Sympathisch bis selbstherrlich - Tops und Flops der Frankfurter OB-Wahlplakate

Der Kampf um das Oberbürgermeisteramt in Frankfurt geht in die entscheidende Phase. Wie gut gelingt es den 20 Kandidatinnen und Kandidaten, die Bürger mit Wahlplakaten und Social-Media-Kampagnen für sich zu gewinnen? Wir haben einen Experten gefragt.

Viele Wahlplakate an Stangen im Straßenraum. Auf dem Foto ein Label, bestehend aus dem Umriss und dem Wappen der Stadt Frankfurt und einem Wahlkreuz.
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Dass in Frankfurt Oberbürgermeisterwahlen anstehen, erfährt man spätestens bei der Einfahrt in die Stadt. Entlang der Hauptverkehrsachsen blicken den Autofahrern die Kandidatinnen und Kandidaten der etablierten Parteien von großen Plakatwänden entgegen. In den Einkaufsstraßen hängt an kaum einem Laternenpfahl nicht mindestens ein Wahlaufruf.

Nicht jeder kann oder will da mithalten. Einige Kandidatinnen und Kandidaten verzichten auf Plakatwerbung. Weil sie diese für zu teuer und ineffektiv halten oder weil sie bewusst auf andere Verbreitungswege - etwa die sozialen Netzwerke - setzen.

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Der Experte

Martin Fuchs - Politikberater.
Martin Fuchs. Bild © privat

Martin Fuchs berät Regierungen, Parlamente, Parteien und Spitzenpolitikerinnen und -politiker in digitaler Kommunikation. Er ist Dozent für politische Kommunikation an verschiedenen Hochschulen. Als Wahlbeobachter bloggt er unter anderem über "Wahlplakate from Hell" und ist Kolumnist des Magazins"politik & kommunikation".

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Wie gut Plakate und Social-Media-Motive Inhalte und vor allem die Kandidatinnen und Kandidaten zur Geltung bringen, beurteilt für hessenschau.de der Politikberater und Kommunikationsexperte Martin Fuchs. Er wählte je drei gelungene und drei weniger gelungene Beispiele aus.

Top: Maja Wolff (unabhängig)

Wahlplakat von Maja Wolff.
Die unabhängige Kandidatin Maja Wolff präsentiert sich - naturgemäß - vor der Frankfurter Skyline. Bild © Maja Wolff

Die Kampagne: In der Frankfurter Kulturszene ist Maja Wolff seit Jahrzehnten eine feste Größe. Die ehemalige Kabarettistin und Leiterin des Grüne-Soße-Festivals verspricht in ihrer Kampagne, sich für ein konstruktives Miteinander zum Wohle der Stadt einzusetzen. Zukunftsfähigkeit ist ihr Stichwort. Diese will sie unter anderem mit Investitionen in Schulen, Kultur und Armutsprävention erreichen. "Zeit für eine unabhängige Bürgermeisterin" verkündet sie auf ihren Plakaten. Die können es in Größe, Anzahl und Verbreitung durchaus mit denen der etablierten Parteien aufnehmen.

Das sagt der Experte: Die Kulturmanagerin hat eines der wenigen Plakate, die wirklich professionell wirken. Starkes, hochwertiges Foto, klassischer Aufbau mit positiv nach oben schauender Kandidatin. Es erinnert an viele ikonische Motive aus US-Wahlkämpfen in den vergangenen Jahren. Dabei kommt Maja Wolff extrem sympathisch rüber. Der Hintergrund ist schnell und eindeutig als Frankfurt erkennbar, man weiß also auf den ersten Blick, wo sie unabhängige Oberbürgermeisterin werden will. 

Der Claim folgt einer Logik, die sich durch die ganze Kampagne zieht und somit einen hohen Wiedererkennungswert auch bei verschiedenen Themenplakaten hat. "MIT" als zentrale Botschaft kombiniert mit einem positiven anpackenden "MACHEN" zeigt, dass die Kandidatin bereit und motiviert ist, sich aber nicht als Einzelkämpferin sieht, sondern die Stadtgesellschaft mitnehmen will.  

