Regierungserklärung zu Investitionen des Landes Hessen kommt wieder ins Lot - verspricht der Ministerpräsident
In einer Regierungserklärung hat Ministerpräsident Rhein eine Investitionsoffensive angekündigt, die das Land umfassend modernisieren soll. Zweimal wurde es dabei besonders laut.
Als Boris Rhein am Dienstagnachmittag seine Rede über Gegenwart und Zukunft des Landes Hessen beendete, stärkten die Abgeordneten der Union dem Chef der schwarz-roten Landesregierung demonstrativ mit langem, rhythmischem Klatschen den Rücken. Es war nicht das erste Mal, dass sich der Geräuschpegel im Plenarsaal wegen der Regierungserklärung deutlich hob.
Vorher kam das daher, dass die Gegner des CDU-Ministerpräsidenten kurz annehmen konnten, sie hätten ihn dabei ertappt, wie er versehentlich eine Wählertäuschung gestand. Es ging um die Schuldenbremsen-Wende seiner Partei.
"Wenn wir das vor der Wahl gesagt hätten …" - so begann Rhein einen Satz über das Sondervermögen genannte XXL-Kreditprogramm des Bundes. Es soll Hessen in den kommenden Jahren 7,5 Milliarden Euro für Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz bringen.
Hellhörig wurde die Opposition, weil für dieses Sondervermögen auf Drängen der CDU die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse gelockert worden war. Das fanden die Union und ihr Bundeschef Friedrich Merz aber erst unvermeidlich, als sie die Bundestagswahl gewonnen hatten. Zuvor hatten sie und mit ihnen auch Rhein diese Schuldenbremse als unverzichtbare Garantie für finanzpolitischer Solidität bis zum Wahltag am 23. Februar mehr oder weniger eisern öffentlich verteidigt.
Wie Rhein den Satz zu Ende brachte
Nachdem sich seine Kritiker im Landtag beruhigt hatten, vervollständigte der Ministerpräsident den Satz allerdings so: Hätte die CDU sich schon vor der Wahl zum Schuldenmachen bekannt, so behauptete er, wäre sie "heute nahe der absoluten Mehrheit".
Seinen Sinneswandel über die Kreditaufnahme im großen Stil verteidigte Rhein als "vernunftgeleitet". Die weltpolitische Lage habe sich eben grundlegend geändert.
Angesichts der vielen Krisen der Gegenwart und der angespannten Haushaltslage von Ländern und Kommunen sei "die Zeit der Komfortzonen" vorbei, sagte Rhein: "Jetzt ist es Zeit anzupacken."
Genau das tue die schwarz-rote Landesregierung seit ihrem Amtsantritt vor eineinhalb Jahren, sagte Rhein. Unter anderem nannte er das Hessenfonds-Kreditprogramm für Unternehmen und geplante gesetzliche Erleichterungen in der Bauordnung.
"Zukunftspakt" mit Kommunen angestrebt
Der Regierungschef versprach: Das schuldenfinanzierte Geld werde schnell und klug eingesetzt, damit Hessen und Deutschland stärker aus der Krise herauskämen, als sie hineingeraten seien. Die Stärken von Hessen sollten ausgebaut werden, betonte Rhein. Er nannte die Luft- und Raumfahrt, die Innere Sicherheit, Künstliche Intelligenz, Kernfusion, Pharma und Chemie.
Außerdem kündigte der CDU-Politiker einen sogenannten Zukunftspakt mit den Kommunen an. Mit den Spitzenverbänden von Kreisen, Städten und Gemeinden will sich die schwarz-rote Landesregierung demzufolge nach der Sommerpause treffen. Ziel sei "eine Vereinbarung für sehr konkrete Vorhaben". Das soll die Handlungsfähigkeit der finanziell oft eingeschränkten Kommunen stärken.
Bund-Länder-Einigung "sensationell"
Die am Dienstag bekannt gewordene Einigung von Bund und Ländern, den Kommunen die erwarteten Steuermindereinnahmen aufgrund des geplanten Investitionsprogramms für die deutsche Wirtschaft zu kompensieren, lobte Rhein. Seiner Meinung nach ist es "sensationell", dass der Bund die Steuerausfälle vollständig ausgleichen wolle.
