Der Angeklagte mit Handschellen zwischen zwei Strafvollzugsbeamten, die durch einen Flur gehen.

Nach einer Bluttat in einer Leiharbeiter-Unterkunft in Osthessen muss ein 22-Jähriger lange in Haft. Er hatte einen Mitbewohner mit Dutzenden von Messerstichen getötet. Auslöser der Attacke war eine Nichtigkeit.

Audiobeitrag

Audio

Urteil im Totschlagsprozess: Zehn Jahre Haft für 56 Messerstiche

Der Angeklagte mit Handschellen im Gerichtssaal nimmt an einem Tisch Platz, an dem bereits ein Anwalt sitzt. Ein Strafvollzugsbeamter öffnet ihm die Handschellen.
Ende des Audiobeitrags

Der Auslöser für die Tat war nach Überzeugung des Gerichts ein belanglos wirkender Streit unter Männern in einer Leiharbeiter-Unterkunft in Petersberg (Fulda). Doch der Stolz eines beteiligten Mannes schien bei dem Vorfall im Oktober derart angekratzt zu sein, dass er seinen Widersacher auf brutale Weise töten sollte.

Das Landgericht Fulda verurteilte einen heute 22 Jahre alten Mann am Donnerstag wegen Totschlags zu zehn Jahren Haft. Er hatte demnach einen 39 Jahre alten Bewohner derselben Unterkunft mit einem Klappmesser getötet. Die Messer-Attacke weitete sich zu einer Gewaltorgie aus: Das Opfer wies danach 56 Stich- und Schnittverletzungen auf und verblutete.

Richter: skrupellose und kaltblütige Tat

Der Vorsitzende Richter nannte die Attacke eine "skrupellose und kaltblütige Tat". Es sei erschreckend, wie empathielos der Angeklagte damit umgegangen sei. Der 22-Jährige äußerte sich im Prozess-Verlauf nicht zu den Vorwürfen.

Worum es konkret in dem Streit zwischen den beiden Männern, die beide in der Leiharbeiter-Unterkunft wohnten, ging, bekam auch das Gericht nicht heraus. Die beiden Männer gerieten aneinander, vertrugen sich danach aber wieder. Für den Angeklagten war die Sache damit aber nicht erledigt.

"Verletzter Macho-Stolz" führte zu Gewaltorgie

Mitbewohner wurden durch die Schreie aufgeschreckt und wurden Zeuge der Tat. Der Angeklagte flüchtete danach und wurde Stunden später von der Polizei festgenommen. Die Tatwaffe fanden die Beamten nicht. Er habe das Messer in ein Gebüsch geworfen, sagte er den Polizisten. Es blieb trotz Suche verschwunden.

Aufgrund der Zeugen-Aussagen und der Blutspuren bestand für das Gericht kein Zweifel an der Täterschaft. Zudem hatte der Angeklagte in einem Handy-Chat mit seinem Vater die Tat angekündigt. Er werde dem anderen Mann die Sache nicht durchgehen lassen und werde ihn töten. Der Vater warnte ihn noch. Doch das half nicht.

Aggressiver Angeklagter mit kurzer Zündschnur

Laut Gericht hat der Angeklagte ein Problem, seine Aggressionen unter Kontrolle zu bekommen. Er habe eine "sehr kurze Zündschnur", sagte der Richter. So drohte er in der Untersuchungshaft einem Gefängnis-Beamten damit, dass er ihn töten und enthaupten werde. Der Angeklagte ist vorbestraft, unter anderem wegen vorsätzlicher Körperverletzung.

Bei der Tat soll der Angeklagte unter dem Einfluss von Alkohol und aufputschenden Drogen gestanden haben. Seine Steuerungsfähigkeit sei dadurch vermindert, aber nicht aufgehoben gewesen.

Mit dem Urteil lag das Gericht auf der gleichen Linie wie die Staatsanwaltschaft, die ebenfalls zehn Jahre Haft in den Plädoyers gefordert hatte. Die Verteidigung hatte auf einen Freispruch plädiert und Notwehr gesehen. Doch die konnte das Gericht überhaupt nicht erkennen. Im Gegenteil: Geprüft wurde auch, ob es sich bei der Tat um einen Mord gehandelt haben könnte. Doch das ließ sich nicht begründen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ob Revision eingelegt werde, sei noch unklar, sagte der Verteidiger auf Anfrage nach dem Prozess.

Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen