Portrait Kerstin Lau. Auf dem Bild eine kleine Grafik mit einer blau eingefärbten Fläche (Umriss der Stadt), dem Wappen der Stadt Darmstadt und einem Wahlkreuz.

Soziale Gerechtigkeit und Teilhabe sind die Grundlage ihrer Politik, ihre Stärken sieht sie in ihrer Unabhängigkeit: Nach einem Achtungserfolg bei der vorigen OB-Wahl will Kerstin Lau von der Wählervereinigung UFFBASSE jetzt mehr.

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OB-Wahl in Darmstadt: Fünf Kandidaten im Kurz-Porträt

Die Fassade des Neuen Rathaus aus der Froschperspektive fotografiert.
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Im Darmstädter Café "Blumen und Café" duftet es - wie sollte es auch anders sein - nach Blumen und frisch gebrühtem Kaffee. Eine Atmosphäre wie gemalt für ein Gespräch mit Kerstin Lau. Die OB-Kandidatin wirkt entspannt, fast so, als könnten ihr die Hektik des Wahlkampfes und die Hatz von Termin zu Termin nichts anhaben. Man hört ihr gerne beim Reden zu, nichts an ihrem Auftritt wirkt aufgesetzt - keine Selbstverständlichkeit bei Menschen in der Politik.

Andere zu begeistern und für sich zu gewinnen, gilt auch als große Stärke der Spitzenkandidatin der Wählervereinigung Uffbasse (Unabhängige Fraktion Freier Bürger Aufrecht Spontan Subkulturell Eigenwillig), die 2001 aus der politisch aktiven Punkszene hervorging, der auch Lau angehörte. Lau weiß um diese in der Politik so mächtige Begabung: "Ich habe parteiübergreifend ein gutes Standing im Parlament und genieße Anerkennung über alle Fraktionen hinweg", sagt die 51-Jährige selbstbewusst.

Das mag auch daran liegen, dass sie wenig Wert auf parteipolitische Scharmützel legt. "Ich bin kein Mensch, der an Parteiideologien hängt. Das ist auf kommunaler Ebene auch nicht maßgeblich, da sollte jeder seine Ideologien einpacken." Ihr gehe es um Lösungen für und mit Menschen. Da sei es egal, wer eine Idee auf den Tisch bringt - sie muss nur gut sein.

Eine kleine Einschränkung macht sie doch: "Bei der AfD habe ich Hemmungen, da ist eine Zusammenarbeit nicht vorstellbar." Den Kampf gegen Rechtspopulismus bezeichnet Lau als eines ihrer großen Anliegen.

Lau sieht gute Chancen auf die Stichwahl

Aktuell ist Uffbasse mit fünf Sitzen im Stadtparlament vertreten, Lau ist die Fraktonsvorsitzende. Bei der vergangenen Oberbürgermeisterwahl 2017 belegte die alleinerziehende Mutter zweier mittlerweile erwachsener Söhne als Außenseiterin einen hervorragenden dritten Rang, holte 12,4 Prozent der Stimmen. Damals war die CDU allerdings nicht angetreten.

Mit Rang drei will sich Lau diesmal nicht begnügen, sie will ganz nach oben. "Wir rechnen uns sehr gute Chancen auf die Stichwahl aus, die Rückmeldungen sind überwältigend", sagt sie. Dort sei dann alles möglich.

Was im ersten Moment etwas zu ambitioniert klingen mag, ist aber gar nicht so weit hergeholt. Bei der Kommunalwahl 2021 konnte Lau die meisten Einzelstimmen von allen Kandidatinnen und Kandidaten in Darmstadt für sich verbuchen, auch bei einer fiktiven OB-Wahl an Darmstädter Schulen und Jugendzentren holte sie bei den unter 18-Jährigen jüngst die meisten Stimmen. Zudem zog Michael Ziemek von der Wählergemeinschaft Darmstadt kurz vor dem Wahltermin seine Kandidatur zurück und sprach eine Wahlempfehlung für Lau aus. Das ist alles keine Garantie für einen Wahlsieg, aber doch ein Fingerzeig.

"Darmstadt ist mein Ding"

Ihr Wahlslogan lautet "Konsequent kommunal". Dahinter steckt ein simpler Ansatz: "Wir bei Uffbasse wollten immer etwas tun für die Menschen in unserer Kommune und haben keine Ambitionen, uns landespolitisch oder bundespolitisch zu profilieren."

An lokaler Verankerung mangelt es Lau definitiv nicht. So sagt sie: "Darmstadt ist einfach mein Ding. Die Kommune ist für mich neben der Familie die Keimzelle der Gesellschaft, hier wird die Arbeit für die Menschen gemacht, hier findet der soziale Zusammenhalt statt."

