Mike Josef und Uwe Becker

Ein erwartbares Ergebnis, eine schwierige Ausgangslage in der Stichwahl für den Sieger, ein überraschender Vierter als Mahnung an die Etablierten: Was sich aus dem Ergebnis der Frankfurter OB-Wahl herauslesen lässt.

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Reaktionen nach der OB-Wahl in Frankfurt

Der Frankfurter Römer.
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Nach der Abwahl von Peter Feldmann (SPD) im Herbst kam es rund ein Jahr eher als geplant zur Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt. Ebenso bemerkenswert war die beispiellos hohe Zahl an Bewerberinnen und Bewerbern. Ziemlich erwartbar war dagegen das Ergebnis des ersten Wahlgangs.

1. Eine Persönlichkeitswahl

Die CDU ist nicht Teil der Römer-Koalition - ihr Kandidat Uwe Becker setzte gleichwohl auf ziemlich dieselben wichtigen Themen wie Manuela Rottmann (Grüne) und Mike Josef (SPD), deren Parteien in Frankfurt mitregieren: mehr und bessere Schulen, Klimaneutralität bis 2035, Wohnungsbau und eine Verkehrspolitik, die nicht automatisch den Autos die Vorfahrt gewährt. Wer nicht besonders in der Tiefe schürfte, vermochte zwischen den aussichtsreichsten Bewerbern um das OB-Amt kaum Unterschiede erkennen.

Somit lief es auf eine Persönlichkeitswahl hinaus, als die eine OB-Wahl wegen der zu einem großen Teil repräsentativen Aufgabe eines Stadtoberhaupts ohnehin angelegt ist. Und da setzten sich mit Uwe Becker und Mike Josef die zwei Kandidaten durch, die in der Stadtpolitik am stärksten verankert sind.

2. Wahlsieger Becker muss zittern

Bei den zurückliegenden Wahlen zu Land- und Bundestag und zum Europaparlament sowie den jüngsten Kommunalwahlen setzten sich die Grünen in Frankfurt vor die politische Konkurrenz. Bei der OB-Wahl dominierte dann wieder wie zu Petra Roths und Roland Kochs Hochzeiten die Farbe schwarz in fast allen Stadtteilen. Das ist ein Erfolg, den sich CDU-Kandidat Uwe Becker ans Revers heften kann, wenn er in den kommenden drei Wochen um einen Erfolg in der Stichwahl kämpft.

Dazu beigetragen haben mag, dass er zwar großenteils auf dieselben Themen wie Grüne und SPD (siehe Punkt 1), aber auch eigene Akzente setzte: zum einen mit dem Ruf nach mehr Sicherheit zumal im Bahnhofsviertel, wo offene Drogenszene und Kriminalität viele Bürger verunsichern, und zum anderen mit seiner Ablehnung eines großen neuen Stadtteils an der A5 ("Josefstadt").

Diesen hat die CDU zwar zu Zeiten ihrer Regierungsbeteiligung im Römer grundsätzlich mitbeschlossen, und das ohnehin dicht bebaute Frankfurt kann den enormen Zuzug kaum über Nachverdichtung abdecken. Wegen der dadurch nötigen Versiegelung von Grünflächen und der Furcht vor einer Trabantenstadt hat der geplante "Stadtteil der Quartiere" trotzdem viele Gegner.

Dennoch muss der Christdemokrat zittern, ob es in der Stichwahl trotz seines deutlichen Vorsprungs in der ersten Runde für einen Sieg reicht. Allein schon aus Angst, ein Oberbürgermeister Becker könnte ihnen das Verkehrsdezernat entziehen, dürften die Frankfurter Grünen eine Wahlempfehlung für SPD-Mann Josef aussprechen. Mit wessen Stimmen kann Becker rechnen im zweiten Wahlgang? Vermutlich denen für Yanki Pürsün (FDP) und mit Einschränkungen denen für AfD-Kandidat Andreas Lobenstein. Aber das sind kleinere Posten.

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3. Vorteil Josef?

Der SPD-Kandidat Mike Josef hat mit seinem Versprechen, für mehr bezahlbaren Wohnraum auf dem teuren Frankfurter Pflaster sorgen zu wollen, sicher dasjenige Thema ins Zentrum seines Wahlkampfs gestellt, das sehr viele Einwohnerinnen und Einwohner (und solche, die es werden wollen) umtreibt. Dann ist er ebenso wie Becker trotz seines vergleichsweise jungen Alters eine feste Größe in der Kommunalpolitik. Als Dezernent für Planung und Wohnen hat er mitgewirkt, dass es auch in Wohnhochhäusern und Neubauten in der Innenstadt geförderten Wohnraum gibt. Und er versucht, wenigstens eine abgespeckte Version der geplanten großen Siedlung im Nordwesten durchzubringen, für die eben auch viele einen Bedarf sehen.

Sein großer Vorteil in der bevorstehenden Stichwahl ist, dass er die Stimmen der im ersten Wahlgang unterlegenen Kandidatinnen der Grünen (Rottmann) und Linken (Daniela Mehler-Würzbach) zumindest in weiten Teilen für sich verbuchen dürfte. Auch der Weg vom Bahnbabo Peter Wirth zu Josef dürfte kürzer sein als derjenige zu Becker. Wahrscheinlich versammelt sich das rot-grüne Lager, das sich bislang auf mehrere Bewerberinnen und Bewerber verteilte, im zweiten Wahlgang hinter dem SPD-Mann.

