SPD-Spitzenkandidat Udo Bullmann Sozialdemokrat und Straßenfußballer mit Silberkettchen

Er führte einst die sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament. Dann wurde es stiller um Udo Bullmann. Doch tatsächlich hat er noch viel vor. Bei der Europawahl tritt er als Spitzenkandidat der hessischen SPD an.

"Ich liebe Wahlkampf": Udo Bullmann auf der Frankfurter Konstablerwache
"Ich liebe Wahlkampf": Udo Bullmann auf der Frankfurter Konstablerwache Bild © Andreas Bauer, hr
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Europawahl: BLIND DATE mit den Wählern

Fünf Politiker vor der europäischen Flagge mit Wahlkreuz: Simon (CDU), Eroglu (FW), Häusling (GRÜNE), Bullmann (SPD), Schnitzler (FDP)
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Den Hemdkragen aufgeknöpft, die rote Stofftasche um die Schulter, die Flyer in der Hand: Udo Bullmann im Straßenwahlkampf auf dem Wochenmarkt an der Konstablerwache in Frankfurt. Nicht immer sind die Gespräche freundlich: Einer ruft: "Ihr Kriegstreiber!"

Mit einer Frau, die nach einem langen Arbeitsleben mit gerade mal 1.100 Euro Rente auskommen muss, spricht er länger. Präsenz zeigen, so nennt er das. Politiker in Wahlkampfzeiten seien so etwas wie eine Beschwerdeinstanz. Und: "Die Wähler wollen uns kämpfen sehen", sagt der Spitzenkandidat der hessischen SPD bei der Europawahl und verteilt einen weiteren Flyer, auf dem der Kanzler und die Europa-Abgeordnete Katarina Barley zu sehen sind.

Bei der Europawahl 2019 plakatierten die deutschen Sozialdemokraten noch ihn und Barley als Doppelspitze. Jetzt ist Bullmanns Bild nur noch auf der Rückseite des Prospekts abgebildet. Die Zeiten ändern sich.

Noch lange nicht amtsmüde

Udo Bullmannn ist 67 Jahre alt, in einem Alter also, in dem andere in Rente gehen. Aber er denkt nicht ans Aufhören. "Ich habe erst angefangen zu gestalten", sagt er lachend - und meint es vermutlich ganz erst. Sein Lieblingszitat stammt von dem französischen Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry: "Die Zukunft soll man nicht voraussehen wollen, sondern möglich machen."

Udo Bullmann Portrait
Udo Bullmann auf der Frankfurter Zeil Bild © Andreas Bauer, hessenschau.de

Dieser Wille zum Gestalten zog den promovierten Politikwissenschaftler und Professor für Europastudien einst in die Politik. "Das Morgen gestalten - für Europa", das interessiere ihn.

Seit 1999 ist der in Gießen geborene Politiker für die hessische SPD Abgeordneter im Europaparlament. Von 2012 bis 2017 war er Chef der SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament, von 2017 bis 2021 EU-Beauftragter des SPD-Parteivorstands. Im Jahr 2018 wurde er Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion. Der Höhepunkt seiner bisherigen Karriere.

Der Typ mit dem Goldkettchen

Schon damals galt er als jemand, der sich richtig reinhängt in die Arbeit, ein Malocher, der rackert, nicht aber als charismatisches Alphatier. Er sei kein Strippenzieher, sondern Straßenfußballer, übersetzte das Bullmann mal für sich.

Als die Süddeutsche Zeitung ihn einst als "der Typ mit der Goldkette unter dem aufgeknöpftem Hemd" beschrieb, fand er das gar nicht lustig. Er legte Wert darauf, dass es ein Silberkettchen war - er trägt es bis heute. Auf die Geschichte mit dem Goldkettchen geht vermutlich zurück, dass ihn mancher in Brüssel heute noch scherzhaft einen "Rocker" nennt.

Vielfacher Nachfolger von Schulz, aber doch ganz anders

Auffallend ist, dass Bullmann in seinen Funktionen immer wieder einem anderen Sozialdemokraten folgte: Martin Schulz. Auch der war einst SPD-Gruppenchef, Europabeauftragter seiner Partei und Chef der Sozialdemokraten im Parlament. Schulz - der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat - erlangte aber eine ganz andere Bekanntheit. Bullmann ist über Brüssel hinaus weitgehend unbekannt.

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Hessische Spitzenkandidaten im Porträt

Vor der Europawahl porträtieren wir die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten aus Hessen, die laut den Umfragen Chancen auf einen Sitz im Europaparlament haben. Das sind:

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Das liegt vielleicht auch daran, dass er den Posten des Fraktionschefs schon nach 15 Monaten - nur halb freiwillig - wieder abgab. Bei der Europawahl 2019 hatten die deutschen Sozialdemokraten ein katastrophales Ergebnis eingefahren und waren nur noch drittstärkste Delegation hinter den spanischen und italienischen Parteifreunden.

Bullmann zog sich zurück und machte den Weg frei für die Spanierin Iratxe García. Bei einer Kampfkandidatur hätte er nur wenige Chancen gehabt. Bullmann wurde wieder einfacher Abgeordneter - und wartete auf seine nächste Chance. Die kam, als Marie Arena als Vorsitzende des Unterausschusses für Menschenrechte zurücktrat. Gegen die Belgierin liefen Ermittlungen im Korruptionsskandal um Katar-Gate.

Die sozial-ökologische Modernisierung im Blick

Der SPD-Politiker übernahm im Februar 2023 ihren Posten und wurde Chef eines Ausschusses, der im Grunde nur wenig Wirkungskraft entfalten kann. Was EU-Politiker in Sachen Menschenrechte zu sagen haben, interessiert die Diktatoren dieser Welt in der Regel nur bedingt. Doch Bullmann kniete sich wieder in die neue Aufgabe.