Dazu gibt es hier alles, was ein modernes Plakat braucht: Kampagnen-Hashtag, QR-Code für weitergehende digitale Informationen und der Hinweis auf Social-Media-Dialogangebote machen das Gesamtpaket rund. 

Flop: Uwe Becker (CDU)

Wahlplakat von CDU-Kandidat Uwe Becker. Becker lächelt in die Kamera. Im Hintergrund ist das Frankfurter Rathaus zu sehen. Links oben prangt der Wahlslogan: Für Frankfurt der Beste.
Der Slogan legt nahe, dass man im Team Becker schon vom Wahlsieg überzeugt ist. Bild © CDU Frankfurt

Die Kampagne: Kommunalpolitisch interessierten Menschen muss man den CDU-Kandidaten Uwe Becker nicht mehr vorstellen. Der ehemalige Stadtkämmerer und aktuelle Antisemitismusbeauftragte der Landesregierung gilt schon lange als möglicher Kandidat für den OB-Posten und hat seinen Hut noch am Abend der Abwahl Peter Feldmanns (SPD) in den Ring geworfen. Zu den Kernpunkten seines Programms gehören Sicherheit, Digitalisierung und moderne Schulen.

Das sagt der Experte: Wie viel Selbstbewusstsein und Selbstliebe kann man haben, wenn man sich selbst und vor der Wahl schon als "Ihr Oberbürgermeister" und "Der Beste" bezeichnet? Ich glaube, sehr viel. Deshalb war es offenbar auch nicht wichtig, ein gutes Plakat vorzulegen, da die Wahl für Uwe Becker ja schon gelaufen ist.

Solche selbstherrlichen Beschreibungen kommen bei den Wählerinnen und Wählern nie gut an. Ein wenig mehr Demut hätte hier gut getan. Der Rest des Plakats ist langweilig, sehr statisch inszeniert und glänzt durch die Anwesenheit einer Krawatte. Auf anderen Motiven hat sich der Kandidat für ein frisches, junges, krawattenfreies Outfit entschieden - etwas inkonsequent.   

Zudem wirkt sein Lächeln etwas gequält. Hat Uwe Becker das Foto freiwillig gemacht oder wurde er von der CDU dazu gezwungen? Wir werden es nie erfahren. Aber immerhin hat es die Partei noch auf das Plakat geschafft, nicht in der typischen Corporate Identity und nur sehr klein. Aber immerhin. Die Nennung der Partei ist auch im Frankfurter Wahlkampf nicht mehr Standard. Ein Pluspunkt für die Transparenz.

Top: Peter Wirth alias Bahnbabo (unabhängig)

Oberbürgermeister-Kandidat Peter Wirth besser bekannt als der Bahnbabo macht auf dem Geländer des Eisernen Stegs einen Spagat. Im Hintergrund die Skyline.
Ein Original zeigt sein Alleinstellungsmerkmal. Peter Wirth alias Bahnbabo ist mit Sicherheit der sportlichste aller Kandidaten. Bild © Peter Wirth

Die Kampagne: Unter seinem bürgerlichen Namen dürften Peter Wirth nur die wenigsten Frankfurterinnen und Frankfurter kennen. Vorstellen muss er sich in der Regel trotzdem nicht, denn der als Bahnbabo bekannte VGF-Straßenbahnfahrer ist in Frankfurt längst Kult wie Anno dazumal Frau Rauscher. Seine Schwerpunktthemen sind die Verkehrswende, ein günstiger und sauberer ÖPNV und Jugendarbeit. Seine Mittel für den Wahlkampf sind indes beschränkt. Nur gut 100 Plakate hat der Bahnbabo eigenen Angaben nach zur Verfügung. Die hat er selbst aufgehängt - nach Feierabend.

