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Finanzminister Boddenberg weist Kritik wegen Immobiliengeschäften zurück

Finanzminister Michael Boddenberg (CDU)

Dreieinhalb Millionen Euro jährlich für das leer stehende ehemalige Wiesbadener Finanzamt: Die Kosten für einst verkaufte und dann zurück gemietete Behördengebäude empören die Opposition im Landtag. Finanzminister Michael Boddenberg wehrt sich - auch gegen Deutungen, er bereue die Deals von einst.

Wenn Steuerzahler die Zeche für politische Fehler zahlen müssen, die vor langer Zeit gemacht wurden, bleibt einem aktuell Verantwortlichen oft ein einfacher Ausweg: der Hinweis, dass es ihm die damalige Regierung eingebrockt hat.

Im Streit um einst im großen Stil für gut zwei Milliarden Euro verkaufte und zurückgemietete Gebäude ist das für Hessens Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) nicht so einfach. Seit 24 Jahren regiert die Union und stellt den Finanzminister.

55 Gebäude privatisiert

Aber Boddenberg musste sich am Dienstag im Haushaltsausschuss des Landtags mit der Opposition nicht nur darüber auseinandersetzen, ob das mit den sogenannten "Leo"-Immobilien ein sündhaft teurer Fehler der damals CDU-geführten Regierung war. Und zwar einer, den das Land noch immer nicht zu beheben weiß.

Strittig war plötzlich sogar, ob Boddenberg nun vor dem Ausschuss nicht selbst zugegeben hat, das "Leo"-Ding sei schiefgelaufen.

Es geht um die Privatisierungen von 55 Gebäuden für Ministerien, Gerichte, Polizeidienststellen oder Finanzämter. Immerhin 40 Prozent der hessischen Behörden sind dort untergebracht.

Die Liegenschaften waren dem damaligen wirtschaftsliberalen Trend folgend privatisiert worden, um mit dem Erlös den Etat zu sanieren. Das galt als clever. "Leo" wurde das Projekt damals in Anspielung auf den Hessenlöwen genannt.

Ja, aber ...

Linken-Fraktionschef Jan Schalauske wähnte sich am Dienstag Zeuge des historischen Augenblicks, in dem "zum ersten Mal ein hessischer Finanzminister eingestanden hat, dass es ein Fehler war". Eine Interpretation, die der Minister sofort als "grobe Missdeutung" kassierte.

"Ja, ich habe das damals anders eingeschätzt", hatte Boddenberg zuvor wörtlich gesagt. Seit 2020 ist er Finanzminister, seit 1999 im Landtag.

Aber er fügte eben hinzu, dass er je nach Einzelfall Partnerschaften zwischen Staat und Privatwirtschaft immer noch für klug halte. Viele der mit dem Verkauf abgeschlossen Mietverträge haben 30 Jahre Laufzeit, erst gut die Hälfte der Dauer ist vorbei.

Erlöse und vereinbarte Mieten waren dieser Lesart zufolge seinerzeit angemessen. Und seit dem Abschluss der Deals habe sich viel getan, was nicht vorhersehbar gewesen sei: energetische Vorschriften, Marktentwicklung, Digitalisierung und Homeoffice-Trend zum Beispiel.

Millionenmiete für fast leerstehendes Ex-Finanzamt

"Das war kein Fehler! Das kommt immer mal wieder vor" - so bewertete Boddenberg auch den aktuellen "Leo"-Fall, über den hessenschau.de berichtete:

Das alte Finanzamt in Wiesbaden, ein 14-stöckiges Hochhaus, steht seit vergangenem Herbst fast leer. Hessen muss aber weiter 3,5 Millionen Euro Jahresmiete zahlen - und noch einmal genauso viel für das neue Gebäude, in dem rund 700 Finanzbeamtinnen und -beamte arbeiten.

FDP findet sich in Absurdistan wieder

Für Vertreter der Opposition nicht der erste Beleg, wie unsinnig das vom damaligen Regierungschef Roland Koch (CDU) vorangetriebene Handeln war. Zumal das Land als Mieter häufig auch noch die Sanierungen zahle.