Ein wichtiger Bestandteil dieses Zukunftspakts soll nach Rheins Vorstellung die Entbürokratisierung sein. "Wir brauchen mehr Schnelligkeit, gerade auch im staatlichen Handeln", sagte der CDU-Politiker.
Grüne: Warnung vor "Babbel-Boris"
So viel sie ansonsten grundsätzlich trennt: In einem allgemeinen Befund über Rheins Rede stimmten die Fraktionschefs der Opposition überein. Ob von AfD, Grünen oder FDP,: Sie alle warfen dem Regierungschef Substanzlosigkeit vor.
Mathias Wagner von den Grünen warnte Rhein spöttisch davor, zum "Babbel-Boris" zu werden. Er habe die vorgesehene 15-minütige Redezeit zwar verdoppelt und selbst Ex-US-Präsident Barack Obama erwähnt. Aber: "Sie haben unglaublich wenig gesagt."
Die Einigung von Bund und Ländern zum "Investitionsbooster" zugunsten der Kommunen ändere an deren prekärer Lage nichts. Diese werde dadurch nur nicht noch schlechter. Wagner war es auch zu vage, dass Rhein angekündigt hatte, "mehr als die Hälfte" des Investitionspakets solle den Kommunen zugute kommen. Der Grüne legte sich fest: Die Kommunen sollten 80 Prozent des Geldes bekommen.
AfD: "Der Rotstift muss her"
An Loriots Parodie einer Abgeordnetenrede fühlte sich AfD-Fraktionschef Robert Lambrou durch Rheins Vortrag erinnert. Wesentliches habe er nicht gesagt. Und eines habe komplett gefehlt: der Mut zu Reformen und dazu, sich endlich der Ausgabenseite des Landesetats zuzuwenden. "Der Rotstift muss her", sagte Lambrou.
Als Beispiele nannte er Kosten für die Flüchtlingshilfe, die "zuverlässig über der Milliardengrenze" lägen. Auch den steigenden Personalausgaben des Landes biete Rhein nicht Einhalt.
Als einen Grund machte der AfD-Politiker die mitregierende SPD aus: Sie sei der falsche Koalitionspartner. Aber für alle Parteien außer seiner eigenen gilt laut Lambrou: "Sie haben den Gong der Wirklichkeit noch nicht gehört."
FDP: Ministerpräsident bleibt "nebulös"
Mit einem doppelten Lob begann FDP-Co-Fraktionschef Stefan Naas seine Replik auf die Regierungserklärung. Ihm habe imponiert, dass Rhein beim Hessentag-Festumzug so lange in der prallen Sonne ausgehalten habe. Auch mit der Einschätzung der internationalen Lage ging der Liberale d'accord. An Rheins Landespolitik ließ der Liberale dann kein gutes Haar.
"Sie sind ja ein Fan neuer Schulden", rief Naas ihm zu. Der Ministerpräsident gebe sich "staatstragend, aber sobald es um Hessen geht, bleibt er nebulös". Auch Naas ließ das Wort Rotstift fallen, den er ebenfalls vermisse.
"Wo bleiben die Strukturreformen?", fragte er in Richtung Rhein. Die zu Beginn der Legislaturperiode versprochene "Renaissance der Realpolitik" sei jedenfalls ausgefallen, findet Naas.
SPD: "Nicht aus der Krise heraussparen"
Rückendeckung erhielt Rhein von seiner Parteifreundin und CDU-Fraktionschefin Ines Claus sowie vom Koalitionspartner SPD. Deren Fraktionsvorsitzender Tobias Eckert befand: Das schwarz-rote Bündnis habe unter erschwerten Bedingungen und bei angespannten öffentlichen Haushalten bereits wichtige Weichen gestellt.
"Wir können uns nicht aus der Krise heraussparen - diese Überzeugung eint uns und unseren Koalitionspartner auf Bundes- und Landesebene", sagte Eckert zur Debatte um Schuldenbremse und Sondervermögen. Da Geld allein nicht alle Probleme löse, brauche es mehr Flexibilität. Das gelte gerade für die Kommunen, deren Spielräume die Landesregierung wieder vergrößern wolle.