Als Frankfurter Planungsdezernent hat Mike Josef sich nicht nur Freunde gemacht. Jetzt will der SPD-Kandidat die Nachfolge des abgewählten Oberbürgermeisters Feldmann antreten - und muss sich von diesem deutlich abgrenzen.

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Oberbürgermeister-Kandidat Josef im Porträt

Portraitfoto von Mike Josef. Auf dem Foto eine kleine Grafik mit einer blau eingefärbten Fläche (Umriss Stadt Frankfurt), dem Wappen der Stadt Frankfurt und einem Wahlkreuz.
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Die Kunst des Klinkenputzens lernt man nicht im Uni-Seminar. Für Mike Josef, Oberbürgermeisterkandidat der Frankfurter SPD, stehen daher derzeit fast täglich praktische Übungen in den Frankfurter Stadtteilen an. Durch das Treppenhaus rauf, klingeln, warten, bis sich die Tür öffnet. "Ich will gar nicht groß stören", lautet die Standard-Gesprächseröffnung an diesem Vormittag in Sindlingen. "Mike Josef mein Name. Ich kandidiere hier als Oberbürgermeister von Frankfurt. Es würde mich freuen, wenn Sie am 5. März wählen gehen und mich unterstützen."

Es wirkt wirklich so, als wolle Josef möglichst wenig stören, nicht zu sehr in den Alltag der Menschen eindringen. Doch zumindest in ihr Bewusstsein muss er es schaffen, wenn er die Hoffnungen der Frankfurter Sozialdemokraten erfüllen und als neuer Oberbürgermeister ins Rathaus einziehen will.

Schon lange in den Startlöchern

An die Rolle des Hoffnungsträgers der Frankfurter Sozialdemokratie müsste sich Mike Josef längst gewöhnt haben. Schon zu seiner Zeit im Allgemeinen Studierenden-Ausschuss (AStA) der Goethe-Universität, Mitte der 2000er Jahre, wurde dem Sohn syrischer Einwanderer vorausgesagt, dass er es in der Partei weit bringen könne. Eine Prognose, die sich bewahrheiten sollte.

Josefs Lebenslauf liest sich wie eine Musterbewerbung um einen führenden Posten in der SPD: Sprecher des Stadtverbands der Jusos 2008 bis 2010. Mitglied in der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Organisationssekretär beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Südosthessen. Ab 2011 Stadtverordneter und ab 2013 Vorsitzender der Frankfurter SPD: Schließlich - als vorerst letzte Station - 2016 Übernahme des Dezernats für Planung und Wohnen.

Spätestens ab diesem Zeitpunkt galt es unter den Frankfurter Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten als wahrscheinlich, dass Josef irgendwann den damals im Zenit seiner Popularität stehenden Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) beerben würde. Allerdings hätten sich Fans und Förderer wohl gewünscht, dass dem designierten Nachfolger noch ein paar Jahre bleiben, um sein Profil zu schärfen.

Eine andere Art der Bürgernähe

Dem Vergleich zum geschassten Vorgänger könnte der 40-Jährige nicht entfliehen, selbst wenn er es versuchen würde. Nicht nur, weil sich die Wahlplakate von 2012 und 2023 auffällig ähneln. Die Themen, die Feldmann überraschend ins Amt beförderten und immerhin elf Jahre dort hielten, sind dieselben, mit denen Mike Josef 2023 in den Wahlkampf zieht: mehr und bessere Schulen und Kitas, bezahlbares Wohnen, soziale Teilhabe, Ausbau der Infrastruktur in den Stadtteilen.

Doch da enden auch schon die Gemeinsamkeiten. Im Auftreten könnten Feldmann und Josef kaum unterschiedlicher sein. Feldmann genoss das Rampenlicht, suchte offensiv das Gespräch mit Bürgern, informierte sich vor Ort, schreckte viele aber auch mit seiner oft gestelzt wirkenden Jovialität und einem ausgeprägten Hang zur Selbstdarstellung ab.

Josef, das zeigt sich im Straßenwahlkampf, pflegt eine andere Art der Bürgernähe. Wenn er auf Menschen zugeht, um sich nach ihren Wünschen und Problemen zu erkundigen, wirkt er zurückhaltend. Josef lässt zu Wort kommen, wo Feldmann gerne das Wort ergriff. Wenn eine Gruppe potenzieller Wähler ins Gespräch über Herausforderungen im Stadtteil einsteigt, kann Josef schweigend am Rand stehen und einfach nur zuhören. Im Wahlkampf ist Mike Josef kein Anti-Feldmann. Er versucht, ein besserer Feldmann zu sein.

Kritik an neuem Stadtteil

Doch so sehr er sich auch abgrenzt, für Josef ist der abgewählte OB gleich in doppelter Hinsicht eine Hypothek. Teile der Wählerschaft nehmen die SPD und ihren Kandidaten in Mithaftung für die Verfehlungen des Ex-Oberbürgermeisters. Auf der anderen Seite hat Feldmann weiterhin Anhänger, die es Josef und seiner Partei übel nehmen, sich an der Abwahlkampagne beteiligt zu haben. Mike Josef betont, dass sich "das Kapitel Feldmann" mit dessen Abwahl im November beendet sei. Dass das die Wähler genau so sehen, darf bezweifelt werden.

Zudem verlief auch Josefs Amtszeit als Dezernent nicht ohne Konflikte. Die von ihm vorangetriebenen Pläne zur Bebauung eines Areals entlang der A5 im Nordosten Frankfurts brachten ihn auf Konfrontationskurs mit den Nachbarstädten Steinbach und Oberursel (Hochtaunus).

Spötter betitelten das Großprojekt, mit dem der Dezernent für Planung und Wohnen den chronisch überhitzten Frankfurter Mietmarkt entlasten will, als "Josefsstadt" und diagnostizierten einen Rückfall in die städtebauliche Megalomanie vergangener Jahrzehnte. Inzwischen streitet Josef für eine deutlich abgespeckte Variante, die er "Stadtteil der Quartiere" nennt.

Hören und gehört werden

Josefs ruhige Art mag im Straßen- und Haustürwahlkampf nicht immer von Vorteil sein. Eine Stärke aber ist sie, wenn er vor Menschen spricht. Bei Bürgerversammlungen besticht er durch seine Ernsthaftigkeit. Er kann zuhören, und man kann ihm zuhören.

Ob eine Mehrheit der Frankfurterinnen und Frankfurter dem SPD-Kandidaten in Zukunft noch öfter zuhören will, lässt sich derweil schwer voraussagen - im Jahr eins nach Feldmann.

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