Eine "Portrait"-Nahaufnahme einer Taube von vorne, als würde sie uns direkt anschauen. Freigestellt auf türkisfarbenem Hintergrund. Auf dem Bild eine kleine, farbige Grafik mit dem Schriftzug "war was?".

In Limburg sollen Tauben demnächst händisch per Genickbruch getötet werden. "War was?" erinnert das an dunkle Zeiten in China.

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Limburg will Tauben mit Genickbruch töten

Tauben auf Vorsprung
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Hessen, das Bundesland, in dem immer was los ist. An dieser Stelle wirft unser Kolumnist Stephan Reich mit seiner Glosse "War was?" jeden Freitag einen ganz eigenen Blick auf die Nachricht der Woche.

Vor einer Weile schrieb ich andernorts über Chinas Kampf gegen die vier Plagen. Im Zuge des "Großen Sprung nach vorn" hatte Mao Zedong 1958 Moskitos, Fliegen, Ratten und Spatzen als Schädlinge ausgemacht und das Volk angeleitet, diese auszurotten. Der Spatz, so Maos (falsche) Logik, fresse den Menschen das Getreide von den Feldern. Eine kuriose staatliche Kampagne, die schnell zu schrecklichen Jagdszenen führte. In einer konzertierten Aktion sollen damals zwei Milliarden Spatzen erlegt worden sein, innerhalb nur dreier Tage.

Diese Woche musste ich wieder an diese Geschichte denken, als ich vom Limburger Vorhaben las, den städtischen Taubenbestand zu reduzieren. In Limburg gibt es laut Schätzungen 700 bis 1.000 Tauben und anscheinend sind das zu viele, weshalb die Gemeinde einen gewissen Anteil der Tiere nun töten will. So die Empfehlung des Umweltausschusses der Stadt, der die Stadtverordneten (mit Ausnahme der Grünen) gefolgt sind.

Händisch per Genickbruch

Taube Nüsse, möchte man einwenden. Nun ist mein Leben glücklicherweise Gott sei Dank ein Hoch auf das Schicksal juhu juhu so verlaufen, dass ich kein Experte in Tiertötungs-Fragen bin, aber auch als Laie kommt mir der Limburger Plan erstaunlich perfide und ja: abstoßend vor. Die Tauben sollen mit Futter in eine Art Falle gelockt und in diesem Fangschlag dann von einer Person mit behördlicher Genehmigung getötet werden. Händisch per Genickbruch.

Uff. Bzw. Puh. Bzw. Jesses. An der geplanten Maßnahme gibt es (natürlich) ordentlich Kritik, es gab unter anderem bereits eine Demo dagegen - leider aber auch Drohungen. Und ob die Maßnahme umgesetzt wird, ist auch noch offen, zunächst wird durch das Veterinäramt Limburg-Weilburg noch geprüft, ob die Tötung der Vögel überhaupt rechtlich zulässig ist. Ich hoffe zudem inständig, dass sich einfach niemand findet, der bereit ist, gegen Bezahlung hunderten Tauben händisch das Genick zu brechen.

70.000 Euro Differenz

Zudem gibt es offensichtlich Alternativen. Das hessische Umweltministerium hält betreute Taubenhäuser für eine "effektive Maßnahme", um den Taubenbestand in Städten langfristig zu reduzieren. Der Umweltausschuss hatte das Töten aber auch deshalb empfohlen, weil das nur 20.000 Euro kostet, anstatt 90.000 Euro, die die betreuten Taubenhäuser kosten würden.

70.000 Euro Differenz also. Kann mal jemand hochrechnen, wie teuer in Limburg umgerechnet ein gebrochenes Taubengenick ist? Und na klar, die Gemeinden haben wenig Geld. Aber vielleicht wären diese 70.000 Euro nicht so schlecht investiert; was das Tierwohl angeht natürlich, aber auch, was die Außendarstellung der Stadt Limburg angeht. Gute PR ist schließlich unbezahlbar. Man könnte ja das Ortsschild mit einem Vermerk versehen: "Limburg – Stadt, in der selbstverständlich keine hunderte Tauben per Genickbruch getötet werden, was denken Sie denn, wer würde sowas denn machen?"

Zu Unrecht ein schlechter Ruf

Tauben haben ihren schlechten Ruf der Ratten der Lüfte übrigens zu Unrecht. Sie sind "grundsätzlich keine Schädlinge", so das Umweltministerium, auch von einem erhöhten Risiko der Übertragung von Krankheitserregern sei nicht auszugehen. Außerdem leben Tauben in lebenslanger Monogamie, was ja sehr süß ist, und sie sind überaus schlau. Französische Wissenschaftler fanden heraus, dass sich Tauben 800 bis 1.200 verschiedene Bilder merken und Menschen anhand ihrer Gesichter wiedererkennen können. Ich zum Beispiel kann das oft nicht.

Maos Krieg den Spatzen hatte damals übrigens desaströse Folgen. Weil Spatzen gar nicht in erster Linie Getreide von den Feldern fressen, sondern Insekten, fehlte denen der Fressfeind, weswegen sich riesenhafte Heuschreckenschwärme im ersten spatzenlosen Sommer über die Ernte hermachten. Der Spatzenkrieg wurde so zu einem der Auslöser der großen Hungersnot von 1959 bis 1961, die bis zu 55 Millionen Menschen das Leben kostete.

Lektion in Sachen Karma

Nun kann man die Situation in Limburg sicher nicht mit jener in China vergleichen, und zu einer Hungersnot wird es eher nicht kommen. Aber für eine Lektion in Sachen Karma könnte der Blick in die Geschichte ja vielleicht schon hilfreich sein.

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