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Landtagsfraktionen streiten über Zulagen für Präsidentin und Fraktionschefs

Plenarsitzung im Landtag

Es sollte ein "Demokratiepaket" werden, jetzt ist es ein Streit um höhere Zulagen für die Präsidentin und die Fraktionschefs im Landtag. Mit einem lauten Knall wechseln die Grünen dabei schon mal in die Rolle der Opposition gegen CDU und SPD.

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Koalitionsverhandlungen – CDU und SPD zeigen sich zuversichtlich

hs 30.11.2023
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Der neu gewählte hessische Landtag tritt erst am 18. Januar des neuen Jahres zusammen. Vorher wollten die vier Fraktionen CDU, SPD, Grüne und FDP noch rasch ein "Demokratiepaket“ verabschieden. Das Unternehmen zielte über Änderungen der Geschäftsordnung und des Abgeordnetengesetzes nicht zuletzt auf neue Regeln der Zusammenarbeit im Parlament.

Zentrale Punkte sind als Vorsichtsmaßnahmen gegen die AfD gedacht, die bei der Landtagswahl zur zweitstärksten Kraft wurde. Es geht zum Beispiel um Ordnungsgelder, zu denen Abgeordnete bei schlechtem Verhalten verdonnert werden können.

Aus dieser überparteilich angelegten Kooperation ist ein erbitterter Streit geworden, der die künftig geänderten Machtverhältnisse widerspiegelt. Ohne Beispiel ist dabei, wie die bis zur Wahl im Oktober für geräuschloses Regieren bekannten Noch-Partner CDU und Grüne am Donnerstag öffentlich aufeinander losgingen.

Verdächtige Eile

Denn die Grünen, die CDU-Ministerpräsident Boris Rhein gegen die SPD als Juniorpartner austauschen will, werden nicht weiter am Schnüren des Pakets mitwirken. Begründung: Die drei anderen Parteien hätten bei der Gelegenheit plötzlich sehr konkrete Pläne verfolgt, nebenbei die Bezahlung der Landtagspräsidentin und der Fraktionsvorsitzenden zu erhöhen: üppig und in verdächtiger Eile.

Vom "faktischen Koalitionsbruch" war bei den Grünen die Rede. Die CDU habe die Gespräche über den Pakt samt einer möglichen Erhöhung der Zulagen für die Spitzenpolitiker am Ende sogar ohne den bisherigen Bündnispartner führen wollen.

Einen doppelten Bruch warf Unions-Fraktionschefin Ines Claus ihrerseits den Grünen vor: Sie hätten sich vom "Konsens der Vertraulichkeit und des demokratischen Anstands" verabschiedet, indem sie Inhalte aus Gesprächen öffentlich thematisierten, die aus berechtigtem Grund hinter verschlossenen Türen besprochen wurden.

Wie konkret war es?

Dass es in diesen Gesprächen auch um eine Erhöhung der Zulagen ging, bestritten in einer eilends anberaumten gemeinsamen Pressekonferenz weder Claus noch ihre Amtskollegen Günter Rudolph (SPD) und René Rock (FDP). Und auch nicht Landtagspräsidentin Astrid Wallmann (CDU), die per Videoschalte dabei war.

Aber die Fraktionsvorsitzenden warfen den Grünen vor, die gebotene Vertraulichkeit der bisherigen Gespräche nicht gewahrt zu haben. Schließlich habe anderes im Mittelpunkt gestanden und es noch gar keinen abgestimmten Vorschlag gegeben.

Die Überlegungen, wie hoch die Gehaltsverbesserungen in einem noch dieses Jahr veränderten Abgeordnetengesetz ausfallen könnten, waren aber offenbar sehr konkret.

Rund 2.000 Euro mehr im Monat

Die Landtagspräsidentin und die Fraktionsvorsitzenden erhalten derzeit zu ihrer Abgeordnetendiät von jeweils 8.785 Euro einen Amtszuschlag von 50 Prozent. Geredet wurde nun über einen möglicherweise höheren Zuschlag von 75 Prozent. Dann würden die Nutznießer statt der bisher insgesamt gut 13.000 Euro zukünftig mehr als 15.000 Euro bekommen.

Anders als bisher, so eine weitere Überlegung, könnten die erhöhten Zuschläge auch später in die Berechnung der Ruhegelder einfließen. Ein nach Meinung der Grünen zumindest bedenkliches Privileg gegenüber anderen Abgeordneten ohne Zuschläge - und auch gegenüber Landesbeamten, deren Zulagen nicht angerechnet werden.

Grüne: Sind das die drängenden Probleme?