"Das ist ja Absurdistan", sagte die FDP-Abgeordnete Marion Schardt-Sauer dazu, dass das Ministerium die seit langem geforderte Bilanz auch jetzt nicht vorgelegt habe: Was hat "Leo" unterm Strich bislang gekostet, sind die Mietverträge gut, was sollte Hessen weitermieten, was zurückkaufen?

SPD: Ausverkauf von Landesimmobilien immer teurer

Dass auch ihre Partei einst mit Zustimmung im Landtag dazu beitrug, dass die CDU-Regierung "auf Teufel komm raus" privatisieren konnte, räumte die Liberale ein. Jetzt aber laute das Problem: "Das Portfolio der Problemimmobilien wird immer größer."

Dazu, dass der "Ausverkauf von Landesimmobilien" immer teurer werde, trägt laut Marius Weiß (SPD) außer der riskanten Gewinn-Kalkulation beim Verkauf bei, dass mit Eigentümern wie den großen Immobilieninvestoren Patrizia oder Perial häufig vor Gericht gestritten werde: Wer zahlt die Sanierungen?

Schuld seien "schlechte oder unklare Verträge". Hintergrund: Es gibt in Leo-Verträgen eine sogenannte "Dach- und Fach"-Klausel. Vermieter legen sie so aus, dass sie für die Hülle zuständig sind und das Land als Mieter alle Innensanierungen zahlen muss.

Im Fall des Behördenzentrums in Fulda muss die Justiz in einem laufenden Verfahren so einen Streit entscheiden. Die Sanierungskosten waren auf gut 10 Millionen Euro veranschlagt worden.

Etwas Leerstand ist immer

Assistiert von Mitarbeitern seines Ministeriums wies Boddenberg die grundsätzliche Kritik am "Leo"-Modell zurück: Juristische Auseinandersetzungen gebe es immer wieder einmal, Leerstände wie Wiesbaden auch. Bei den Liegenschaften des Landes gehe es da aber seit Jahren gerade einmal um einen Anteil von ein bis zwei Prozent. Die Geschäfte seien auch im Gesamtpaket zu sehen.

Und eine Strategie habe man doch. Denn das Finanzministerium hatte dem Ausschuss einen 28-seitigen Bericht vorgelegt. In einem Scoring -Modell werden 53 "Leo"-Immobilien hinsichtlich Bausubstanz und Attraktivität in drei Qualitätsstufen eingeordnet: von Stufe 1 (sehr gut oder gut) wie das Finanzamt Korbach über Stufe 2 (mit Mängeln) wie das Behördenzentrum in Frankfurt bis Stufe 3 (deutliche Mängel) wie das Polizeipräsidium Mittelhessen.

Nach Ansicht Boddenbergs ist das sehr wohl eine Grundlage, um fundiert über den zukünftigen Umgang mit "Leo"-Immobilien zu entscheiden. Neben der Wirtschaftlichkeit spielten aber auch politische Erwägungen eine Rolle: wenn es etwa um Arbeitsplätze auf dem Land gehe.

Subtilitäten der Fehlerkultur

Einen "geeigneten Ansatz" sehen auch die Grünen als Koalitionspartner der CDU in dem Scoring-Modell. Jedenfalls sollten keine voreiligen Entscheidungen fallen, sagte ihr Abgeordneter Frank Kaufmann.

Was die Bereitschaft Boddenbergs angeht, Fehler zuzugeben, leistete der Grüne dem CDU-Minister selbst und der Opposition Interpretationshilfe. In einer Formulierung des Ministeriums werde das "Leo"-Konzept schließlich als "ergänzungsbedürftig“ bezeichnet.  Für Kaufmann ein nicht eben subtiles Geständnis: "Es war also ein Fehler. Das versteht jeder verständige Leser." 15 "Leo"-Geschäfte seien zugegebenermaßen sogar "völlig falsch".

Die Grünen tun sich mit der Sache leichter: Sie waren seinerzeit noch in der Opposition und hatten wie die SPD empört gegen die Privatisierung protestiert. Die AfD war noch nicht im Parlament. Ihr Abgeordneter Bernd Erich Vohl befand: Noch seien "leider viele Fragen offen". Aber sinngemäß habe Boddenberg nun sehr wohl zugegeben, dass der Immobilien-Verkauf falsch war.

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