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Mordurteil im Hanauer Sektenprozess aufgehoben

Frau von hinten zu sehen im Gerichtssaal, wird gerade fotografiert.

Der Bundesgerichtshof hat das Mordurteil gegen eine mutmaßliche Hanauer Sektenchefin aufgehoben. Durch die Frau soll vor über 30 Jahren ein Vierjähriger grausam umgekommen sein.

Das Landgericht Hanau verurteilte die damals 73 Jahre alte Frau im Herbst 2020 wegen Mordes an einem kleinen Jungen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass die mutmaßliche Sektenchefin den in einen Leinensack eingeschnürten Vierjährigen an einem heißen Sommertag 1988 in ein Badezimmer gelegt und sich selbst überlassen hatte. Der Junge erstickte an seinem Erbrochenen.

Das Hanauer Gericht stellte niedrige Beweggründe als Mordmerkmal fest. Die Frau habe in dem Jungen eine Reinkarnation Hitlers gesehen.

BGH sieht mehrere Rechtsfehler

Hier setzt der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Aufhebung des Urteils an. Das oberste deutsche Strafgericht sieht darin Rechtsfehler, wie das Landgericht Hanau am Montag selbst mitteilte. Aus dem Urteil vom September 2020 gehe nicht hervor, ob die Sektenchefin das Kind aktiv tötete oder durch Unterlassung.

Außerdem habe das Gericht zwar unterstellt, dass die mutmaßliche Sektenchefin den Vierjährigen töten wollte, dies aber nicht nachgewiesen, kritisierte der BGH weiter. Es sei nicht klar, was im Kopf der Frau vorgegangen sei. Zudem müsse ihre Schuldfähigkeit erneut geprüft werden.

Die Frau hatte gegen das Hanauer Urteil Revision eingelegt.

Tod des Jungen galt lange als Unfall

Die Ermittler hatten den Tod des Jungen lange Jahre für einen Unfall gehalten. Die hessenschau deckte den Fall im Jahr 2015 gemeinsam mit der Frankfurter Rundschau auf, nachdem sich ein Aussteiger an die Medien gewandt hatte.

Nun muss das Landgericht Frankfurt über den Fall neu verhandeln. Zurzeit steht auch die Mutter des Jungen wegen Mordes vor Gericht. Sie soll ihr Kind auf Geheiß der mutmaßlichen Sektenführerin wiederholt in einen Sack gesteckt und es dieser überlassen haben.

Vor einigen Wochen setzte das Landgericht Hanau den Haftbefehl gegen die Mutter außer Vollzug, da nach derzeitigem Stand des Prozesses "kein dringender Tatverdacht mehr" bestehe für einen gemeinschaftlichen Mord. Auch für eine Beihilfe zum Mord gebe es "keine gewichtigen Anhaltspunkte". Der Prozess gegen die Frau wird an diesem Dienstag, 24. Mai, fortgesetzt.

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