Mit Blick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen warf Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner CDU und SPD deshalb Doppelmoral vor. "Das Versprechen der neuen Koalitionäre war, dass sie sich um die drängenden Probleme im Land kümmern. Dass das drängendste Problem im Land gerade die Zulagen für Abgeordnete sind, können wir nicht erkennen" – so lautete sein Kommentar.

Beim Demokratiepaket wollen die Grünen mitmachen, aber nicht bei einer Erhöhung der Zulagen "ganz schnell vor Weihnachten". Sie fordern eine Landtagsanhörung und eine vertiefende Beratung.

Ursprünglich sollte der Landtag am kommenden Dienstag zum letzten Mal zusammenkommen. Das "Demokratiepaket" stand bislang nicht auf der Tagesordnung.

Um es ohne die Grünen im geplanten Umfang über die Bühne zu bringen, wären bis zu zwei weitere Sitzungstage nötig. Ob nun auch noch am 12. und 14. Dezember Plenarsitzungen angesetzt werden, soll laut Landtagsverwaltung erst Anfang kommender Woche entschieden werden.

Entsetzen beim SPD-Fraktionschef

Sichtlich angefasst hielten die Spitzen der anderen Fraktionen angesichts der Grünen-Kritik dagegen. Er sei "einigermaßen entsetzt", sagte SPD-Fraktionschef Rudolph. Das Verhalten der Grünen sei ein Vertrauensbruch, zumal noch nichts fertig abgestimmt gewesen sei.

CDU-Politikerin Claus betonte, eine mögliche Neuregelung der Zulagen sei nur ein Teil des "Demokratiepakets". Man habe den Grünen zudem am Ende angeboten, dies auszuklammern. Auslöser der Überlegungen war demnach auch eine Mahnung des Landesrechnungshofs, die Bezüge der Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen transparenter zu machen.

Das habe zu Plänen geführt, die Zulagen gesetzlich zu verankern, sagte Claus. Was die Parlamentarischen Geschäftsführer über ihre Diäten hinaus erhalten, wird derzeit direkt von den Fraktionen bezahlt. Das wird in sehr unterschiedlicher Höhe gehandhabt.

FDP sieht "schlechte Verlierer"

"Schlechte Verlierer" seien die Grünen, befand der FDP-Fraktionsvorsitzende Rock. Es sei ein ganz normaler Vorgang, dass sich die Fraktionsvorsitzenden am Ende einer Wahlperiode über solche Fragen ins Benehmen setzten.

So stellte es auch Landtagspräsidentin Wallmann dar. Die CDU-Politikerin verwies darauf, dass die Zulagen für Mitglieder des Landtagspräsidiums in anderen Bundesländern prozentual teils deutlich höher seien als in Hessen. Als Präsidentin habe sie heutzutage auch ein "größeres Aufgabenspektrum". Zudem sollte ihrer Meinung nach das Gehalt von Verantwortlichen im Parlament in Hessen nicht weiter so viel niedriger als das von Regierungsmitgliedern sein.

"Entschädigungs-Verdacht" empört zurückgewiesen

Auf die Frage, wann die Erhöhung der Zuzahlungen Thema wurde, war keine konkrete Antwort zu erhalten. Hintergrund: Bei den derzeit laufenden Gesprächen zwischen CDU und SPD über eine künftige Koalition geht es auch um Ämter. Spitzen der künftigen Regierungskoalition könnten auf besser bezahlte Ministerposten wechseln - oder eben nicht.

Dass Abgeordnete, die im neuen Kabinett nicht zum Zug kommen, über höhere Zulagen gewissermaßen entschädigt werden sollen - ein solcher Verdacht wird von CDU und SPD empört bestritten. Aus Kreisen der SPD hieß es aber gleichzeitig, es sei kaum vorstellbar, dass erhöhte Zulagen nach dem nun entbrannten öffentlichen Streit überhaupt noch Teil des "Demokratiepakets" werden.

AfD soll draußen bleiben

Zu den weiten Teilen des Pakets, bei denen es Einvernehmen auch mit den Grünen gibt, zählt eine Neuregelung für die Besetzung der sogenannten "G10-Kommission". Sie entscheidet über bestimmte Überwachungsmaßnahmen des Verfassungsschutzes beim Kampf gegen Extremismus. Derzeit gehören ihr sechs Abgeordnete von CDU, SPD und Grünen an. Im neuen Parlament bekäme aufgrund ihrer gewonnenen Mandate auch die AfD automatisch einen Sitz.

Um das verhindern zu können, sollen den Plänen zufolge die Mitglieder der Kommission in Zukunft vom Landtag gewählt werden. Der AfD-Landesverband darf nach einem Beschluss des Wiesbadener Verwaltungsgerichts als sogenannter Verdachtsfall vom Landesverfassungsschutz beobachtet werden.

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