Holger Schütz inspiziert seine erfrorenen Reben.

Tote Triebe, trübe Aussichten: Im Odenwald haben die frostigen Nächte die Winzer besonders hart getroffen. Nahezu alle Reben sind erfroren. Auch andere Regionen berichten von Schäden.

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Aprilwetter – Nachtfrost setzt Ernte zu

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Schlaff hängen die braun-schwarzen Blätter herab. Zwischen den Fingern zerbröseln sie wie Pergamentpapier. "Hier ist alles tot", sagt Winzer Holger Schütz, der seinen Blick mit ernster Mine über seinen Weinberg in Groß-Umstadt (Darmstadt-Dieburg) schweifen lässt. Noch vor wenigen Tagen leuchteten hier, am nordöstlichen Rand des Odenwalds, die frischen grünen Triebe der Reben im Sonnenlicht. Doch der Frost der letzten Nächte hat alles zunichte gemacht. "Jede Rebe in jeder Lage ist erfroren", sagt Schütz.

Der 53 Jahre alte Bio-Landwirt kann sich nicht erinnern, so etwas in seinen 40 Jahren als Winzer schon einmal erlebt zu haben. "Wir haben 100 Prozent Frostschaden, so schlimm war es noch nie." Und nicht nur er und seine zwölf Hektar Weinberge sind betroffen. "Hier hat es alle erwischt", berichtet Schütz mit Blick auf die Lagen seiner Kolleginnen und Kollegen rund um Groß-Umstadt.

In den Nächten zwischen Montag und Mittwoch waren die Temperaturen in Groß-Umstadt auf bis zu -3,4 Grad gefallen – so tief wie in keinem anderen hessischen Weinbaugebiet. Das geht aus einer Statistik des Weinbau-Dezernats am Darmstädter Regierungspräsidium hervor. Eine Rebe halte aber nur bis zu -2 Grad aus, erklärt Schütz. Wird es kälter, drohe sie zu erfrieren.

Große Ernteeinbußen

Genau das ist in Groß-Umstadt im großen Stil geschehen. Für Schütz und die anderen Winzer hat das dramatische Folgen. Schon jetzt ist klar, dass mindestens die Hälfte der Ernte verloren ist. Die Reben würden zwar noch einmal austreiben, erklärt Schütz, doch selbst im besten Fall – wenn das Wetter mitspielt – würde die Ernte höchstens die Hälfte von dem betragen, was vor dem Frost zu erwarten war. "Ich hatte mich auf eine gute Ernte gefreut", sagt der Odenwälder. "Aber das kann ich jetzt vergessen."

Erfrorerene Triebe einer Müller-Thurgau-Rebe im Weinberg von Winzer Holger Schütz

Statt rund 120.000 Flaschen Bio-Wein wird Schütz in diesem Jahr maximal 60.000 Flaschen abfüllen. "Aktuell habe ich einen Schaden von rund 80.000 Euro, das kann aber noch mehr werden." Hinzu kämen die Kosten für die Helfer im Weinberg, die bereits angereist seien. "Eigentlich sollte es jetzt mit den Arbeiten im Weinberg losgehen, aber nun verschiebt sich alles um drei Wochen."

Versichert gegen Frostschäden ist Schütz wie die meisten hessischen Winzer nicht. Der jährliche Beitrag sei ihm mit etwa 500 Euro pro Hektar zu hoch, sagt er. Bei seinen zwölf Hektar wären das 6.000 Euro im Jahr. Anders als etwa in Rheinland-Pfalz oder Bayern gebe es in Hessen auch keine Zuschüsse vom Land.

Auch andere Regionen betroffen

Vom Frost der letzten Nächte war in Hessen nicht nur Groß-Umstadt betroffen. Winzer Andreas Spreitzer aus Oestrich-Winkel im Rheingau berichtet ebenfalls von massiven Frostschäden. Bei ihm seien etwa 90 Prozent der Reben betroffen. Die Bergstraße traf es dagegen nicht so hart. "Bei uns sind die Schäden vielerorts nur minimal", sagt Winzer Reinhard Antes aus Heppenheim. Lediglich die tiefliegenden Gebiete, wo sich die kalte Luft absetzt, seien stärker geschädigt. "Der Odenwald hat uns mal wieder gerettet, indem er die kalte Luft abgehalten hat."

In anderen Gebieten, wie etwa in Sachsen und Thüringen, aber auch im europäischen Ausland, etwa in Polen, Österreich, Frankreich oder der Schweiz, habe es aber ähnlich gravierende Schäden gegeben wie in Groß-Umstadt, erklärt Antes. "Das war schon ein außergewöhnliches Ereignis für den Weinbau."

Direkte Folge des Klimawandels

Dennoch rechnen Antes und auch Schütz damit, dass sich solch ein Ereignis in den nächsten Jahren wiederholen könnte. Denn das Ausmaß der derzeitigen Schäden sei auch Folge des Klimawandels. "Die Reben treiben durch die Erwärmung immer früher aus", erklärt Schütz. Die Rechnung ist einfach: Die Zeitspanne vom Austrieb bis zu den Eisheiligen im Mai, in der immer mit Frost zu rechnen ist, wird dadurch länger. Die Triebe sind somit auch länger der Gefahr durch Frost ausgesetzt, das Risiko von Frostschäden steigt.  

Da stellen sich nicht nur Schütz und seine Groß-Umstädter Kollegen die Frage: Wie soll es weitergehen? "Ich kenne Betriebe, die darüber nachdenken, alles hinzuschmeißen", erzählt Schütz. Auch bei ihm werde es finanziell langsam eng, die Rücklagen seien aufgebraucht.

Ans Aufgeben denkt Schütz noch nicht, aber er wünscht sich künftig mehr Unterstützung durch die Politik, sei es durch Hilfsfonds für betroffene Betriebe oder eben durch Zuschüsse zu Frostversicherungen. "Da muss sich etwas tun."

Die Zeit, bis er die Arbeit in seinen Weinbergen wieder aufnehmen kann, will Schütz jetzt nutzen und ein paar neue Reben pflanzen. "Auf die Gefahr hin, dass die nächstes Jahr gleich wieder erfrieren", sagt er im Scherz - über den er dann aber selbst nicht lachen kann.

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