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Prozess um Mordfall Ayleen - Tag 4

Mann in Handschellen vor Gericht, hält sich Aktenordner vors Gesicht

Monatelang hatte Ayleens mutmaßlicher Mörder behauptet, die 14-Jährige sei durch einen Reitunfall gestorben. Am vierten Tag des Prozesses am Landgericht Gießen hat nun das Vernehmungsvideo gezeigt, wie Jan P. schließlich doch gestand, das Mädchen erwürgt zu haben.

Eine Dose Monster. Mit beiden Händen klammert Jan P. sich an seinen Energy Drink. Bisher wollte er Cola trinken. Aber nach zwei Stunden Befragung bittet er die Beamten schließlich um etwas Stärkeres: einen Energy Drink, Marke Monster. Auf der schwarzen Getränkedose prangt grellgrün ein zerlaufenes M.

Was hier am Montag auf dem großen Flachbildschirm im Gießener Landgericht zu sehen ist, ist der letzte Teil eines im Prozess sehr bedeutenden Videos. Es zeigt den inzwischen wegen Mordes angeklagten Jan P. aus Waldsolms (Lahn-Dill) bei seiner polizeilichen Vernehmung im September.

Es ist das Video der Vernehmung, in der P. erstmals gesteht, die 14-jährige Ayleen aus dem baden-württembergischen Gottenheim im Juli 2022 getötet und ihre Leiche in den Teufelsee (Wetterau) geworfen zu habe. Anfangs hatte P. noch beteuert, es sei alles ein tragischer Unfall gewesen.

Ermittler konfrontieren P. mit Beweisen

Das Video zeigt nun die Wende: Fast zwei Stunden lang konfrontieren die Polizeibeamten P. in der Vernehmung mit zahlreichen Beweisen aus ihrer akribisch geführten wochenlangen Ermittlung:

Etwa dass Handydaten und Überwachungsbilder eindeutig zeigten, dass er mit Ayleen am Tag ihres Verschwindens zusammen gewesen war und sie nach Hessen gebracht hatte. Dass Kurznachrichten belegten, wie er sie vorher monatelang unter Druck gesetzt hatte. Oder dass er nachweislich in dieser Nacht am späteren Leichenfundort gewesen sei.

Blick auf den Teufelsee.

"Bei dem, was wir alles in der Hand haben, macht es wirklich wenig Sinn, sich da rauszureden", sagt eine Ermittlerin.

Trotzdem versuchte P. genau das lange mit seiner "Geschichte vom Pferd". Seine Version: Ayleen sei von einem Pferd gefallen, das die beiden an diesem Abend zufällig auf einer Wiese entdeckt hätten. Ayleen habe mitten in der Nacht reiten wollen, sei aber gestürzt. Er habe dann keinen Puls mehr gefunden und die Leiche zum Teufelsee gebracht.

"Als Rettungsdienstler wissen Sie doch, was man da macht"

Das Video zeigt nun, wie das zähe Gespräch schließlich an Fahrt gewinnt - zumindest auf Seiten der Ermittler. Eingeläutet mit einer Frage von Oberstaatsanwalt Thomas Hauburger. Er stößt nach knapp zwei Stunden zum Verhör dazu.

Hauburger, der inzwischen auch beim Prozess die Anklage führt, will wissen, ob P. Ayleen denn wiederbelebt habe, als er keinen Puls mehr bei ihr habe fühlen können. Denn: P. sei ja schließlich jahrelang bei der Freiwilligen Feuerwehr gewesen. "Und als Rettungsdienstler, da wissen Sie doch, was man da macht, wenn jemand keinen Puls mehr hat."

Darauf hat P. jedoch keine Antwort.

"Warum haben Sie nichts gemacht?", fragt der Staatsanwalt.

 "Weiß nicht", nuschelt P. - sogar noch wortkarger als bisher während des Verhörs.

"Sie sind kein Monster"

Der Oberstaatsanwalt konfrontiert P. daraufhin direkt: "Das Obduktionsergebnis stimmt ganz klar nicht mit Ihrer Geschichte vom Pferd überein." Es sei rechtsmedizinischer Fakt: Ayleen konnte nicht gestürzt sein.

"Sie sind kein Monster", sagt Hauburger. Die Leiche habe keine schweren Verletzungen gezeigt: keine Brüche, keine Schnitte. Aber irgendwas sei da zwischen den beiden vorgefallen - und P. wisse was.

P. und sein Anwalt bitten daraufhin um eine kurze Pause. Schließlich teilt der Anwalt mit: Man räume ein: Es war Totschlag.

Aber: Den Ermittlern reicht das nicht. Wie genau er sie getötet habe, fragen sie.

"Erwürgt - so mit den Fingern"

"Erwürgt", bringt P. schließlich hervor, umfasst seinen Energy Drink mit beiden Händen und zeigt: "So, mit den Fingern."

Wenige Minuten später ist das Video der Vernehmung zu Ende und der Bildschirm im Landgericht wieder schwarz - nach fast drei Stunden.

Gerichtsmedizinerin: Todesursache nicht eindeutig feststellbar

"Spurenarme Gewalt" nennt die Gerichtsmedizinerin kurz darauf das, was P. damals in der Vernehmung schließlich zugegeben hat. Auch sie ist an diesem vierten Prozesstag als Zeugin geladen.

Die Gerichtsmedizinerin erklärt: Weil die Leiche eine Woche lang im Wasser gelegen habe, sei eine eindeutige Todesursache nicht mehr feststellbar gewesen. Man könne ebenfalls weder belegen noch ausschließen, dass es zu einer Vergewaltigung oder einvernehmlichem Geschlechtsverkehr gekommen sei.

Denkbar sei aufgrund der Obduktionsergebnisse Ersticken mit einem weichen Gegenstand oder mit den Händen, sagt sie und fügt hinzu: Beidhändiges Erwürgen mit großen Händen an einem kleinen Hals - ja, das könne durchaus zum Befund passen. Eine natürliche Todesursache oder ein Sturz - das sei ausgeschlossen.

Am Freitag wird der Prozess mit weiteren Zeugenaussagen fortgesetzt. Ein Urteil wird frühestens im Oktober erwartet.

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