Seit 2017 keinen Jahresabschluss vorgelegt Gemeinde Löhnberg ist zahlungsunfähig - Bürgermeister verteidigt sich

Löhnberg ist in arge finanzielle Schieflage geraten. Schon lang legte die mittelhessische Gemeinde keinen Jahresabschluss mehr vor. Der Bürgermeister der Gemeinde betont, er habe schon lange auf die Lage aufmerksam gemacht.

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Die Gemeinde Löhnberg (Limburg-Weilburg) hat kein Geld mehr. Bei der Sitzung der Gemeindevertretung am Donnerstag wurde mitgeteilt, man sei derzeit nicht in der Lage, den Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.

Wie schlimm die finanzielle Lage genau ist, ist nach Angaben des Gemeindevorstands noch nicht abzusehen. Denn seit 2017 wurden keine Jahresabschlüsse beim Regierungspräsidium abgegeben. Dazu wäre die Gemeinde eigentlich jedes Jahr verpflichtet gewesen.

Abschlüsse genehmigt, obwohl sie nicht vorlagen

Der Beigeordnete Ulrich Reichard (SPD), der aktuell den Bürgermeister vertritt, kann nicht genau erklären, wie es zu der Situation gekommen ist. "Es gibt viele Player, die Mitverantwortung tragen", sagte er dem hr. Im Wesentlichen gehe es um die Kommunikation zwischen dem Regierungspräsidium (RP) und dem Landkreis als Aufsichtsbehörden auf der einen Seite und der Gemeinde auf der anderen Seite.

Das Regierungspräsidium habe zwar all die Jahre bestätigt, dass auf digitalem Weg Jahresabschlüsse eingegangen seien, berichtet Reichard. Doch geprüft worden seien die Eingänge nicht - deshalb sei nicht aufgefallen, dass die Abschlüsse nicht vorlagen.

Bürgermeister krank, Stellvertreter zurückgetreten

Wer in der Gemeinde für die Versäumnisse verantwortlich war, dazu wollte Reichard keine Mutmaßungen anstellen. "Manchmal kommt es zu Überforderungen bei Ehrenamtlichen oder bei Hauptamtlichen. Aber es geht nicht um eine Schuldfrage." Er selbst habe erst seit Mitte Mai Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit und den fehlenden Jahresabschlüssen.

Reichard, seit drei Jahren im Gemeindevorstand, führt nun die Amtsgeschäfte vertretungsweise. Denn Bürgermeister Frank Schmidt (SPD) ist aktuell auf unbestimmte Zeit krankgeschrieben. Sein Stellvertreter, der Erste Beigeordnete Udo Jung (SPD), war vor der Sitzung der Gemeindevertretung am Donnerstag zurückgetreten.

Probleme bereits im Februar benannt

In einem Schreiben an den Gemeindevorstand vom 20. Februar benannte das Regierungspräsidium Gießen die Missstände und forderte die Gemeinde dazu auf, "umgehend wirksame Konsolidierungsmaßnahmen in die Wege zu leiten". Reichard sagt dazu, das Schreiben sei bei Bürgermeister Schmidt angekommen. Dieser habe es aber nicht an die weiteren Mitglieder des Gemeindevorstands weitergeleitet.

Reichard sieht auch die Aufsichtsbehörden in der Verantwortung: "Wenn seit 2017 das Regierungspräsidium die Haushalte der Gemeinde genehmigt, dann hat das Regierungspräsidium nicht richtig hingeschaut," so Reichard.

RP: Anhaltspunkte für Liquiditätsprobleme waren nicht ersichtlich

Das RP erklärte am Montag, dass es aufgrund der Angaben der Kommune davon ausgegangen sei, dass die Jahresabschlüsse der vergangenen Jahre entsprechend der gesetzlichen Vorgaben aufgestellt und dem für die Prüfung zuständigen Sonderdienst Revision (Rechnungsprüfungsamt) des Landkreises vorgelegt worden seien. Denn von dort habe man mitgeteilt bekommen,

Die gesetzlich vorgesehene Unterrichtung der Aufsichtsbehörde über die wesentlichen Ergebnisse der Abschlüsse habe stattgefunden. Anhaltspunkte für Liquiditätsprobleme seien daraus nicht ersichtlich gewesen.

Landkreis sieht sich nicht in der Bringschuld

Auf Nachfrage des hr erklärte der Landkreis am Dienstag, dass ihm seit 2017 keine prüffähigen Abschlüsse vorgelegen hätten. Das sei auch der Grund, weshalb der Revision des Kreises keine finanzielle Schieflage der Gemeinde Löhnberg aufgefallen sei. Entsprechend habe man das RP darüber nicht informieren können. Weshalb man sich nicht um die Abschlüsse bemüht hat? Darüber gibt es vom Landkreis bislang keine plausible Erklärung.

Bürgermeister Schmidt bezieht Stellung

Am Samstagabend äußerte sich der krankgeschriebene Bürgermeister Frank Schmidt (SPD) in einer vierseitigen Pressemitteilung. Er habe sich durch die Medienberichterstattung gezwungen gesehen, Stellung zu beziehen.

Dr. Frank Schmidt
Bürgermeister Frank Schmidt (SPD). Bild © SPD Limburg-Weilburg

Ihn verwundere, "dass Menschen im Mai 2024 überrascht und unwissend tun", schrieb Schmidt. Es sei bereits seit einem Jahr umfassend über alle finanziellen Angelegenheiten informiert worden.

Die Löhnberger Finanzen seien noch nie "auf Rosen gebettet gewesen". Zusätzlich habe "ein bestimmtes Unternehmen" im vergangenen Jahr hohe Rückforderungen von Gewerbesteuern gestellt, die dann die finanzielle Schieflage verschärft hätten.

Schmidt: Schieflage ja, Zahlungsunfähigkeit nein

Eine vollständige Zahlungsunfähigkeit der Gemeinde sieht Schmidt jedoch nicht. "Lediglich die Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Landkreis und gegenüber dem Abwasserverband können nur mit erheblichen Zeitverzug eingehalten werden", so Schmidt. Alle anderen Zahlungsverpflichtungen würden "ordnungsmäßig bedient".

Dass Löhnberg bei den Jahresabschlüssen hinterher hänge, räumt Schmidt in seiner Pressemitteilung ein. Dies sei durch personelle Engpässe zu begründen, weshalb der Landkreis um Unterstützung gebeten worden sei.

Landkreis und Regierungspräsidium springen ein

Der Kreis Limburg-Weilburg und das Regierungspräsidium Gießen kündigten an, der Gemeinde Löhnberg einen Liquiditätskredit in Höhe von vier Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Dafür gibt es allerdings Bedingungen: Die Gemeinde muss festlegen, wo Geld eingespart werden kann. Außerdem muss Löhnberg die fehlenden Jahresabschlüsse abgeben.

Ob der Kredit ausreicht, um das Loch im Haushalt von Löhnberg auszugleichen, ist unklar. "Das ist ein erster Schritt," sagte der Beigeordnete Ulrich Reichard. Keiner der aktuell Verantwortlichen habe einen Überblick über die finanzielle Lage der Gemeinde. Man müsse jetzt eine Bestandsaufnahme machen und dann über die weiteren Schritte entscheiden.

Weitere Informationen

Sendung: hr4, 24.05.2024, 12.30 Uhr

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Quelle: hessenschau.de