In der Punkszene politisiert

Der Startschuss für ihre politische Laufbahn fiel 1993, als sich der Punkmusiker Jörg Dillmann als Gegenkandidat zu Oberbürgermeister Günther Metzger (SPD) aufstellen ließ. Metzger hatte damals ein Getränke- und Alkoholverbot auf dem zentral gelegenen Luisenplatz erlassen und somit einen beliebten Treffpunkt rund um das Ludwigs-Denkmal aufgelöst. Manch einer würde sagen, er habe damit gezielt die ungeliebten Punks und Obdachlosen vertrieben.

Eine Maßnahme, die Laus Gerechtigkeitsempfinden massiv störte und nicht nur in ihr das Gefühl aufkommen ließ, sich wehren zu müssen. "Es hat vor allem die weniger Privilegierten getroffen. Nicht jeder Mensch kann es sich leisten, seine Getränke gemütlich im Café zu konsumieren."

Niemand habe damals eine Ahnung davon gehabt, wohin sich das Ganze entwickeln wird, erinnert sich Lau: "Wir haben selbst nicht geglaubt, dass wir Erfolg haben." Aber Dillmann holte mit Laus Unterstützung aus dem Stand 3,9 Prozent der Stimmen. Der Grundstein für Uffbasse war gelegt und Laus Kampfgeist geweckt.

Seit fast 20 Jahren im Stadtparlament

Seitdem engagiert sie sich auf lokalpolitischer Ebene für ein solidarisches Darmstadt, in dem auch Menschen mit geringen Einkommen ein gutes Leben führen können. "Wir wollten damals eine Lobby sein für Menschen, die keine Lobby haben. Das wollen wir auch heute noch." Nachdem Anfang der 2000er Jahre auf kommunaler Ebene die Fünf-Prozent-Hürde gefallen war, gründete Lau Uffbasse und zog 2004 ins Stadtparlament ein.

Mit der dem Punk eigenen Anarchie hat Laus Politik allerdings wenig zu tun. Im Zentrum ihres politischen Wirkens stehe der "Zusammenhalt", betont die studierte Sozialpädagogin, die seit 2002 bei der Telekom arbeitet und Zusatzausbildungen als Coach und Mediatorin absolviert hat.

Soziale Gerechtigkeit, Diversität, Inklusion, Solidarität und Menschlichkeit seien die Grundpfeiler ihrer Politik. Das beinhalte auch den Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus, Diskriminierung, Homophobie und Ausgrenzung aller Art. Sie selbst bezeichnet ihre Politik als links, "aber ohne den Mief der Linkspartei".

Partizipation und soziale Gerechtigkeit

In ihrem Wahlprogramm ist immer wieder die Rede von bezahlbarem Wohnraum, von Investitionen in Bildung und von Schaffung kulturell-sozialer Begegnungsstätten. Wirtschaftspolitisch will sie Darmstadt weniger abhängig von Großkonzernen wie zum Beispiel Merck machen und eine breit aufgestellte Start-Up-Szene fördern.

Lau will Darmstadt weiter zur fahrrad- und fußgängerfreundlichen Stadt umbauen, den Ausbau des ÖPNV vorantreiben und Waldflächen aufforsten. Auch die Reform der Verwaltung gehört zu den Aufgaben, die sie anpacken möchte. Dabei setzt sie vor allem auf Digitalisierung und Weiterbildung. Über allem schwebt immer der Gedanke der Partizipation: Die Menschen, die in Darmstadt wohnen, sollen ihr Leben in allen Bereichen mitgestalten können.

Glühende Lilien-Anhängerin

Lau ist Darmstädterin durch und durch, auch wenn eine Winkelzug des Schicksals dafür sorgte, dass sie 1971 in Dieburg das Licht der Welt erblickte. "Meine Mutter ist nach der Geburt aber schnell wieder nach Darmstadt gefahren", erzählt sie mit einem Schmunzeln. Dort wuchs Lau in einer politisch aktiven Arbeiterfamilie auf und war die erste in ihrer Familie, die Abitur machte. Schon ihr Großvater, der Kreisvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds war, habe sein Leben lang für soziale Gerechtigkeit gekämpft. "Das hat mich sehr geprägt", blickt Lau zurück.

In Darmstadt kennt sie nach eigener Aussage "jeden Stein", geht gerne an den Streuobstwiesen oder an der Rosenhöhe spazieren. Ihr Herzensort ist aber das Lilien-Stadion, die glühende Anhängerin vom SV Darmstadt 98 verpasst so gut wie kein Spiel. "Das Stadion ist mein Freizeitort, dort treffe ich meine Freunde, und die Politik bleibt ausnahmsweise mal draußen."

Aktuell schnuppern ihre Lilien am Aufstieg in die Bundesliga, die Chancen bei der OB-Wahl stehen auch nicht schlecht - es könnte ein gutes Jahr werden für Kerstin Lau.

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