"Da konnte man sich nur die Haare raufen": AfD-Gründungsmitglied Konrad Adam

Die Geschichte der AfD begann vor zehn Jahren in Oberursel. Mit dabei war Konrad Adam. Hier erklärt er, was ihn damals bewegte, wann ihm die Partei fremd wurde und warum er trotzdem nicht bereut, sie gegründet zu haben.

Am 6. Februar 2013 trafen sich im Gemeindesaal der Christuskirche in Oberursel (Hochtaunus) 18 Männer, um eine neue Partei zu gründen: Die Alternative für Deutschland. Einer von ihn ist Konrad Adam. Der Journalist arbeitete über zwanzig Jahre für das Feuilleton der FAZ, anschließend als Kolumnist für Die Welt. In der AfD war er zunächst einer der drei Bundessprecher, bis er 2015 zusammen mit Bernd Lucke abgewählt wurde. Später gründete er die parteinahe Desiderius-Erasmus-Stiftung. Am 1. Januar 2021 verließ er die AfD.

hessenschau.de: Erkennen Sie Ihre AfD noch wieder?

Konrad Adam: Nein, nur noch in engen Grenzen. Es gibt die ursprüngliche Partei, die Herr Lucke, Frau Petry und ich gewollt und auch gegründet haben, allenfalls bis 2015, 2016, spätestens 2017. Danach kam ein Bruch. Mit der älteren AfD habe ich keine Schwierigkeiten.

hessenschau.de: Die meisten Parteigründungen bleiben bedeutungslos. Wann und woran machten Sie fest, dass es bei der AfD anders läuft?

Adam: Wir hatten - und ich sage ganz bewusst - das Glück, dass 2013 ein Thema virulent geworden ist, das jeder verstand. Das war der Euro. Wir sind und waren gegen den Euro, aber nie und nimmer gegen Europa. Wir haben da immer streng unterschieden. Die Griechenland-Krise war akut.

Wenn wir den Leuten gesagt haben, eure Ersparnisse gehen drauf und mit eurem Geld werden nicht etwa die Griechen gerettet, sondern amerikanische Banken, dann haben sie das verstanden. Und es war kein Zufall, dass das Euro-Thema die erste von mir arrangierte Gründungsversammlung hier in Oberursel beherrscht hat.

hessenschau.de: Die CDU fuhr anfangs gegen Sie die Strategie: Am besten ignorieren! Hat auch das die AfD groß gemacht?

Adam: Die wollten uns natürlich klein haben. Sie merkten, dass da eine Konkurrenz wuchs. Ignoriert haben sie uns aber keineswegs. Ich kann Ihnen Äußerungen von hochgestellten CDU-Politikern überbringen: "Gehen Sie raus aus dieser Mist-Partei!"

Unsere wichtigste Wahlhelferin war natürlich Angela Merkel mit ihrer törichten Devise, es gebe keine Alternative. Damit hat sie hier uns das Stichwort geliefert. Politik, meine ich, muss immer mit Alternativen arbeiten. Eine alternativlose Politik ist unabhängig von dem, was sie im Einzelfall ist, immer eine schlechte Politik.

hessenschau.de: Die Säle mit Ihren Veranstaltungen waren voll. Sie saßen auf den Podien im Scheinwerferlicht. Haben Sie gesehen, wer alles in den Reihen saß?

Adam: Das können Sie gar nicht. Es gab tausende Zwischenrufe und man hatte Mühe, auch nur im Groben dem Verlauf zu folgen. In diesen ersten Jahren bin ich ja noch für viel rumgereist im Osten, im Norden, im Süden, im Westen. Und dabei hat man natürlich Fragen oder Anregungen zu hören bekommen, da konnte man sich eigentlich nur die Haare raufen. Aber solange das die Minderheit ist, muss man sich darüber keine allzu großen Gedanken machen. Nennen Sie mir die Partei, in der es keine Narren gibt. Ich kenne keine.

hessenschau.de Schon 2014 sagten Sie beim Landesparteitag in Gießen, die AfD sei zu schnell gewachsen. Es seien Leute gekommen, die "nicht ganz so gut zu uns passen". Wann ist Ihnen die Partei entglitten?

Adam: Die Äußerungen waren noch etwas deutlicher. Ich habe damals von sogenanntem Beifang gesprochen. Das hat natürlich sofort die innerparteiliche Opposition auf den Plan gerufen, insbesondere einen, der unbedingt an meine Stelle treten wollte. Aber damit bin ich bei Ihrer Frage: Als ich merkte, dass diese Partei ihr ursprüngliches Ziel, eine Alternative zum eingefahrenen Politikbetrieb bieten zu wollen, zunehmend aus den Augen verlor und Ehrgeizlingen Platz machte.

Sie sahen die Chance, schnell und ohne Anstrengung zu einem gut bezahlten Job zu kommen. Da fing ich an, nachdenklich zu werden. Das begann etwa kurz vor dem Essener Parteitag im Juli 2015.

Der war letzten Endes die Wasserscheide. Da ist Lucke unter beschämenden Umständen abgewählt worden. Ich übrigens auch. Da gerieten alle diese Phänomene zum ersten Mal in voller Wucht zutage, die mir den Parteibetrieb zunehmend vermiest haben.

hessenschau.de: Wollten oder konnten Sie diesen Weg der AfD nicht verhindern?

Adam: Was für eine Frage! Ich hätte es sehr gerne verhindert. Ich glaube, dass ein funktionierendes Parteienspektrum den Horizont von links bis rechts unter Ausschluss der Extreme braucht. Damals ist der rechte Platz frei geworden, den hat die AfD im Anfang überzeugend besetzt. Als sie dann zunehmend in radikales Fahrwasser abdriftete, habe ich gesagt: Leider geht es nicht. Und ich habe die Partei verlassen.

hessenschau.de: Kein Parteiaustritt hat der Partei schaden können. Und kein Nachtreten hat die AfD zu Fall gebracht. Warum schließen sich die Reihen dort so schnell?

Adam: Parteimitglieder achten vor allen Dingen darauf, welche Möglichkeiten im inhaltlichen Politikbetrieb sich für sie selbst ergeben. Und was der AfD geschadet hat, war letzten Endes ihr märchenhafter Erfolg. Das zieht natürlich auch die Leute an, die für sich hervorragende Verdienstmöglichkeiten und Mandate sehen.

hessenschau.de: Bedauern Sie eigentlich, dass Sie die AfD gegründet haben?

Adam: Nein, warum sollte ich denn? Ich bin der Überzeugung, dass es dem lebendigen demokratischen Leben zugute kommt, wenn der Wähler die Wahl hat, wenn er denn zur Wahl geht. In den ersten Jahren, da sind vor allem ältere Leute zu mir gekommen und haben mit leiser, verdeckter Stimme gesagt: "Ich bin Ihnen ja so dankbar. Endlich kann ich wieder wählen." Was ist daran schlimm?

Die Fragen stellte Benjamin Holler.

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