Der angeklagte Ex-Oberstaatsanwalt (re.) am Freitag vor Gericht

Das Frankfurter Landgericht hat den früheren Oberstaatsanwalt Alexander B. zu sechs Jahren Haft verurteilt. Er habe sich der Bestechlichkeit, Untreue und Steuerhinterziehung schuldig gemacht, urteilten die Richter. Die Verteidigung will Revision einlegen.

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Ex-Oberstaatsanwalt verurteilt

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Ein Korruptionsermittler, der wegen Korruption vor Gericht steht - der Prozess gegen Alexander B. sorgte für Aufsehen. Am Freitag fiel das Urteil vor dem Frankfurter Landgericht: Der ehemalige Oberstaatsanwalt wurde zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt.

Das Gericht sprach ihn der Bestechlichkeit in 86 Fällen, der Untreue in 54 Fällen und der Steuerhinterziehung in neun Fällen schuldig. Neben der Haftstrafe wurde entschieden, dass rund eine halbe Million Euro eingezogen werden.

"Ich bedauere meine Taten"

Der früher hoch angesehene Leiter einer Ermittlungsstelle gegen Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen und Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft sei mit "krimineller Energie" vorgegangen, sagte der Vorsitzende Richter Werner Gröschel. Er sei sich der Illegalität seines Handelns voll bewusst gewesen. Am Ende habe er "seine gesamte bürgerliche Existenz zerstört".

B. sagte in seinem Schlusswort am Mittwoch, er sei sich der "Tragweite des Unrechts, das ich begangen habe, bewusst". Er habe vielen Menschen und auch dem Ansehen der hessischen Justiz geschadet, "da gibt es nichts zu relativieren und nichts zu beschönigen". Er bedauere seine Straftaten und übernehme die volle Verantwortung.

Staatsanwaltschaft hatte höhere Strafe gefordert

Mit dem Urteil blieb das Gericht unter den Anträgen der Staatsanwaltschaft, die in ihren Plädoyers siebeneinhalb Jahre Haft gefordert hatte. Die Verteidigung von Alexander B. hatte maximal vier Jahre Haft gefordert. Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung hat der ehemalige Top-Jurist gestanden, die Untreue aber nicht.

Das Gericht sah den Punkt Untreue jedoch als gegeben an. Richter Gröschel argumentierte, als Dienststellenleiter hätte der Oberstaatsanwalt die Pflicht gehabt, die Kosten für Sachverständigengutachten so gering wie möglich zu halten. Stattdessen vergab er Aufträge im Volumen von rund einer Million Euro pro Jahr. Wegen seiner hohen Stellung, des Vorsatzes und der hohen Summen handele es sich sogar um schwere Untreue.

Schmiergeld für Luxuslebensstil

Mit Alexander B. auf der Anklagebank saß ein Unternehmer, mit dem der angeklagte Jurist - ein enger Freund seit Schulzeiten - 2005 eine Firma gründete, die Sachverständige an Justizbehörden vermittelte. B. soll heimlich an den Gewinnen beteiligt gewesen sein.

Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten wegen Bestechung und Steuerhinterziehung verurteilt. Die Anklage hatte dreieinhalb Jahre Haft für den Unternehmer gefordert, seine Verteidiger maximal zwei Jahre auf Bewährung.

B. soll auch von einer weiteren Firma Geld im Gegenzug zur Vergabe von Aufträgen erhalten haben. Mit dem Schmiergeld unterstützte der Jurist nach eigenen Angaben seine damalige Lebensgefährtin sowie deren Kinder und kaufte Eigentumswohnungen und Luxusgüter. Die Taten kamen ans Licht, weil eben jene Frau die Behörden informierte. Sie starb vor Prozessbeginn.

Gericht übt Kritik an Justizbehörden

Der Vorsitzende Richter Gröschel sprach von einem "Kontrollversagen" der Justiz - "und zwar auf der ganzen Linie". Der Landesrechnungshof hatte bereits in einem Prüfbericht 2022 festgestellt, dass damals Kontrollmechanismen fehlten.

Das "ganz massive Organisations- und Überwachungsverschulden der Justiz" wurde als strafmildernd gewertet. Es habe keine Kontrollmechanismen in der hessischen Justiz gegeben. Dadurch sei ein Handeln wie in dem Fall von Alexander B. begünstigt worden. Inzwischen gilt bei der Vergabe von Gutachten das Vier-Augen-Prinzip.

Das Landgericht Frankfurt kritisierte bei der Urteilsverkündung am Freitag zudem die Justizbehörden. Gröschel sprach von einer "katastrophalen Entscheidung", dass die Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft Frankfurt geführt wurden, wo der Angeklagte früher selbst tätig war. Eine seiner früheren Mitarbeiterinnen sei an den Ermittlungen beteiligt gewesen. Auch die Anklageerhebung in Frankfurt sei "nicht unbedingt glücklich" gewesen.

Justizminister: "Tiefschlag für die Justiz"

Die rechtspolitische Sprecherin der FDP im Landtag, Marion Schardt-Sauer, begrüßte das Urteil gegen B. als "wichtigen Schritt". Aber: "Einen zweiten Justizskandal kann sich Hessen nicht leisten", so Schardt-Sauer. Deswegen müssten zusätzliche Kontrollmechanismen durch den hessischen Justizminister eingeführt werden.

Genau der - Roman Poseck (CDU) - sprach von einem "Tiefschlag für die Justiz". Diese sei auf Vertrauen angewiesen. "Wir müssen alles dafür tun, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen", sagte der Justizminister am Freitag.

Als bereits getroffenen Maßnahmen nannte Poseck unter anderem die Auflösung der von B. geleiteten Zentralstelle für Medizinwirtschaftsstrafrecht und die Einrichtung einer neuen in Fulda sowie die Neuorganisation der Innenrevision im Ministerium. Anlass für einen Generalverdacht gegen die hessische Justiz biete der Fall nicht.

Das Land Hessen fordert indes von dem früheren Oberstaatsanwalt einen "höheren Millionenbetrag". Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt habe "in diversen Regressverfahren gegen Oberstaatsanwalt B. Bescheide über die Feststellung und Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Dienstpflichtverletzungen erlassen", sagte eine Sprecherin des hessischen Justizministeriums. Diese Bescheide sind noch nicht bestandskräftig.

Verteidigung will Revision einlegen

Ob die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil vorgeht, werde noch geprüft, sagte Oberstaatsanwalt Michael Loer. Insgesamt halte er das Urteil für vertretbar. Der Verteidiger von Alexander B. kündigte an, er werde Revision einlegen. Er geht davon aus, dass B. rechnerisch nach jetzigem Stand noch ungefähr zwei Jahre in Haft verbringen muss.

Gegen zwei weitere mutmaßlich beteiligte Beamte - einen Oberstaatsanwalt und einen Staatsanwalt - wird noch ermittelt. Beide hatten bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt eng mit B. zusammengearbeitet. Wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Frankfurt der Nachrichtenagentur dpa sagte, sind beide Verfahren noch offen. Eines sei an die Staatsanwaltschaft Darmstadt abgegeben worden.

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