CDU-Ministerpräsident Boris Rhein (Mitte) mit seiner Fraktionschefin Ines Claus und SPD-Vize-Landeschef Kaweh Mansouri vor der ersten Verhandlungsrunde in Wiesbaden

Union und SPD haben die Verhandlungen über eine gemeinsame Regierung für Hessen gestartet. Zum Auftakt nimmt Regierungschef Rhein den neuen Wunsch-Partner gegen Vorwürfe des Noch-Partners in Schutz.

Videobeitrag

Video

Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD gestartet

hs
Ende des Videobeitrags

Ein gutes Dutzend Politiker von Union und SPD um sich und zwei belegte Scheibchen Brot vor sich, nahm der CDU-Ministerpräsident am langen Tisch Platz. "So, dann fangen wir an", sagte ein prächtig gelaunter Boris Rhein. Und als der letzte Journalist das schmucklose Tagungszimmer verlassen hatte, fingen sie an.

Hinter verschlossenen Türen haben am Mittwochnachmittag im Kongresszentrum in Wiesbaden die Verhandlungen über eine Koalition begonnen, die es so noch nie in Hessen gab: eine CDU-geführte schwarz-rote Landesregierung.

"Realpolitik" gegen Alltagssorgen

Das sachliche Setting, das sparsame Catering - sie waren mit Bedacht gewählt. Das passte zu der gemeinsamen Losung, auf die sich beide Partner in spe bei ihren Sondierungen bereits geeinigt haben. Die Brot-und-Butter-Themen einer breiten Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger will man fünf Jahre lang beackern.

Es gehe um "sehr realpolitische Lösungen" für Probleme, die den Menschen in einer Zeit vieler Krisen "auf den Nägeln brennen", sagte Rhein. Dafür sieht er mehr Schnittmengen bei der SPD als beim Noch-Partner, den Grünen.

Angesichts "gigantischer Herausforderungen" wolle man in einer stabilen Regierung die Alltagsprobleme der Menschen in den Mittelpunkt stellen, versprach auch SPD-Vize-Landeschef Kaweh Mansoori.

Faeser kam nicht

Bundesinnenministerin Nancy Faeser, Vorsitzende und Verhandlungsführerin der Hessen-SPD, verpasste die offizielle Auftaktrunde in Wiesbaden. Sie war kurzfristig in Berlin gefragt. Infolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum gesetzwidrigen Nachtragshaushalt muss die Ampel-Bundesregierung ein Milliardenloch füllen.

So wurde es zur Aufgabe des hessischen SPD-Vizes und Bundestagsabgeordneten Mansoori, die sechsseitige Grundlage des beginnenden Auslotungsprozesses gegen den Vorwurf zu verteidigen, mit ihr falle die SPD vor der CDU regelrecht auf die Knie. Das entsprechende schwarz-rote Eckpunktepapier sei ein "Unterwerfungspapier", ätzten die Grünen, mit denen Rhein nach zehn Jahren Schwarz-Grün nicht weiterregieren will.

Es sei angesichts des Wahlergebnisses völlig klar, dass dort "mehr CDU drinsteht", sagte Mansoori. Dem Vorwurf der Unterwerfung hielt er entgegen: "Das Papier hat eine eindeutige sozialdemokratische Handschrift." Er nannte unter anderem Bildungsgerechtigkeit und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum als SPD-Ziele, die in den Eckpunkten verankert seien.

Rhein spricht von "Augenhöhe"

Anders als Faeser, die nur bei einem Wahlsieg und als Regierungschefin nach Wiesbaden zurückkehren wollte, wird der zum linken Parteiflügel zählende Mansoori für einen Posten in einer CDU/SPD-Koalition gehandelt. Über die Verteilung der Ministerien werde erst am Ende gesprochen, sagte Rhein.

Auch der CDU-Landeschef nahm die SPD gegen die Kritik der Grünen in Schutz: "Ich habe keine Unterwerfung erlebt", sagte Rhein. Mehrfach betonte er, die Sondierungsgespräche hätten "auf Augenhöhe" stattgefunden.

Die Union, die seit bald 25 Jahren ununterbrochen den Ministerpräsidenten stellt, hatte die Landtagswahl bei deutlichen Zugewinnen mit großem Abstand und 34,6 Prozent gewonnen. Wie alle Parteien der Ampel-Bundesregierung hatte auch die seit einem Vierteljahrhundert in Hessen oppositionelle SPD enorm verloren. Mit dem historisch schlechten Ergebnis von 15,1 Prozent wird ihre künftige Landtagsfraktion nicht einmal halb so groß sein wie die der CDU.

Eckpunkte "sehr konkret"

Dass niemand sich so recht noch ein Scheitern der Koalitionsverhandlungen vorstellen kann, machte Ministerpräsident Rhein indirekt deutlich. Die Sondierung sei erfreulich verlaufen, man habe ein "sehr starkes Vertrauenverhältnis" geschaffen. Das Eckpunktepapier sei schon "sehr konkret".

In ihm bekennen sich die möglichen Koalitionäre unter anderem zur Begrenzung der Migration, außerdem zu zusätzlichen Stellen sowie mehr Überwachungs- und Fahndungsmöglichkeiten für die Polizei.

Ein Investitionsprogramm für Kitas ist ebenso vorgesehen wie eine finanzielle Unterstützung für den ersten Eigenheim-Kauf. Es soll ein eigenes Ministerium für Land- und Forstwirtschaft sowie Weinbau, Jagd und Heimat geschaffen werden.

Straffer Zeitplan

Auch der Zeitplan für die Koalitionsgespräche deutet darauf hin, dass ein Scheitern nicht eingeplant ist: Parteitage von CDU und SPD sollen jeweils am 16. Dezember über einen unterschriftsreifen Koalitionsvertrag entscheiden.

Federführend ist eine paritätisch besetzte Hauptverhandlungsrunde mit den Spitzen der beiden Parteien sowie Vertretern der Fraktionen und der kommunalen Parteiebene. Die Gespräche werden zunächst aber vor allem in 14 thematischen Arbeitsgruppen geführt.

Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen
Formular

hessenschau update - Der Newsletter für Hessen

Hier können Sie sich für das hessenschau update anmelden. Der Newsletter erscheint von Montag bis Freitag und hält Sie über alles Wichtige, was in Hessen passiert, auf dem Laufenden. Sie können den Newsletter jederzeit wieder abbstellen. Hier erfahren Sie mehr.

* Pflichtfeld

Ende des Formulars