Guerilla-Aktion in Biedenkopf Illegale Brücke über die Lahn gebaut - schon zum zweiten Mal
Die Sanierung einer maroden Brücke in Biedenkopf geht Unbekannten offenbar nicht schnell genug: Sie haben heimlich einen Holzsteg über die Lahn gezimmert - und das schon zum zweiten Mal. Der Bürgermeister ist vom Ersatzbau wenig begeistert.
Die einen bezeichnen sie als "starke Handwerkerleistung", die anderen als "gefährliches Sicherheitsrisiko": Unbekannte haben in Biedenkopf eine Holzbrücke über die Lahn gebaut - und das schon zum zweiten Mal und offenbar in einer Nacht- und Nebelaktion, die in den Sozialen Medien fleißig kommentiert wird.
Ob Anwohner des benachbarten Wohngebiets hinter der Guerilla-Aktion stecken oder Gewerbetreibende des Industriegebiets auf der anderen Seite der Lahn - man wird es vielleicht nie erfahren.
Fest steht: Ende April musste eine marode Fußgänger- und Radfahrer-Brücke über der Lahn dauerhaft gesperrt werden. Der "Sachsenhäuser Steg" verband bis dahin das Wohngebiet mit dem Gewerbegebiet, in dem sich unter anderem große Lebensmittelgeschäfte befinden.
Erste illegale Brücke im Mai
Schon Anfang Mai hatten Unbekannte in Sichtweite des gesperrten Stegs eine erste illegale Ersatzbrücke aufgebaut. Auch hier war nicht klar, wer die Konstrukteure waren und wann genau die Brücke errichtet wurde. Das Holzbauwerk sah allerdings professionell aus, hatte eine Treppe, einen Handlauf auf jeder Seite und Pfeiler mit Querverstrebungen. Zuerst hatte mittelhessen.de darüber berichtet (Artikel hinter Bezahlschranke).
Bleiben durfte die Brücke trotzdem nicht. Sie sei im Rahmen einer turnusmäßigen Kontrolle der dortigen Pegelanlage entdeckt worden, berichtet das Regierungspräsidium (RP) Gießen auf Anfrage. Durch den illegalen Bau sei diese Anlage nicht mehr "bestimmungsgemäß nutzbar" gewesen.
Die Anlage sei wichtig, um vor Hochwasser warnen zu können. Wäre die Konstruktion - eben etwa bei Hochwasser - zusammengebrochen, hätte sie erhebliche Schäden anrichten können, heißt es weiter. Deswegen habe das RP die Stadt veranlasst, sie abzureißen. Dies geschah Mitte Mai.
Neue Brücke an versteckter Stelle
Jetzt wurde ein neues, etwas einfacher konstruiertes Bauwerk entdeckt: Die neue Brücke steht an etwas versteckterer Stelle in tieferem Gewässer, etwa 150 Meter Luftlinie vom Sachsenhäuser Steg entfernt, in der Näher einer Brücke, über die die B62 führt.
Er dachte an einen "verfrühten Aprilscherz", als er über eine Medienanfrage von der zweiten Brücke erfuhr, sagt Bürgermeister Jochen Achenbach (CDU). Es sei aber klar, dass auch die neue Brücke abgerissen werden müsse: "Wir haben eine Verkehrssicherungspflicht, und der müssen wir nachkommen. Die jetzige Brücke bietet Gefährdungspotenzial", betont er.
Und weiter: "Zwischen dem Handlauf und dem Brückenboden zum Beispiel passt ein Kind durch." Es sei außerdem ein Überschwemmungsgebiet. "Wenn es stark regnet, ist von der Brücke nichts mehr zu sehen." Ähnliches ist vom Landkreis Marburg-Biedenkopf als zuständiger Bauaufsichtsbehörde zu hören: Die Brücke sei vor allem bei Hochwasser gefährlich. Der Kreis stehe mit der Stadt im Austausch, lässt er wissen.
Brückenbau zuvor an gestiegenen Kosten gescheitert
Hintergrund: Der Sachsenhäuser Steg sollte schon 2024 neu gebaut werden, nach Angaben von Bürgermeister Achenbach sei dies aber an den immens gestiegenen Kosten gescheitert. Die Stadt hatte mit 350.000 Euro kalkuliert, das günstigste Angebot nach der entsprechenden Ausschreibung habe dagegen bei 850.000 Euro gelegen.
Daraufhin überarbeitete die Stadt die Pläne, die einen kompletten Neubau vorsahen, und suchte nach Einsparpotenzial. Nach aktueller Schätzung kommt sie noch auf Kosten von rund 580.000 Euro. Sie hofft, spätestens im kommenden Jahr mit den Arbeiten beginnen zu können, sagt Achenbach.
Die illegalen Brücken hätten verdeutlicht: "Da ist eine Eigeninitiative, die uns deutlich zeigt wie groß der Wunsch nach einer Brücke ist. Und diesen Wunsch können alle Entscheidungsträger nachvollziehen und tragen ihn auch mit." Deswegen habe die Stadtverordnetenversammlung in der letzten Sitzung einstimmig die Mittel für einen Ersatzneubau freigegeben. Das sei "ein starkes Signal für die Brücke".
"Wo ein Wille, da ein Steg"
"Losgelöst davon hilft hier diese Aktion wenig, denn sie schafft zusätzliche Unsicherheit und weitere Probleme", betont der Bürgermeister. Eine Anzeige gegen Unbekannt sei in der Stadt aber kein Thema. Auch der Kreis teilt mit, eine Strafermittlung sei derzeit unverhältnismäßig.
In den Sozialen Medien wiederum wird die Aktion überwiegend mit Humor kommentiert. "Ich hab da mal ne Frage an die anonymen Erbauer.... Kann man euch mieten?? Gerne PN. Sowas fleißiges... Respekt", schreibt eine Facebook-Nutzerin. Und ein anderer: "Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg; wo keine Genehmigung da ist, da baut man einen Steg!"