Susanne Simmler, Vize-Landrätin des Main-Kinzig-Kreises, und ihr Anwalt im Landtag

Neue Empörung im Landtag über den Main-Kinzig-Kreis: Der Untersuchungsausschuss zum Hanau-Attentat hatte dessen Waffenbehörde bereits kritisiert. Jetzt wurde ein heikler Chat der Vize-Landrätin kurz vor ihrer Befragung als Zeugin bekannt.

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Nachspiel im Hanau-Untersuchungsausschuss?

Eine Akte mit der Aufschrift «Hanau-Untersuchungsausschuss» liegt auf einem Tisch im Plenum des Landtags. (dpa)
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Es war keine angenehme Lage, in der sich Susanne Simmler Anfang der Woche im Plenarsaal des hessischen Landtags in Wiesbaden befand. Die SPD-Kommunalpolitikerin, Vize-Landrätin und Ordnungsdezerntin des Main-Kinzig-Kreises, musste sich höchst kritischen Fragen des Hanau-Untersuchungsausschusses stellen.

Die 46-Jährige und zwei ihrer Mitarbeiter in der Waffenbehörde hatten Rechenschaft über den Umgang mit Tobias R. abzulegen, der legal Waffen besitzen durfte. Mit ihnen erschoss der psychisch kranke Rechtsextremist im Februar 2020 neun Menschen mit Migrationshintergrund, dann seine Mutter und sich selbst.

Ausschussmitglieder empört

Die Fraktionen kamen, was selten ist, übereinstimmend zum Befund: Auch wenn Ermittlungen gegen Mitarbeiter eingestellt wurden, habe die Waffenbehörde schlampig gearbeitet.

Nun droht der Zeugin Simmler nachträglich weiterer Ärger. Ausschussmitglieder sind empört, weil sie sich vor ihrem Auftritt offenbar minutiös aus der laufenden Befragung ihrer Mitarbeiter per Messenger-Chat berichten ließ. Entsprechende Belege liegen dem hr vor.

Ex-Justizminister: "Können uns das nicht gefallen lassen"

Jörg-Uwe Hahn, früherer Justizminister, zeigte sich verärgert und nannte das Verhalten unstatthaft. Hahn fordert Konsequenzen gegen Simmler: "Wir dürfen uns das nicht gefallen lassen", sagte der FDP-Politiker dem hr. Er will, dass Simmler noch einmal vor den Ausschuss geladen wird, um klar zu machen: "Wie glaubwürdig war ihre Aussage? War sie nur abgesprochen?"

Denn Vize-Landrätin Simmler hatte, wie die Frankfurter Rundschau zuerst berichtete, einen Mitarbeiter der Kreisverwaltung auf der Besuchertribüne des Landtags platziert. Das ist völlig legal. Allerdings berichtete der Mann der draußen auf ihre Vernehmung wartenden Chefin und ihrem Anwalt live im Chat. Eine Art Vorwarnung: Welcher Abgeordnete was fragte - und auch wie geantwortet wurde.

In dem Chat kommentierte und fragte die Zeugin im Wartestand zurück. Auch mal unkonventionell: "Hä? Ich hab doch NIE was zum HSGO gesagt", hieß es einmal, als es drinnen offenbar ums Hessische Sicherheits- und Ordnungsgesetz ging.

Protokoll ja, Liveticker für Zeugen nein

Eine solche Informationspolitik aus dem Ausschuss ist nach Meinung von Experten ebenso unstatthaft wie ein Liveticker. "Wenn ich es bemerkt hätte, dann hätte ich es auch unterbunden", sagte der Ausschussvorsitzende Marius Weiß (SPD). Eine Kontrolle sei bei der Fülle an mitschreibenden Besuchern aber nicht möglich.

Denn Protokolle zu schreiben, ist im Ausschuss "nicht nur üblich, sondern auch zulässig", wie Weiß feststellte. Er hatte allerdings zu Beginn der fraglichen Sitzung wie immer ausdrücklich die Besucher darauf hingewiesen, dass nicht live und laufend nach draußen berichtet werden dürfe. Zeugenaussagen sollen nicht abgestimmt und wartende Zeugen nicht beeinflusst oder gewarnt werden.

Dass deshalb die draußen wartende Simmler wie auch Zeugen vor Gericht nicht von dem Geschehen im Saal hätte erfahren sollen, ist auch dem Untersuchungsauschussgesetz des Landes zu entnehmen. "Zeuginnen und Zeugen sind einzeln und in Abwesenheit der später zu hörenden Zeuginnen und Zeugen zu vernehmen", heißt es in Paragraf 21 ausdrücklich.

Main-Kinzig-Kreis: zulässig und geschützt

Es gehe hier um den "Inhalt rechtlich zulässiger interner oder privater Kommunikation", antwortete die Pressestelle des Main-Kinzig-Kreises auf Anfrage - zusammen mit einem drohenden Hinweis: Die Verwendung der fraglichen Daten, also des Chats, sei ohne die Einwilligung der Betroffenen datenschutz- und strafrechtlich problematisch.

Obleute der Fraktionen sehen im Chat selbst das Problem. Wenn die Berichte zuträfen, belege das ein "Staatsverständnis, das unerträglich ist", urteilte Michael Müller (CDU). Das sei eine völlige Missachtung von Parlament und Ausschuss.

Saadet Sönmez von der Linken hat sogar den Verdacht: "Wenn sie die Notwendigkeit verspüren, sich so auszurüsten, dann scheint da mehr im Argen zu liegen. Das wirft Fragezeichen auf."

CDU findet es auch "regelrecht blöd"

Mit Verärgerung alleine will der FDP-Politiker Jörg-Uwe Hahn nicht reagieren. Neben der neuen Vorladung der Vize-Landrätin wünscht er, dass der Ausschussvorsitzende prüft, ein Ordnungsgeld gegen sie zu verhängen.

Dem fehlen allerdings die Belege für den Chat, wie er sagte. Außerdem kann Marius Weiß auch weder praktische Folgen für den Ausschuss noch einen praktischen Nutzen für die Zeugin Simmler erkennen. Bei den Fragen an sie sei es - anders als bei ihren Mitarbeitern - ja um den "politischen Hintergrund und ihre Führungsverantwortung" gegangenen.

Kein Ausschuss frage die Vorgesetzten dasselbe wie seine Mitarbeiter, sagte auch CDU-Obmann Müller. Die Chat-Aktion findet er deshalb nicht nur unerträglich, sondern auch "regelrecht blöd".

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