Interessant in diesem Zusammenhang: Wie die für Wahlen zuständige Digitaldezernentin Eileen O'Sullivan (Volt) in ihrer Analyse berichtete, erhielt Josef bereits im ersten Wahlgang fast ein Viertel seiner Stimmen von früheren Wählern der Grünen. Lediglich 30,5 Prozent seiner Wählerinnen und Wähler gehören demnach zur Stammwählerschaft seiner Partei. Das zeigt, dass viele SPD-Wähler Josef entweder seine Nähe zum vormaligen OB oder aber seine Abkehr von Feldmann übel nehmen. Kann der SPD-Kandidat sie zur Stichwahl auf seine Seite ziehen?

4. Wenig überzeugende grüne Kandidatin

Verglichen mit dem Ergebnis von Nargess Eskandari-Grünberg, die bei der OB-Wahl 2018 unter zehn Prozent blieb, sind die 21,3 Prozent für Manuela Rottmann mehr als beachtlich. Verglichen mit dem grünen Potenzial in der Großstadt am Main und angesichts ihrer jüngsten Wahlerfolge in Frankfurt können sie die Grünen nicht zufriedenstellen. Auffällig viele Menschen in der Stadt machten sich über das rollende R der Fränkin lustig, was einerseits albern ist, andererseits eben zum Ausdruck bringt: Sie fremdeln mit der Kandidatin, die hier vor längerem zwar mal Dezernentin, aber zuletzt doch ganz woanders tätig war.

Zur Wahrheit gehört auch: So stark die Grünen in Frankfurt sind, fehlt es doch seit geraumer Zeit an ausgesprochen prominenten aktiven Grünen-Politikern in der Stadt. Eine Oberbürgermeisterin Eskandari-Grünberg scheint jedenfalls ebenfalls schwer vorstellbar.

5. Der Bahnbabo: Protest- oder Herzenswahl

Die ersten drei Plätze schienen von vornherein vergeben. Dass auf Platz vier der selbst ernannte Bahnbabo einfahren würde, dürfte FDP und Linke enttäuschen, passt aber zu einer Persönlichkeitswahl. Peter Wirth ist mit Sicherheit der bekannteste - vermutlich der einzige bekannte - Straßenbahnfahrer Frankfurts. Sein Sinn für Slogans und seine jugendgerechte Ansprache verließen ihn auch im Wahlkampf nicht.

Mehr als 10.000 Stimmen für einen Einzelkämpfer - Becker und Josef hatten gerade sieben- beziehungsweise fünfmal mehr - deuten auch darauf hin: Unter den vielen Bewerbern, die sich für eine bürgernähere Politik aussprachen, sammelte der mit Abstand bekannteste die meisten Stimmen. Denen, die mit der etablierten Politik im Römer unzufrieden sind, mag der Bahnbabo als wahre Alternative erschienen sein.

6. Von vielen Bewerbern hörte man kaum etwas

Dass gleich 20 Menschen ins Rennen um das höchste politische Amt im Rathaus gingen, war ein Rekord. Aber richtig mitgemischt haben dann doch die wenigsten. Dass manche von ihnen kaum Wahlplakate aufgehängt hatten - geschenkt. Aber einige der unabhängigen Kandidatinnen und Kandidaten ließen selbst auf Anfrage nichts von sich hören. Zwei Kandidaten erhielten bei der Wahl dann sogar weniger Stimmen, als sie Unterstützer vorweisen hatten müssen, damit ihre Bewerbung überhaupt angenommen wurde.

Nennenswert bereicherten die kleinen Kandidaten den politischen Diskurs nicht. Dass sich aber gleich so viele zumindest ansatzweise die Mühe machten, sich als Alternative zum etablierten Betrieb zu bewerben, mag dieser als Reaktion auf die Skandale und Skandälchen rund um Peter Feldmann deuten. Vernünftiger wäre es, im Römer würde man sich vornehmen, in Zeiten sich zunehmend überlappender Krisen und einer wachsenden Kluft in der Stadtgesellschaft stärker in den Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern zu gehen.

7. Fairness und Interesse

In den Debatten um den letztlich abgewählten Oberbürgermeister Feldmann ging es auch um zutiefst private Angelegenheiten, um scharfe und persönliche Vorwürfe. Erfreulicherweise blieb der Wahlkampf um seine Nachfolge fair und sachlich. Möge der anstehende Zweikampf trotz einer zwangsläufigen Polarisierung so bleiben!

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Auch die Wahlbeteiligung war nicht so schlecht. 40,4 Prozent bedeuten zwar, dass drei Fünftel der Wahlberechtigten nicht an die Urnen schritten. Das ist bedenklich, aber angesichts der eingeschränkten Möglichkeiten der Politikgestaltung durch einen Oberbürgermeister und der hohen Fluktuation in der Frankfurter Bevölkerung nachvollziehbar. Immerhin bedeuten 40,4 Prozent den höchsten Wert im ersten Wahlgang einer OB-Wahl seit 2001.

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