Untersuchungsausschuss kommt Heftiger Streit über Aufarbeitung der Entlassungsaffäre

Unsaubere Methoden gegen eine unliebsame Spitzenbeamtin oder eine Schmutzkampagne gegen die Regierung? Ein Untersuchungsausschuss soll die Entlassung von Wirtschaftsstaatssekretärin Messari-Becker beleuchten. Eine hitzige Debatte gab einen Vorgeschmack, was den Landtag erwartet.

Im Bildvordergrund eine Papier mit dem Logo Hessens und unter anderem die Überschrift "Dringlicher Antrag...". Im Bildhintergrund unscharf Männner in Anzügen.
Dringlicher Antrag: Die Fraktionschefs Stefan Naas (l., FDP) und Mathias Wagner (Grüne) am Donnerstag im Landtag. Bild © Benjamin Holler, hr
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Sieben Wochen nach der Entlassung der parteilosen Bau-Professorin Lamia Messari-Becker als Wirtschaftsstaatssekretärin hat der Landtag in Wiesbaden die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses beschlossen. Wie am Donnerstagnachmittag angekündigt, setzten die Oppositionsfraktionen von Grünen und FDP das am Abend per Minderheitenrecht durch.

Die Antragsteller begründeten den Schritt damit, dass SPD-Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori die Entlassung mit dem Vorwurf eines "nicht hinnehmbaren Fehlverhaltens" verbunden habe, ohne ihn zu belegen. Das grenze an Rufmord (hier finden Sie den kompletten Antrag).

Man gehe nicht leichtfertig mit einer solchen Einsetzung um, sagte Miriam Dahlke, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen. Es sei aber bis jetzt nicht klar, "ob nicht etwas konstruiert wurde, um eine unliebsame Staatssekretärin loszuwerden". Außerdem stehe der Verdacht im Raum, dass Mitarbeiter Mansooris belastendes Material über Messari-Becker sammeln sollten.

Videobeitrag

Grüne und FDP setzen Untersuchungsausschuss zur Entlassungsaffäre ein

Eine Frau sitzt alleine auf einer Tribühe.
Ex-Staatssekretärin Lamia Messari-Becker auf der Zuhörertribüne des Landtags Bild © hr
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Anwälte: Minister-Auftritt "nicht nachvollziehbar"

Das Regierungslager von CDU und SPD reagierte mit scharfem Protest. "Sie skandalisieren und instrumentalisieren einen reinen Personalvorgang", sagte Ingo Schon, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU. Seine SPD-Amtskollegin Lisa Gnadl sprach von einem "mehr als irritierenden Schauspiel".

Die Anwälte Messari-Beckers kündigten unterdessen an, ihre Mandantin werde "konstruktiv mit dem Untersuchungsausschuss zusammenarbeiten", falls das Parlament dies wünsche. Das Gremium könne in jedem Fall der Aufklärung dienen.

Kritik übten die Anwälte am Auftritt Mansooris im Landtag am Donnerstagvormittag. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der SPD-Politiker selbst diese Sitzung nicht zum Anlass genommen habe, "sich glaubhaft von seinen bisherigen Äußerungen zu distanzieren" und bei Messari-Becker zu entschuldigen.

CDU spricht von "Schmutzkampagne"

Mansoori hatte vor dem Landtag erstmals eingeräumt, er hätte seine "streitbare Pressemitteilung" anders formulieren können, in der er Messari-Becker ein Fehlverhalten außerhalb der Dienstzeit vorwarf. Er fügte hinzu: "Wäre es womöglich sogar besser gewesen, sie knapper zu halten? Aus heutiger Sicht ja. Bedauere ich den Fortgang? Ja."

Der Minister soll Messari-Becker vorgeworfen haben, ihre Rolle als Staatssekretärin bei einem Elterngespräch an einer Schule als Druckmittel gebraucht zu haben. Sie bestreitet das kategorisch.

Mansoori habe mit dem Statement im Parlament Größe bewiesen und werde alles lückenlos aufklären, kündigte seine Parteikollegin Gnadl an. Die SPD-Politikerin fragte Grüne und FDP: "Wie verzweifelt müssen Sie eigentlich sein?" Nach den jüngsten Untersuchungsausschüssen zur Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübcke und dem Attentat von Hanau sei es "beschämend", nun ein solches Thema aufzugreifen.

Wie Gnadl sah auch der CDU-Abgeordnete Schon in der Initiative den Versuch, mit einer "Schmutzkampagne gegen die Landesregierung" einen Keil zwischen die Koalitionsparteien zu treiben. Man stehe aber zusammen. Grünen und FDP hielt Schon vor, dass die AfD auch für den Ausschuss votierte. Es gebe eine "unsägliche Allianz".

FDP-Nerven liegen blank

Oliver Stirböck, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP, wies das empört zurück. "Dazu brauchen wir die AfD nicht", sagte er. Mit der AfD arbeitet bislang keine andere Landtagsfraktion zusammen. Das hatten Grüne und FDP auch diesmal nicht getan.

Für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sind die Unterschriften von mindestens einem Fünftel der 133 Landtagsabgeordneten nötig. Die beiden Fraktion hatten mit insgesamt 30 Abgeordneten rechnerisch auch mehr als genug Unterstützer. Alle ihre Abgeordneten setzten auch ihre Unterschrift unter den Einsetzungsantrag.

Fraktionsintern hatten sich zuvor einige FDP-Politiker aber noch dagegen ausgesprochen. Bei der entscheidenden abendlichen Abstimmung kam es sogar noch zum Eklat: Drei Liberale mussten zu der Teilnahme von ihrer Fraktionsführung gedrängt werden: Marion Schardt-Sauer, Matthias Büger und der zu Beginn der Legislaturperiode als Fraktionschef abgelöste René Rock.

Bei der von der CDU beantragten namentlichen Abstimmung votierten sie mit Ja. Ungewöhnlich: Rock und Schardt-Sauer verbanden das mit einem Hinweis, dass sie sich damit dem Mehrheitsbeschluss der Fraktion beugten.

Rocks Amtsnachfolgerin, die Co-Fraktionsvorsitzende Wiebke Knell, verfolgte diese internen Spannungen sichtlich erschüttert. Ministerpräsident Rhein dagegen lächelte. Er hatte für die Abstimmung eigens die Regierungsbank verlassen und in den Reihen seiner CDU-Fraktion Platz genommen - in direkter Nachbarschaft zur FDP.

Eine Abstimmung im Landtag
Ex-FDP-Fraktionschef René Rock stimmt doch noch mit Ja. CDU-Regierungschef Boris Rhein verfolgte es in der ersten Reihe. Bild © hr

"Schlanker Auftrag" geplant

Dass der Ausschuss überhaupt nötig wurde, lag laut FDP-Mann Stirböck vor allem daran, dass Mansoori auch vor dem Landtag den Ruf Messari-Beckers nicht wiederhergestellt und für Transparenz gesorgt habe. "Er hat's vergeigt", sagte Stirböck. Übertrieben sei die Einsetzung keineswegs: Der Auftrag sei "eher schlank" und werde das Wirtschaftsministerium nicht lahm legen.

Auch der AfD-Abgeordnete Klaus Gagel hielt CDU und SPD entgegen, dass seine Fraktion nicht zu den Antragstellern zähle. Er nahm für die AfD aber in Anspruch, als Ideengeber zuerst eine solche parlamentarische Aufarbeitung der Affäre ins Spiel gebracht zu haben. Das sei auch nötig, nachdem die Landesregierung mehrere Chancen vertan habe, alles aufzuklären.

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Quelle: hessenschau.de