Die pfälzische Stadt Pirmasens ist pleite und steckte Hoffnungen in einen Immobilieninvestor aus Frankfurt. Der sollte reiche Neubürger und Touristen aus China und den Golfstaaten anlocken. Der Plan ging schief: Statt finanzkräftiger Kuwaiter kam die Polizei.

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Pirmasens hoffte erfolglos auf Investor aus Frankfurt

Vermummte Polizeieinsatzkräfte im Einsatz
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In der vergangenen Woche erschien in der "Pirmasenser Zeitung" eine Karikatur: Ein Scheich steht mit einem Rolls Royce vor einem schmucklosen Mehrfamilienhaus und reißt vor Begeisterung die Hände in die Luft. Auf dem Gebäude prangt der Schriftzug: "Happy Verarsche Pirmasens".

Das Schild spielt auf den Titel eines Immobilienprojekts an, für das die in Frankfurt ansässige Firma Germany-Kuwait Real Estate von der kommunalen Bauhilfe Pirmasens GmbH Immobilien abgekauft hat. GK Real Estate taufte die schmucklosen ehemaligen Sozialbauten mit 68 Wohnungen am Rande der rheinland-pfälzischen 40.000-Einwohner-Stadt "Happy Forest Quarter". Einer der Geschäftsführer der GK Real Estate ist ein Frankfurter Anwalt, der vor zwei Wochen bei einer Razzia gegen mutmaßliche Schleuser als Hauptbeschuldigter festgenommen wurde.

Briefkastenfirmen, Scheinwohnsitze

Der Anwalt sitzt weiterhin in Untersuchungshaft, laut der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt besteht Fluchtgefahr. Bei der Razzia Mitte April gab es 91 Durchsuchungen in vier Bundesländern, eine weitere Person wurde festgenommen.

Der Vorwurf: Der Anwalt soll in 15 Fällen ausländischen Staatsangehörigen die Gründung von Scheinfirmen ermöglicht, angebliche Anstellungsverhältnisse vermittelt und so Personen Aufenthaltstitel verschafft haben. So seien Ausländerbehörden getäuscht worden. Seine Kunden sollen dafür bis zu 25.000 Euro bezahlt haben.

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt spricht von "banden- und gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern". Dafür seien mehrere Immobilien gekauft oder angemietet worden, die anschließend als Briefkastenanschrift und Scheinwohnsitze dienten. Und so standen am Tag der Razzia vermummte Bundespolizisten in Pirmasens und verschafften sich Zugang zu den Wohnungen des "Happy Forest Quarter" in den ehemaligen Sozialbauten.

Pirmasens hoffte auf goldene Zeiten

In Pirmasens dürfte seitdem Katerstimmung herrschen, denn hier hatte man beim Verkauf der Immobilie 2016 an die GK Real Estate große Hoffnungen gehegt. Pirmasens ist die höchstverschuldete Kommune Deutschlands, jede Finanzspritze wäre hilfreich für die leeren Kassen.

Frank Eschrich, Vorsitzender der Stadtratsfraktion der Linken, sagt, seine Partei habe damals gegen den Verkauf der Sozialwohnungen gestimmt. Das eigentlich Verwerfliche sei aber, dass gegenüber dem Stadtrat und der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt worden sei, dass "nun die goldenen Zeiten in der Stadt Pirmasens anbrechen", sagt Eschrich.

"Man hat darauf gesetzt, dass gut betuchte arabische Touristen hier in ganzen Scharen Wohnungen kaufen und ihre Sommerfrische verbringen würden", erinnert sich Eschrich an die Stimmung beim Verkauf. Dazu sei versprochen worden, das ganze Viertel rund um die Immobilien würde aufgewertet, es entstünden Sportstätten und Einkaufszentren.

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"Den Chinesen gefällt die Pfalz sehr gut"

Das sei alles nicht eingetreten, sagt Eschrich. Das Thema "Happy Forest Quarter" hat der Linken-Politiker in dieser Woche auf die Tagesordnung des Stadtrats gesetzt. Dem CDU-Oberbürgermeister Markus Zwick hat Eschrich dafür schon eine lange Liste mit kritischen Fragen geschickt.

In Pirmasens ist der Frankfurter Anwalt bekannt aus den regionalen Medien, in denen er für das "Happy Forest Quarter" warb. "Die ersten Kuwaiter können kommen", titelte die Lokalpresse 2017 zu den ersten Renovierungsarbeiten. "Den Chinesen gefällt die Pfalz sehr gut", zitierte die Zeitung "Die Rheinpfalz" einige Monate später den zufriedenen Investor aus Frankfurt, der auch zwei umgebaute Wohnungen als "Business Center" für Geschäftsleute aus Fernost und Nahost in seiner Pirmasenser Immobilie versprach.

Unterwegs mit Tarek Al-Wazir

Der Frankfurter Anwalt ist Geschäftsführer mehrerer Firmen und offenbar gut vernetzt: Laut dem hessischen Wirtschaftsministerium nahm er 2016 an einer Delegationsreise unter Leitung von Minister Tarek Al-Wazir (Grüne) in den Iran teil. Es sei darum gegangen, dass die Teilnehmenden sich über wirtschaftlichen Austausch mit der Region informieren, teilte das Ministerium dem hr mit.

Kontakte zu Käufern für das "Happy Forest Quarter" hatte der Anwalt laut der "Rheinpfalz" offenbar auch bei Reisen des rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministeriums nach China, Katar und in den Iran geknüpft. Auf der Internetseite seiner Firma GK Real Estate klingt das große Versprechen an mögliche gut betuchte Käufer so: "Eine gute Investition in einer friedlichen Umgebung".

Werbung für die Immobilie in Pirmasens mit dem Schriftzug Happy Forest Quarter

Es gebe Direktflüge von allen arabischen Hauptstädten, wirbt das Unternehmen: "Erkunden Sie jeden Tag ein anderes europäisches Land und seien Sie am Abend zurück". Man müsse nur nach Frankfurt fliegen, ein Auto mieten und sei schon eine Stunde später in Pirmasens - "eine der schönsten Gegenden Deutschlands".

15.000 Euro Gewerbesteuer

Nur kamen kaum Einnahmen durch Ölscheichs oder lukrative Firmen, die ihre Steuern in Pirmasens zahlen. Laut der Bauhilfe Pirmasens wurde bisher erst die Hälfte der Wohnungen verkauft.

Im Jahr 2016 fand der Verkauf statt, auf eine Anfrage der Linken schrieb die Stadtverwaltung 2021, es seien mittlerweile 23 Firmen mit Adresse dort ansässig, 14 davon würden Gewerbesteuer zahlen, für das Jahr 2021 seien das insgesamt rund 15.000 Euro. Sehr lukrativ konnten die Geschäfte vor Ort also nicht sein.

Der Frankfurter Anwalt wirbt auf der Internetseite seiner Kanzlei mit "Business Immigration": ein Service, der Hilfe bei Behördengängen oder der Eröffnung eines Bankkontos bietet - bis hin zur Beantragung der deutschen Staatsbürgerschaft. Außerdem bietet die Kanzlei die "Nutzung unserer Business-Centern in mehreren deutschen Städten". Zumindest die Filiale in Pirmasens bleibt jetzt erst mal geschlossen.

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