Er forderte von der russischen Regierung Aufklärung über die Umstände des Todes des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny und prangerte auf einer Reise durch die Ukraine die Gräueltaten der russischen Besatzer an. Zuletzt war er in Israel, Gaza und den palästinensischen Autonomiegebieten, besuchte Familien israelischer Geiseln und plädierte für eine Zwei-Staaten-Lösung in dem Konflikt.

Auch in seiner neuen Rolle attestieren Beobachter ihm in Brüssel viel Fleiß und beschreiben den - eher linken - Sozialdemokraten als einen überzeugten Europäer, der bei allem Engagement für Menschenrechte die großen Linien einer sozial-ökologischen Modernisierung der Gesellschaft verfolgt.

"Wir brauchen nicht nur einen grünen Deal"

So streitet er - ganz Sozialdemokrat - am 1. Mai auf einer Demo in seiner Heimatstadt Gießen für faire Löhne, gerechte Arbeitsbedingungen und dagegen, dass die Transformation "auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen wird".

Nur einen Tag später besucht er die Solarfirma Consolar im Frankfurter Ökohaus, einem tropisch anmutenden Gebäude mit sprießenden Bäumen im Eingangsbereich und Wein an den Fassaden: eine grüne Oase neben S-Bahn-Gleisen im Stadtteil Bockenheim - ein Ambiente, in dem man vermutlich eher politische Gäste von den Grünen vermutet.

Der Geschäftsführer der Solarfirma lobt denn auch Wirtschaftsminister Robert Habeck und das neue Heizungsgesetz. Er erläutert Bullmann seine neue Generation von Sonnenkollektoren, die speziell für Geo-Wärmepumpen entwickelt wurden. Die Effizienz sei überragend. Demnächst will man expandieren in Nordhessen. Die Firma will durchstarten und wünscht sich noch mehr Bekanntheit.

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Europawahl 2024 auf hessenschau.de

Wer genau wird am 9. Juni gewählt, wofür ist das Europäische Parlament zuständig und wie ging die vorige Wahl aus? Antworten auf diese und weitere Fragen finden Sie in unserem Europawahl-FAQ. Am Sonntag berichten wir im Ticker zur Europawahl 2024.

In dieser Übersicht haben wir die Parteien, die zur Wahl stehen, und ihre Programme zusammengefasst. Mit dem Wahl-O-Mat können Sie außerdem die Positionen der Parteien miteinander vergleichen.

Ab 18 Uhr bieten wir alle Ergebnisse der Europawahl 2024 aus Hessen im Überblick. Über aktuelle Meldungen aus Hessen zur Europawahl bleiben Sie in unserem Dossier auf dem Laufenden.

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Bullmann zeigt sich beeindruckt, will helfen und regt eine Präsentation in der hessischen Landesvertretung in Brüssel an. Zugleich dämpft er Erwartungen. Der Green Deal, mit dem Europa klimaneutral werden will, stehe im Europäischen Parlament stark unter Beschuss, sagt er. Private Häuslebauer dürften nicht überfordert werden.

Bullmann spricht von der Angst der Menschen, "unter die Räder zu kommen". Es gehe nicht nur darum, die Welt auf Nachhaltigkeit umzubauen, sondern auch darum, die Ungleichheit zu bekämpfen. "Was wir brauchen, ist nicht nur ein grüner Deal, sondern auch ein roter."

Die große sozialdemokratische Erzählung

Bullmann geht es um Hoffnung, Solidarität und Teilhabe an der Gesellschaft, die gerechte Verteilung zwischen Arm und Reich - die große ur-sozialdemokratische Erzählung, neu erzählt unter den Prämissen eines als unabdingbar verstandenen ökologischen Umbaus der Gesellschaft. In einem Ranking für ehrgeizige Klima- und Energiepolitik erhielt Bullmann für sein Abstimmungsverhalten im Parlament vom Deutschen Naturschutzring schon mal ein "Sehr gut".

Zurück auf dem Wochenmarkt auf der Frankfurter Konstablerwache. Hier sind die letzten Flyer und "Wir-halten-zusammen"-Tütenclips verteilt. Bullmann und sein Team packen zusammen. Gleich steht noch ein Radiointerview an, dann eine Podiumsdiskussion über Menschenrechte und später ein Empfang der Polytechnischen Gesellschaft. "Ich liebe lange Tage", sagt der Kandidat.

Wie sehr sich das Engagement auszahlt, entscheidet der Wähler am 9. Juni. Bullmann kandidiert auf Platz 8 der SPD-Liste. Dass er dem neuen Parlament auch wieder angehören wird, gilt als sicher. Bisher haben die Sozialdemokraten 16 Abgeordnete. Doch es wird auch von der Stärke der deutschen Sozialdemokraten abhängen, welche Rolle einer wie Bullmann in den nächsten Jahren im Europäischen Parlament spielen wird.

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Blind Date: EU-Spitzenkandidaten treffen Wähler

Fünf Spitzenkandidatinnen und -kandidaten für die Europawahl am 9. Juni, fünf Begegnungen - als Blind Date mit Wählern, die sie vorher noch nie gesehen haben. Wie sie beim Aufeinandertreffen reagieren, zeigt der Film "Europawahl: BLIND DATE mit den Wählern" am 5. Juni um 20.15 Uhr im hr-fernsehen und in der ARD-Mediathek.

Zum Blind Date wurden alle Parteien eingeladen, die nach der Wahl 2019 hessische Abgeordnete ins EU-Parlament entsendet haben. Die AfD hat die Einladung abgelehnt.

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Sendung: hr-fernsehen, Europawahl: Blind Date mit den Wählern, 05.06.2024, 20.15 Uhr

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Quelle: hessenschau.de