Das sagt der Experte: Besser kann man das Alleinstellungsmerkmal eines Kandidaten nicht auf ein Plakat bringen wie hier. Peter Wirth setzt alles auf seine persönliche Marke und seine bekannten Moves aus der Straßenbahn. Fast jede Frankfurterin und jeder Frankfurter kennt ihn und seine Slogans, und genau das bekommt man zu sehen. 

Unverfälscht, authentisch im "Gude"-T-Shirt mit Spagat auf der Brücke vor der Skyline. Mehr positiver Frankfurter Lokalpatriotismus geht nicht. Und wenn sich das eigene Lebensmotto dann auch noch perfekt als Wahlkampfslogan eignet, kann man eigentlich nicht mehr so viel falsch machen.

Insbesondere junge Zielgruppen werden es feiern, auch wenn die Optik eher den 1980er Jahren entspricht. Der gewählte Farbton - sicher nicht zufällig derjenige der Verkehrsgesellschaft Frankfurt - hebt sich von denen der anderen Kandidatinnen und Kandidaten gut ab, auch wenn er im grauen Winterwahlkampf vielleicht etwas zu pastellig ist.

Flop: Feng Xu (unabhängig)

Wahlplakat des unabhängigen Kandidaten Feng Xu.
Der Kandidat Feng Xu verschwindet beinahe hinter der Botschaft. Bild © Feng Xu.

Die Kampagne: Unter den unabhängigen Kandidatinnen und Kandidaten zählt Feng Xu wohl zu den weniger bekannten. Der lange als Sales Manager im Logistik-Bereich tätige Xu will günstigen Wohnraum durch die Förderung von Baugenossenschaften schaffen, den Ausbau von Solarenergie fördern und sich für höhre Gehälter im öffentlichen Dienst, insbesondere bei Lehrkräften, Erzieherinnen und Erziehern und Polizeibeamten einsetzen.

Das sagt der Experte: Ich habe immer großen Respekt vor Einzelkämpfer:innen und ihrem Engagement in Wahlkämpfen. Mit nicht vorhandenen Mitteln wird ein Wahlkampf gestemmt, der natürlich von der Professionalität nicht vergleichbar sein kann mit dem von Parteiapparaten. Doch manchmal wäre es gut, wenigstens ab und zu Profis einzubinden zum Beispiel bei Lektorat, Texten von Forderungen oder auch der grafischen Gestaltung des wichtigsten Wahlkampfinstruments: dem Wahlplakat. 

Von der Idee her eigentlich sehr smart und modern. Das Plakat erinnert an Memes, die im digitalen Wahlkampf eine immer größere Bedeutung bekommen, weil sie komplexe Inhalte auf eine visuelle Botschaft runterdampfen können, die jeder versteht. Hier klappt das leider überhaupt nicht: Der Text verdeckt fast den kompletten Kandidaten, ist irgendwie wirr formuliert - und am Ende frage ich mich, ob er als OB die Forderung überhaupt umsetzen kann. 

Auch Körperhaltung und Gesichtsausdruck wirken eher wie eine Persiflage, weniger als Versuch der bestmöglichen Darstellung. Wen will Feng Xu mit dem zermürbten Gesichtsausdruck motivieren, ihn zu wählen? Das Plakat ist auch nur auf den zweiten Blick als Kandidatenplakat erkennbar: kein Call to Action für den Wahltag und den Kandidaten, kein Logo. Insgesamt viel zu viel Text. Auf der Straße würde dieses Motiv total untergehen.

Top: Daniela Mehler-Würzbach (Die Linke)

Daniele Mehler-Würzbach posiert vor rotem Hintergrund. Neben ihr in weißen Lettern das Motto: Weil Frankfurt Euch gehört!
Rot in Rot, aber die Botschaft in Weiß: Linken-Kandidatin Daniela Mehler-Würzbach. Bild © Die Linke Frankfurt

Die Kampagne: Die Frankfurter Stadtverordnete Daniela Mehler-Würzbach zieht mit den Themen in den Wahlkampf, die man von einer Politikerin der Linken erwarten darf. Unter anderem will sie sich für sozialen Wohnungsbau und einen kostenlosen Nahverkehr einsetzen. Forderungen, die sie unter dem Slogan "Weil Frankfurt Euch gehört" zusammenfasst.

