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Millionen für Problem-Immobilien

Finanzamt Wiesbaden

Das Wiesbadener Finanzamt ist 2022 in ein neu angemietetes Gebäude umgezogen. Für alte Problem-Immobilien und das neue Finanzamt zahlt das Land Doppelmiete in Höhe von geschätzten sieben Millionen Euro im Jahr. Jetzt beschäftigt sich der Haushaltsausschuss des Landtags mit dem Thema.

Die Liste der vom Land angemieteten Problem-Immobilien wird immer länger. Vor rund 20 Jahren hatte die CDU-geführte Landesregierung unter Ministerpräsident Roland Koch 55 Ministerien, Behörden und Gerichte verkauft und auf mehrere Jahrzehnte zurück gemietet.

Die einstmals als clever gepriesene Geschäftsidee erweist sich jedoch für die Steuerzahler immer mehr als finanzieller Bumerang. Das jüngste Beispiel ist das 14-stöckige Hochhaus im Behördenzentrum Schiersteiner Berg, in dem bis Oktober 2022 die rund 700 Beamte des Wiesbadener Finanzamtes ihre Arbeitsplätze hatten.

3,4 Millionen Miete für fast leerstehendes Gebäude

Wie der Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen (LBIH) auf hr-Anfrage erklärt, zahlt das Land für die Immobilie seit dem Auszug weiter 3,4 Millionen Euro Miete im Jahr. Demnach hat das Hochhaus eine Nutzfläche von 14.000 Quadratmetern.

"In dem Gebäude sind Nutzflächen im Umfang von rund 800 Quadratmetern für Büroräume von Sicherheitsbehörden in Gebrauch", so der LBIH. Außerdem werde das Gebäude noch für den Betrieb technischer Einrichtungen genutzt. Das Land zahlt also 3,4 Millionen Euro Miete für ein zu rund 95 Prozent leerstehendes Gebäude.

Rund sieben Millionen Doppelmiete

Gleichzeitig fließt Miete an den Eigentümer des neuen Finanzamts am Abraham-Lincoln-Park in Wiesbaden. Angaben zur Höhe der Miete für die 18.000 Quadratmeter kann der LBIH nicht machen, "da der Veröffentlichung des Mietzinses auch berechtigte Interessen der Vermieterin beziehungsweise Dritter (Betriebs-/Geschäftsgeheimnisse) entgegenstehen."

Alle verhandelten Mietverträge seien "marktüblich und unterliegen dem Gebot der Wirtschaftlichkeit". Als marktüblich halten Brancheninsider einen monatlichen Mietpreis von 15 bis 17 Euro pro Quadratmeter. Demnach zahlt das Land also auch für das neue Finanzamt rund 3,4 Millionen Euro Miete im Jahr. Macht eine Doppelmiete von insgesamt rund 7 Millionen Euro. 

Das neue Finanzamt in Wiesbaden

Weitere Mietkosten für Sozialministerium in Wiesbaden

Dieser Fall erinnert an das inzwischen abgerissene Sozialministerium im Behördenzentrum Schiersteiner Berg. Durch hr-Recherchen wurde 2019 bekannt, dass das Land für das nicht mehr sanierbare Sozialministerium in Wiesbaden weiter Miete zahlen muss, obwohl die Beamten längst in ein neu angemietetes Gebäude am Kureck umgezogen waren.

Aktuell streitet sich das Land mit dem Vermieter des Behördenzentrums Fulda, wer für die 11 Millionen Euro teure Innensanierung aufkommen muss.

Marode Gebäude sind Thema im Haushaltsausschuss

Die Abgeordneten des Haushaltsausschusses kommen am Mittwoch zusammen, um sich vom Finanzministerium unterrichten zu lassen, wie es mit den teilweise maroden Gebäuden der sogenannten Leo-Immobilien - frei nach dem Hessen-Löwen - weitergehen soll. Ausziehen, abreißen, zurückkaufen oder neu bauen - die Landesregierung hatte nach deutlicher Kritik der Opposition zugesagt, eine Zukunftsstrategie auf den Tisch zu legen.

"Für eine solide Immobilien-Strategie braucht es endlich eine konkrete, detaillierte Halbzeit-Betrachtung aller 55 Immobilien-Verkäufe", fordert Marion Schardt-Sauer, finanzpolitische Sprecherin der FDP im Landtag. Am Beispiel des Behördenzentrums in Wiesbaden sei zu sehen, dass die Verschleppungstaktik des Landes den Steuerzahler viel Geld koste.

Ihr SPD-Amtskollege Marius Weiß sieht in der nun bekanntgewordenen neuen Problem-Immobilie einen erneuten Beleg, "dass die CDU-Alleinregierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch massive politische und handwerkliche Fehler bei der Ausgestaltung der LEO-Verträge begangen hat." Er erwartet von der Landesregierung klare Worte, wo noch Millionengräber durch Doppelmieten für neue und leerstehende alte Gebäude lauern.

Gebäude sollen als "Seven Gardens" weiterentwickelt werden

Lackmustest für die Weiterentwicklung der Leo-Immobilien sollte das Behördenzentrum Schiersteiner Berg werden. Nach dem Bekanntwerden der Misere um das ehemalige Sozialministerium tauchte als Retter der Immobilienentwickler OFB auf. Das Tochterunternehmen der staatlichen Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) kaufte das Areal vom vorherigen Besitzer, mit dem das Land im Clinch lag.

Der erfahrene Projektentwickler versprach, die Gebäude unter dem fantasieanregenden Namen "Seven Gardens" weiterzuentwickeln. Den Anfang machte im Bauabschnitt 1 das inzwischen abgerissene Sozialministerium. In das "Oak House" sollen Ende dieses Jahres das angrenzende Landeskriminalamt und die Straßenverkehrsbehörde Hessen Mobil einziehen.

Behördenzentrum Schiersteiner Berg: Die Gebäude werden unter dem Namen "Seven Gardens" weiterentwickelt.

Den zweiten Bauabschnitt soll das marode Finanzamt bilden. Anstelle des Betonhochhauses sollen das "Ginko House" und das "Pine House" entstehen. Voraussetzung ist eine Änderung des gültigen Bebauungsplans. "Daran arbeiten wir in Abstimmung mit den zuständigen Behörden. Erst im Anschluss können wir eine Baugenehmigung erwirken", so eine OFB-Sprecherin.

Doch auch wer und was in die neuen Gebäude rein soll, ist noch offen. "Wir möchten so schnell wie möglich mit den Rückbauarbeiten für die Bestandsgebäude und den Bauarbeiten für den zweiten Bauabschnitt starten", so die Sprecherin. Der Projektentwickler stehe mit dem LBIH "im regelmäßigen Austausch über die weitere Nutzung des Areals".

Wie so oft bei Bauprojekten scheint sich auch hier die Umsetzung zu verzögern. Vergangenen Sommer erklärte der damalige OFB-Chef Klaus Kirchberger laut Immobilien Zeitung, dass sich die voraussichtliche Fertigstellung der Neubauten von 2028 auf 2030 verschieben würde. Der Bebauungsplan sollte den damaligen Angaben zufolge bereits Ende 2022 vorliegen.

Mit Mehrkosten ist zu rechnen

Für das Land Hessen tickt also die Uhr. Jedes Jahr, um das sich die Baumaßnahmen im zweiten Abschnitt verzögern, kostet 3,4 Millionen Euro. Eine Mietreduktion ist während des Leerstandes nicht vorgesehen. Würde der Abriss des Hochhauses etwa erst 2030 beginnen, kämen auf das Land Mehrkosten in Höhe von 27 Millionen Euro zu.

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