaten im oberen zweistelligen Bereich begangen, wie das Ministerium weiter mitteilte. Bei bislang 60 pro-palästinensischen Veranstaltungen sei es zu Straftaten im mittleren zweistelligen Bereich gekommen.

Die Polizei verhalte sich gegenüber den Meinungskundgaben verschiedener Gruppen neutral und schütze alle verfassungsmäßigen Grundrechte, darunter das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit. Es werde insbesondere unterschieden zwischen friedlichen Teilnehmenden und "jenen, die stören, gewalttätig werden oder die Auflagen missachten", so das Innenministerium.

Generalstaatsanwaltschaft: Einzelfall betrachten

Bereits Mitte Oktober hat die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt nach eigener Aussage die Staatsanwaltschaften in Hessen für eine Reihe von Straftatbeständen sensibilisiert, deren Begehung auf Kundgebungen im Nachgang des Terroranschlags der mittlerweile in Deutschland verbotenen Hamas in Betracht kommt.

Dazu gehöre auch das öffentliche Verwenden des Ausspruchs "From the river to the sea, Palestine will be free" ("Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein"), der das Existenzrecht Israels in Frage stellt - es könne den Anfangsverdacht einer Straftat begründen, so die Generalstaatsanwaltschaft. Dabei müssten aber die Umstände des jeweiligen Einzelfalls gewürdigt werden.

Polizisten seit 7. Oktober "am Anschlag"

Die Situation stelle die eingesetzten Polizisten in mehrfacher Hinsicht vor Herausforderungen, sagte der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jens Mohrherr. Zwar seien die Polizisten Profis genug, um verfassungswidrige Symbole zu erkennen.

Bei den pro-palästinensischen Demos müsse man aber "immer wieder genau hingucken, welche Symbole oder welche Skandierungen - teilweise natürlich in Fremd- oder Muttersprachen - dort laufen", um sie gegebenenfalls sofort unterbinden zu können. Die Proteste bänden auch zusätzliche Kapazitäten. "Die Kolleginnen und Kollegen in Hessen sind am Anschlag", sagte Mohrherr.

Rechtswissenschaftler wertet Demos als "hoch bedenklich"

Auch Rechtswissenschaftler Steffen Augsberg forderte, in verfassungsrechtlicher Hinsicht genau hinzusehen. Der dpa sagte der Professor für Öffentliches Recht an der Justus-Liebig-Universität Gießen, man könne sich solidarisch mit den Menschen erklären, die im Gazastreifen und Westjordanland leben, jedoch nicht mit terroristischen Organisationen und insbesondere mit der Hamas.

Dies geschehe jedoch bei nahezu jeder dieser Demonstrationen "in mehr oder weniger großem Umfang", so Augsberg. Häufig werde der Rechtsstaat dabei "bis an die Grenzen des Erträglichen und oft auch darüber hinaus" ausgenutzt. Die verfassungsrechtliche Herangehensweise sei tendenziell großzügig - was die Polizei auch ausbaden müsse.

Wenn es am Rande einer an sich friedlichen Demonstration zu vereinzelten Rechtsverstößen komme, rechtfertige das noch nicht das Vorgehen gegen die Gesamtversammlung. "Aber auch das hat Grenzen", erklärte der Rechtswissenschaftler. Die derzeitigen Demonstrationen wertete er als "hoch bedenklich", was Sprechchöre und verwendete Symbole angehe - etwa das Zeigen von IS- oder oder ähnlichen Flaggen. Schon deshalb ließen sich gute Gründe finden, solche Veranstaltungen auch zu verbieten.

Wieder Veranstaltungen angekündigt

Auch an diesem Wochenende sind der hessischen Polizei vereinzelte pro-israelische und pro-palästinensische Veranstaltungen bekannt. In Frankfurt haben am Freitag mehr als 1.500 Menschen an einer Kundgebung auf dem Opernplatz und einem Demonstrationszug zur Westend-Synagoge unter dem Motto "Nie wieder ist jetzt! Gemeinsam gegen Judenhass in Frankfurt und weltweit" teilgenommen.