Das sagt der Experte: Rot ist die dominierende Farbe aller Plakate zur OB-Wahl. Aber röter als bei Daniela Mehler-Würzbach wird es nicht. Hintergrund, Jacke, Lippen - das knallt. Die Farbpalette der Linkspartei ist optimal geeignet, um insbesondere an den grauen Tagen im Frühjahr 2023 als Signal zu wirken und Aufmerksamkeit auf die Kandidatin zu ziehen.

Der Schrifttyp ist ungewöhnlich für ein Wahlplakat, erinnert an 1950er-Jahre-Typographie und schafft somit eine gewisse Heimeligkeit. Inhaltlich wird diese mit der fast revolutionären Forderung, dass die Stadt wieder den Bürgerinnen und Bürgern gehören muss, gebrochen. 

Die Kandidatin selbst wirkt kompetent, aufgeschlossen, freundlich, aber bestimmt. Man nimmt es ihr ab, für die Rechte der Bürgerinnen und Bürger zu kämpfen. Gelungene Kombination aus Grafik, Inhalt und Inszenierung der Kandidatin.

Flop: Carl Maria Schulte

Ein mit Word erstelltes Wahlplakat von Carl Maria Schulte.
"Simply the Best". Auch bei der Gestaltung des Wahlplakats offenkundig Programm. Bild © Carl-Maria Schulte

Die Kampagne: Für Carl Maria Schulte ist es nicht der erste Wahlkampf. Bundespräsident wollte er schon werden und auch um den Posten des Frankfurter Stadtoberhaupts hat er sich schon beworben. Im Römer sorgte er derweil vor allem dadurch für Gesprächsstoff, dass er 2013 bei einer Preisverleihung den damaligen Protokollchef anrempelte und verletzte. Nun versucht es Carl Maria Schulte erneut. Sein erklärtes Ziel: einn sozial-ökologische Orientierung aller Politikbereiche.

Das sagt der Experte: Endlich getraut sich mal jemand zu reimen. Aber doch bitte nicht so: Reim Dich oder ich fress' dich. Eigentlich ein grundsympathisches Plakat, mit Microsoft Word in einer Minute zusammengesetzt - entspricht den grafischen Fähigkeiten vieler Wählerinnen und Wähler. Aber auf der Straße wird es nur Außenseiterchancen haben.

Schrifttyp Times New Roman, zu kleine Schriftgröße, das Foto des Kandidaten wirkt wie ein Selfie vor dem Rechner und ist zudem ebenfalls viel zu klein. Dazu eine Karikatur, die eher verwirrt. Wer ist das? Was soll das darstellen? Der Kandidat kann es nicht sein, denn unter der Zeichnung steht "Karl kommt kräftig" - Kandidat Carl schreibt sich aber mit C? Und für welche Partei tritt Schulte noch mal an? Für die Youtube!-Partei? Noch nie gehört, aber sehr prominent als Abbinder auf dem Plakat platziert. 

An diesem Beispiel sieht man, wie schwer es ist, ein wirklich gutes Plakat zu entwerfen. Die Einzelteile einfach wahllos auf einem A4-Blatt zu verteilen, reicht nicht aus. Aber immerhin fällt so ein Plakat auf und bringt einen gewissen Cringe-Faktor mit, der es im Netz zu einem viralen Hit machen könnte. Auch so erzielt man Sichtbarkeit, auch wenn das hier bestimmt nicht die Strategie war.

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Wie die übrigen OB-Kandidatinnen und -Kandidaten um Stimmen werben

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Hinweis: Die Kandidaten, deren Wahlplakate hier fehlen, haben auf Anfrage leider nicht geantwortet.

Quelle: hessenschau.de/Danijel Majic