Visualisierung der Sensor-Daten des ADFC Darmstadt-Dieburg

Vielerorts sind Menschen auf Fahrrädern im Straßenverkehr noch immer großen Gefahren ausgesetzt. Wo genau, das wollen Fahrrad-Aktivisten mittels selbstgebauter Sensoren am Rad herausfinden - vorerst in Darmstadt. Abhilfe schaffen soll dann die Politik.

Den Radverkehr stärken - das haben sich angesichts der angestrebten Verkehrswende viele hessische Städte und Gemeinden auf die Fahnen geschrieben. Doch wie ist es tatsächlich bestellt um die Sicherheit der Radfahrenden in Innenstädten? Das will der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) Darmstadt-Dieburg herausfinden und hat in Darmstadt ein Projekt dazu ins Leben gerufen.

Mittels Sensoren an der Sattelstange zeichnet der Fahrradclub seit etwa Mitte August Überholvorgänge durch Autos auf und misst den Abstand zwischen Fahrzeug und Fahrrad. "Wir wollen damit zeigen, wo in Darmstadt Handlungsbedarf besteht", sagt der Vorsitzende Klaus Görgen.

Interaktive Gefahren-Karte von Darmstadt

Anhand der regelmäßig hochgeladenen Sensor-Daten hat der ADFC so eine interaktive Karte von Darmstadt und Umgebung erstellt, auf der genau zu sehen ist, auf welchen Straßen Radfahrende besonders gefährlich leben. Als Maßstab gilt der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand von 1,50 Metern, den Autos beim Überholen einhalten müssen. Auf roten Straßen wird er fast immer teils deutlich unterschritten, auf den grünen meist beachtet.

Das Projekt befinde sich laut Görgen allerdings noch am Anfang: "Bislang haben wir rund 2.000 Messungen durchgeführt." Ziel seien 10.000 Messungen, einen festgelegten Zeitraum gebe es nicht. Auch in anderen Städten und Regionen in Deutschland würden Rad-Initiativen ähnliche Sensoren einsetzen, aber kaum ein Projekt sei bereits so weit wie in Darmstadt.

"Ziel ist es, irgendwann einmal bundesweit ein gemeinsames Portal zu haben, wo dann alle Messwerte zusammenlaufen", sagt Görgen. Aber bis dahin sei es noch ein weiter Weg.

Vidualisierung der einzelnen Überholvorgänge in Darmstadt

Auf einer weiteren interaktiven Karte des ADFC Darmstadt-Dieburg sind alle aufgezeichneten Überholvorgänge einzeln vermerkt.

ADFC sucht noch Freiwillige

In Darmstadt ist man diesen Weg bereits ein gutes Stück gegangen. Die sogenannten Open-Bike-Sensoren hat der Club sogar selbst gebaut. "Wir beschaffen die Teile, drucken die Gehäuse und löten das dann zusammen", erklärt Görgen. Die Kosten betragen zwischen 60 und 90 Euro pro Gerät.

Insgesamt seien 20 Geräte fertig, ein Großteil davon bereits im Einsatz. Mittelfristig will der ADFC Darmstadt-Dieburg aber noch weitere Geräte bauen und sucht deswegen noch Freiwillige, die gerne Daten zu dem Projekt beisteuern wollen. Einzige Voraussetzung: Sie müssen viel mit dem eigenen Rad in Darmstadt unterwegs sein.

Das Tracking funktioniert folgendermaßen: Immer wenn eines der mit den Sensoren ausgestatteten Fahrräder überholt wird, drücken Fahrer oder Fahrerin auf einen Knopf am Lenker, der dann die Messung auslöst. Gemessen werde nicht auf baulich abgegrenzten Fahrradwegen, sondern nur im Straßenraum, wozu auch eingezeichnete Radfahrstreifen gehören.

Aus diesen Einzelteilen bauen Mitglieder des ADFC die Fahrrad-Sensoren selbst zusammen.

Ergebnisse gehen an die Politik

Sind die 10.000 Messungen dann einmal erreicht, geht es in die Analyse. "Wir schauen uns dann die grünen und die roten Abschnitte einmal genauer an und versuchen zu vergleichen: Was ist an den grünen Bereichen signifikant anders als an den roten?", so Görgen. Im zweiten Schritt wolle man der Frage nachgehen, ob sich denn dieses signifikant Andere der grünen Abschnitte irgendwie auf die roten übertragen lässt. Das Ziel: Radfahren für alle sicherer machen.

Die Ergebnisse will der ADFC dann zu den politischen Entscheidungsträgern der Stadt tragen. Oberbürgermeister Jochen Partsch (Grüne) hat laut Görgen bereits Handlungsbereitschaft signalisiert. Und tatsächlich ist die Stadt durchaus gewillt, sich mit den noch zu gewinnenden Erkenntnissen des ADFC auseinanderzusetzen.

Stadt sieht Projekt als "Vertrauensbeweis"

"Wir schauen uns das sehr gerne an", sagt Johanna Görn, stellvertretende Redverkehrsbeauftragte in Darmstadt. Das Projekt des ADFC sieht sie als "Vertrauensbeweis", die viele Arbeit würden die Fahrrad-Freunde schließlich in der Hoffnung investieren, dass sich auch wirklich etwas ändert. "Das ist auch in unserem Interesse", so Görn. Einige der jetzt schon als rot gekennzeichneten Bereiche seien der Stadt aber bereits bekannt, dort werde bereits nach Lösungen, wie etwa einem Überholverbot, gesucht.

Vor etwas über zwei Jahren hat die Stadt eigens eine Radstrategie verabschiedet, der Radverkehr soll demnach attraktiver und sicherer gestaltet werden. So hat Darmstadt im vergangenen Jahr bereits an neuralgischen Punkten Fahrradspuren erweitert und mehr Platz für Radfahrende geschaffen. Außerdem soll in der Stadt Deutschlands erste fahrradfreundliche Kreuzung nach niederländischem Vorbild entstehen.

Die Bemühungen der Stadt sieht der ADFC-Vorsitzende Görgen durchaus positiv: "Teilweise sind die grünen Bereiche schon auf erfolgreiche Maßnahmen zurückzuführen, wie etwa in der Heidelberger Straße, die einen Radstreifen bekommen hat."

Radverkehr nicht nur für Mutige

Aber immer noch komme es zu häufig zu brenzligen Situationen zwischen Autos und Fahrrädern. "Mich hat neulich ein Lkw mit weniger als einem Meter Abstand überholt", schildert Görgen. Nach solchen Begegnungen erfordere es schon einigen Mut, wieder aufs Rad zu steigen. Ziel müsse es aber sein, auch die nicht ganz so Mutigen zum Radfahren zu animieren, sagt Görgen. Und dazu brauche es vor allem Mut zum Handeln.

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