Lässt Becker Posten als Antisemitismusbeauftragter ruhen? Heftiger Streit um designierten Rechnungshof-Präsidenten im Landtag

Normaler Vorgang oder "Lex Becker"? Dass die Landesregierung ihren CDU-Finanzstaatssekretär zum Präsidenten des Rechnungshofs machen will, hat nun auch im Landtag eine scharfe Auseinandersetzung entfacht.

Der Frankfurter Politiker Uwe Becker vor einem blauen Hintergrund
Uwe Becker, OB-Kandidat der Frankfurter CDU Bild © picture-alliance/dpa

Am Mittwoch soll Noch-Finanzstaatssekretär Uwe Becker im Landtag zum neuen Präsidenten des Landesrechnungshofs gewählt werden. Am Vorabend sorgte der seit Wochen umstrittene Wechsel des CDU-Politikers und Regierungsmitglieds an die Spitze der Kontrollbehörde im Parlament für eine scharfe Auseinandersetzung zwischen Koalition und Opposition.

Anlass war eine erst vor einer Woche eingebrachte Initiative der schwarz-roten Landesregierung. Sie will das Gesetz über den Rechnungshof rasch ändern, damit Becker auch als dessen Präsident Antisemitismusbeauftragter des Landes bleiben kann. Bislang sind Mitgliedern der Behörde zur Wahrung ihrer Unabhängigkeit jegliche Nebentätigkeiten untersagt.

Die Kritiker sehen die Frage nach der Befangenheit Beckers wegen seiner Regierungsnähe damit weder rechtlich noch politisch gelöst. "Gehen Sie nicht mit dem Kopf durch die Wand. Verschieben Sie die Wahl“, forderte Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner. Für die Bitte, Becker und den beiden Ämtern keinen "Bärendienst" zu erweisen, erntete er eine höchst aufgebrachte Reaktion des CDU-Abgeordneten Ingo Schon.

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CDU gibt sich "fassungslos"

"Es war kein Hauruckverfahren, es gibt keine Unklarheiten", wies Schon Argumente der Gegner in der Debatte zurück. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion griff die Grünen auch moralisch an: Es macht ihn demnach fassungslos, wie der frühere Koalitionspartner der CDU mit Menschen umgehe.

Die Wahl Beckers, von der Landesregierung vergangenen Freitag formell beschlossen, ist laut Schon "eine völlig normale Sache". Auch in anderen Bundesländern habe es solche Wechsel aus der Regierung zum Rechnungshof schon gegeben.

Der CDU-Politiker räumte jedoch ein: Die Kombination aus den Ämtern Rechnungshof-Chef und Antisemitismusbeauftragter sei bislang nicht möglich. Deshalb komme nun das Gesetz. Grünen-Politiker Wagner hatte unter anderem angeführt: Die geplante Gesetzesänderung zeige, dass die Wahl nach aktuellem Stand eben nicht rechtmäßig sei. Als erste Kritik an der geplanten Neuregelung laut wurde, hatte CDU-Finanzminister Alexander Lorz laut Teilnehmern im Parlamentsausschuss gesagt, es gehe lediglich um eine Klarstellung.

Vorübergehend kein Antisemitismusbeauftragter?

Schon machte jetzt klar: Bis die von der Opposition "Lex Becker" genannte Änderung in Kraft tritt, wird Hessen offenbar vorübergehend keinen aktiven Antisemitismusbeauftragten haben. "Wir werden morgen Herrn Becker wählen, und nach meiner Kenntnis wird er das Amt auch ruhen lassen."

Die Debatte am Dienstagabend war nur der erste Durchgang im Landtag. Mindestens einer folgt noch, frühestens dann kann abgestimmt werden. Aber bereits am Donnerstag soll Becker sein Amt als Rechnungshof-Chef antreten. Eine hr-Anfrage, ob der 55-Jährige danach sein Amt als Antisemitismusbeauftragter bis zur Gesetzesänderung ausüben darf und wird, ließ die Landesregierung unbeantwortet.

Vorbehalte gegen die Wahl Beckers wertete der CDU-Abgeordnete Schon als "schräges Signal" an jüdische Gemeinden und Verbände. Mit der Erfahrung eines früheren Kämmerers von Frankfurts und des Finanzstaatssekretärs bringe er alles mit, was er für den neuen Posten brauche. Und er sei integer. "Sie alle schätzen Uwe Becker. Dann wählen sie ihn zum Präsidenten dieses wichtigen Organs", hielt Schon den Kritikern vor.

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Was macht der Landesrechnungshof?

Der hessische Landesrechnungshof in Darmstadt ist ein unabhängiges Organ und soll die Finanzen des Landes Hessen kontrollieren. Er prüft zum Beispiel, ob die Landesregierung öffentliche Mittel sinnvoll und sparsam eingesetzt. Der Landesrechnungshof prüft aber nicht nur die Arbeit der Regierung, sondern aller Behörden und Einrichtungen des Landes. Die Prüfungsergebnisse werden regelmäßig in Berichten veröffentlicht.

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Koalitionspartner räumt anfängliche Bedenken ein

Alexander Hofmann vom Koalitionspartner SPD lobte die Gesetzesänderung, weil sie "Klarheit und Transparenz" schaffe. Um eine "Lex Becker" gehe es nicht. Die von der Regierung gewünschte Personalunion von Präsident und Beauftragtem erhalte lediglich eine Rechtsgrundlage. Geändert werde ein Gesetz, kein Naturgesetz.

Der SPD-Politiker gab aber zu, dass er und seine Fraktion anfangs ebenfalls Bedenken wegen des Haupteinwands der Opposition hatten: Becker soll Chef der Behörde werden, die auch das Finanzgebaren der Regierung kontrollieren soll, der er aktuell als rechte Hand des Finanzministers noch angehört.

Es gebe aber klare Regeln, dass sich Becker aus Prüfungen heraushalten müsse, die seine Regierungsarbeit beträfen. Der Vorschlag der FDP, eine Karenzzeit von 18 Monaten für eine solchen Wechsel einzuführen, löse das Befangenheitsproblem nicht. Auch dann könne der Rechnungshof mit Fragen aus Beckers Zeit in der Regierung zu tun bekommen.

Schiri im falschen Raum?

Für die Einführung der Karenzzeit plädierte FDP-Fraktionschef Stefan Naas. Seine Fraktion legte eine entsprechenden Gesetzentwurf vor, wonach zwischen Regierungsamt und Ernennung zum Präsidenten des Rechnungshofs eineinhalb Jahre Pause liegen müssten. "Es geht nicht, dass der Schiedsrichter direkt aus der Mannschaftskabine kommt", sagte er. Sonst stehe die Frage im Raum: "Gibt es da Dankbarkeiten?"

Wie alle Kritiker betonte auch Naas: Er schätze Becker persönlich sehr. Aber er fügte hinzu: "Das Ansehen des Rechnungshofs ist wichtig. Er muss unabhängig sein und auch erscheinen."

Zustimmung für Becker bei der Abstimmung am Donnerstag ist auch von der AfD nicht zu erwarten. Auch ihr Abgeordneter Patrick Schenk wollte dem CDU-Staatssekretär die Qualifikation auf keinen Fall absprechen. Die Nominierung widerspreche aber dem fundamentalen Prinzip der Gewaltenteilung. Das Vorgehen der Regierung beschädigt laut Schenk "das Vertrauen in die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit" einer die Landesregierung kontrollierenden Behörde.

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Redaktion: Wolfgang Türk

Sendung: hr-iNFO,

Quelle: hessenschau.de