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"NSU 2.0"-Prozess: Polizisten teils ohne Alibi?

Der Schriftzug "Polizei" am 1. Polizeirevier auf der Frankfurter Zeil.

Waren doch Polizisten an den "NSU 2.0"-Drohschreiben beteiligt? Ein LKA-Ermittler spricht im Prozess gegen Alexander M. davon, dass Einsatzzeiten der Beamten falsch aufgeschrieben worden seien. Wollten sie sich damit ein Alibi verschaffen?

Das Frankfurter Landgericht hat sich am Donnerstag mit der Frage beschäftigt, ob Polizisten an den "NSU 2.0" Drohschreiben beteiligt waren. Persönliche Daten, die in einem Fax im August 2018 mit Drohungen an die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz verwendet wurden, waren im 1. Frankfurter Polizeirevier abgefragt worden.

Vor Gericht sagte ein Ermittler des Landeskriminalamts (LKA), im Fall mehrerer Polizisten habe nicht mehr zweifelsfrei rekonstruiert werden können, wo sie sich zur Zeit der Datenabfrage aufhielten. An dem betreffenden 2. August 2018 sei eine Polizistin eingeloggt gewesen. Ihr Passwort hätten aber auch andere Beamten gekannt. Die ungewöhnlich tiefgehende Abfrage dauerte demnach rund sechs Minuten und begann um 14.09 Uhr.

Alibi durch falsche Einsatzzeiten verschafft?

Eine Streife sei den Ermittlern ins Auge gestochen, weil sie Einsatzzeiten falsch aufgeschrieben habe. Das betreffe auch den Zeitpunkt, zu dem das Drohfax mit einem mobilen Gerät über das Internet an Basay-Yildiz versendet worden war. Die Ermittler hielten es für möglich, dass sich die Streifenpolizisten ein Alibi verschaffen wollten, sagte der LKA-Beamte.

Er berichtete auch von zahlreichen volksverhetzenden und rechtsextremen Bildern und Fotos, die später auf dem Handy eines der beiden Polizisten gefunden worden seien. Er sagte, hier fehle es an der Distanz zu rechtsextremem Gedankengut, die bei der Polizei gefordert sei. Es seien auch Fotos entdeckt worden, die an der hessischen Polizeiakademie entstanden seien - von aus Stiften geformten Hakenkreuzen und SS-Runen.

Schickte Polizist erstes Drohfax?

Festgestellt worden sei zudem, dass der Polizist im Internet nach Informationen zu Basay-Yildiz gesucht habe. Kurz nachdem das erste Drohfax versendet wurde, habe der Polizist seinen privaten Tablet-Computer verkauft. Unter dem Strich seien viele Indizien gefunden worden, jedoch kein glasklar entscheidender Beweis, sagte der Ermittler.

Die Nebenklage in dem Prozess geht davon aus, dass dieser Polizist die Daten abfragte und das erste Drohfax an Basay-Yildiz verschickte. Die Staatsanwaltschaft dagegen legt die gesamte Drohschreiben-Serie dem aus Berlin stammenden Alexander M. zur Last. Alexander M. ist wegen Beleidigung in 67 Fällen, versuchter Nötigung und Bedrohung angeklagt. Die Daten verschaffte er sich laut Anklage, indem er unter Angabe einer falschen Identität auf dem Polizeirevier anrief und sie sich telefonisch durchgeben ließ. M. bestreitet die Vorwürfe und wiederholte dies am Donnerstag.

Die mehr als 100 Drohschreiben waren in Anspielung auf die rechtsextreme Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) mit dem Absender "NSU 2.0" unterzeichnet. Sie wurden außer an Basay-Yildiz auch an etliche Politikerinnen und Prominente aus dem Medienbereich verschickt, meist an Frauen.