Dass ein Veterinäramt in Obhut genommene Tiere versteigert, ist nicht ungewöhnlich und vom Gesetz sogar vorgegeben. Der Kreis Kassel hat das jedoch mit einem Hund versucht - und ist auf Facebook massenhaft beschimpft worden. Der Pitbull bleibt nun erst mal im Tierheim.

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Als der Landkreis Kassel Pitbull Rudi versteigern wollte

Der American Pitbull Terrier Rudi sitzt nach seiner Inobhutnahme in einem Tierheim im Landkreis Kassel.
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Rudi verbrachte mehrere Tage lang alleine in der Wohnung. Er war angebunden und bellte viel und laut. Sein Halter war in Urlaub gefahren und hatte den einjährigen American Pitbull Terrier sich selbst überlassen.

So schildert die Kreisverwaltung Kassel den Fall des Hundes, den Mitarbeiter des Verterinäramts schließlich befreiten und aufnahmen, nachdem Nachbarn des Hundehalters Alarm geschlagen hatten. Wo genau sich das alles abspielte, in welchem Tierheim Rudi eine Zuflucht fand - das alles behält die Kreisverwaltung für sich. Und das hat zu tun mit dem Shitstorm, den sie nach ihrer Rettungsaktion auslöste.

In dieser Woche postete der Kreis Kassel einen Beitrag auf seiner Facebook-Seite. "Rudi braucht ein neues Zuhause", stand über einem Foto von ihm. Darunter ein kurzer Text über die Herkunft des unkastrierten Rüden, seinen Gesundheitszustand und sein Wesen. Im Umgang mit Menschen sei er "sehr freundlich und verspielt".

"Abgegeben wird Rudi in einem Bieterverfahren"

Doch dann folgten zwei Sätze, die knapp 400 empörte Kommentare von Facebook-Nutzerinnen und -Nutzern provozierten: "Abgegeben wird Rudi in einem Bieterverfahren. Ein Mindestgebot gibt es nicht."

Der Facebook-Post des Landkreises Kassel, der einen Pitbull hatte versteigern wollen.

Dass ein Veterinäramt Tiere versteigert, ist eigentlich nichts Ungewöhnliches. Rechtlich ist das in Ordnung und vom Hessischen Gesetz über die Öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) her den Ämtern genau so vorgegeben: Sie müssen ja irgendwie die Kosten wieder reinholen, die eine Inobhutnahme verursacht hat. Meistens werden Kühe oder Pferde versteigert. Nun eben ein Hund.

Und daher wohl der Furor. "Das kann nicht sein das ihr mit dem Tier nur Asche machen wollt", kommentierte da einer im typischen Facebook-Stil. "Das ist ein Lebewesen und kein Gegenstand!", schrieb eine andere. Oder: "Schlimm dass nun schon Hunde in Not 'versteigert' werden ..." Und: "Damit kann sich das Veterinäramt mit Hundehändlern auf eine Stufe stellen. Da fehlen einem die Worte."

Gemäß Hessischer Hundeverordnung gilt Rudi als "Gefährlicher Hund"

Bei all der Aufregung um das ausgelobte Bieterverfahren dürfte auch die Rasse des Hundes eine Rolle gespielt haben. American Pitbull Terrier gelten, wenn sie seriös gezüchtet und sozialisiert worden sind, als in sich ruhende, aufmerksame und intelligente Hunde, als ihrem Halter gegenüber treu und ergeben und als ausgezeichnete Familienhunde. Weil sie aber auch extreme Kraft haben, sind Hunde wie der Pitbull in der Vergangenheit von unseriösen Züchtern und Haltern für Hundekämpfe gezüchtet worden.

Der Mensch trainierte den Hunden Aggression gegen ihre Artgenossen an - was dazu führte, dass sie in der Öffentlichkeit den Beinamen "Kampfhund" bekamen, einige dieser Rassen gar verboten wurden. Gemäß der Hessischen Hundeverordnung gilt Rudi als "Gefährlicher Hund", dabei macht Hundepsychologen zufolge einzig und allein der Mensch Pitbulls wie ihn gefährlich und aggressiv.

Empörte Kommentare unter dem Facebook-Post des Landkreises Kassel, der einen Pitbull hatte versteigern wollen.

Sein potenzieller neuer Halter muss daher eine entsprechende Erlaubnis für ihn nachweisen. Sechs Wochen lang sei erfolglos versucht worden, Rudi zu vermitteln, teilt der Kreis Kassel mit. Daher wollte er ihn versteigern, auch weil er seinem ehemaligen Halter eine Rechnung für die Befreiung und Rudis Aufenthalt im Tierheim schicken wird.

"Bieterverfahren ohne Gewinninteresse"

Der ehemalige Halter, gegen den wegen der Vernachlässigung von Rudi nach Angaben des Kreises ein Verfahren läuft, kann zwar nicht seinen Hund zurückbekommen, dann aber dessen Wert gegenrechnen. "Aus diesem Grund ist die Verwaltung gezwungen, einen möglichst hohen Preis für das Tier zu erzielen", teilt ein Sprecher des Kreises auf hr-Anfrage mit. Das Gebotsverfahren sollte für Rechtssicherheit sorgen, damit der ehemalige Halter im Nachhinein nicht höhere Ansprüche als den Verkaufspreis geltend machen könne.

Was aber nicht bedeute, dass der Hund automatisch dem Höchstbietenden übergeben worden wäre. "Vielmehr stand und steht das Wohl des Tieres für das Veterinäramt immer im Vordergrund", beteuert der Sprecher. Trotz Gebotsverfahren würden die Haltungsvoraussetzungen und die Seriosität der Bieter gründlich geprüft. In keiner Weise habe außerdem ein Gewinninteresse bestanden.

Kein neuer Halter unter den Empörten

All diese juristischen Hintergründe fanden in dem Facebook-Post keinen Platz - und hätten bei den Nutzern womöglich auch keine Aufmerksamkeit gewonnen. Jedenfalls zog der Kreis, hier passt die Hundemetapher, nach dem Shitstorm den Schwanz ein.

"Das Veterinäramt des Landkreises Kassel hat entschieden, das Gebotsverfahren für den American Pitbull Terrier Rudi abzubrechen", teilte die Verwaltung nur einen Tag nach dem Rudi-Post mit. Unter all den empörten Facebook-Kommentatoren sei niemand gewesen, die oder der ernsthaftes Interesse an der Übernahme des Hundes gezeigt habe. Der Post wurde dem Kreis zufolge schließlich von Facebook gelöscht, nachdem ein Nutzer ihn gemeldet hatte.

Rudi ist deswegen weiter in einem Tierheim in der Region um Kassel untergebracht. Den Ort verrate man nicht, weil man befürchte, dass das Tierheim sonst ähnlich unangenehme Aufmerksamkeit erfahre wie der Kreis nach seinem Facebook-Post, sagt der Kreissprecher.

Nur so viel sagt er noch: Rudi werde im Tierheim "nach seinen schlechten Erfahrungen aus der Vergangenheit sachkundig aufgepäppelt und sozialisiert". Vielleicht findet sich, nach all der Aufregung, ja doch noch jemand, der den American Pitbull Terrier artgerecht hält.

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