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Ärger um Äußerung von grüner Bundespolitikerin

Großes Zelt mit Metallwänden

Als "machbar" hat unlängst die grüne Bundestagsfraktionschefin die Flüchtlingssituation bezeichnet. Auf kommunaler Ebene bekommt sie dafür Gegenwind von der eigenen Partei. Der grüne Bergsträßer Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf wirft ihr "Unwissenheit" vor.

"Seit mehr als einem Jahr machen die Kommunen auf ihre Überforderung und die stetig steigenden Probleme aufmerksam", schreibt der Bergsträßer Grünen-Politiker in einer Pressemitteilung. Es sei nicht nachvollziehbar, warum dies von Teilen der Berliner Regierungskoalition scheinbar nicht wahrgenommen werde.

Insbesondere stört sich Schimpf an einer Äußerung der grünen Bundestagsfraktionschefin Katharina Dröge. Sie hatte in der Politik-Talkshow Hart aber fair am Montag die derzeitige Flüchtlingssituation in der Mehrheit der Kommunen als "herausfordernd, aber machbar" bezeichnet.

Schimpf, als hauptamtlicher Kreisbeigeordneter im Kreis Bergstraße für die Flüchtlinge dort zuständig, warf ihr daraufhin Unwissenheit vor. Dröge habe von den täglichen Realitäten in den Kommunen offenbar wenig Kenntnis.

"Probleme werden nicht wahrgenommen"

Im Gespräch mit dem hr erweitert Schimpf seine Kritik. "Diese Äußerung ist Zeichen einer Haltung, die bei einigen Grünen und offenbar auch in der Bundestagsfraktion weit verbreitet zu sein scheint", sagt er und spricht von einer "Abkopplung von der Realität".

Jeder in Berlin müsse doch inzwischen verstanden haben, wie die Situation vor Ort sei. So aber werde das Thema Integration "völlig an die Wand gefahren".

Prekäre Situation in Unterkünften

hs 10.05.2023

Schimpf weiß, wovon er spricht. Nach seinen Angaben betreut allein der Kreis Bergstraße aktuell rund 2.830 Geflüchtete. Davon haben 638 bereits ein Bleiberecht, mehr als 1.500 sind noch im Asylverfahren. Untergebracht wurden sie in Gemeinschafts- und Notunterkünften, unter anderem in einer Zeltstadt in Bensheim.

Regelmäßig besucht der Kreisbeigeordnete die Flüchtlingsunterkünfte, spricht mit Betreuern und Geflüchteten und erfährt ihre Nöte aus erster Hand. Die Verhältnisse beschreibt er als teilweise prekär. "Die Menschen mit Bleibeperspektive würden gerne hier ankommen", sagt er, "aber die Integration funktioniert nicht." Für die Betroffenen sei das sehr belastend.

"Können nicht humanitär handeln"

Es fehle an Kita-Plätzen, an Möglichkeiten für Sprachkurse, an Fachpersonal für Betreuung und Verwaltungsverfahren. "Wir haben im Augenblick die Situation, dass wir nicht humanitär handeln können, weil wir den Bleibeberechtigten keine Perspektiven bieten können und abgelehnte Asylbewerber über einen langen Zeitraum in provisorischen Unterkünften untergebracht sind", sagt Schimpf.

Und ständig kämen neue Menschen an. "Wir können nicht mehr agieren, nur noch reagieren. Wir müssen schauen, dass wir wieder vor die Welle kommen."

Außengrenzen sichern, konsequent abschieben

Das ist nach seiner Ansicht nur zu schaffen, wenn man die Flüchtlingszahlen reduziert, etwa durch Sicherung der Außengrenzen, bis das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) greift – auch mit sogenannten Ankerzentren an den Grenzen, außerdem beschleunigten Asylverfahren und einer konsequenten Rückführung abgelehnter Asylbewerber. "Insbesondere bedeutet dies auch, dass den Kommunen nur Menschen mit realitischer Bleibeperspektive zugewiesen werden."

Forderungen die erstmal so gar nicht grün wirken. Schimpf sagt aber auch: "Das ist kein Thema für parteipolitische Überlegungen." Eine lange Verweildauer von Geflüchteten ohne Bleiberecht und schleppende Abschiebung begünstigten die illegale Migration. Es werde viel geredet, aber wenig umgesetzt. "Wir brauchen Migration", stellt Schimpf klar. "Aber dazu gehört eben auch, dass wir sie steuern."

Streit um Bezahlkarte

Auch beim Thema Bezahlkarte für Asylbewerber wünscht sich der Grünen-Politiker entschlosseneres Handeln von seiner Partei. Mit der Karte, deren Einführung Bund und Länder eigentlich schon beschlossen hatten, soll verhindert werden, dass Geldleistungen ins Ausland oder an Schleuser fließen. Doch Teile der grünen Bundestagsfraktion sind gegen eine Regelung per Bundesgesetz. In der Ampelkoalition ist darüber ein Streit entbrannt.

Schimpf will die Vorgängerregierung in Berlin nicht aus der Verantwortung entlassen. Viele der Themen wie die Arbeitspflicht für Asylsuchende habe die schwarz-rote Koalition liegen gelassen. Er würde sich dennoch wünschen, "dass die Diskussionen endlich mal aufhören und dass man erkennt, dass es um gesellschaftlichen Zusammenhalt geht." Zu vieles werde zerredet.

Hessens Grüne kommen gut weg

Immerhin: Gnädiger geht Schimpf mit seinen hessischen Parteifreunden um. "Die sprechen sich zum Beispiel auch für die Einführung der Bezahlkarte aus." Viele grüne Politiker in Hessen seien eben immer noch in kommunalpolitischer Verantwortung. "Da hat man durchaus noch einen Blick für die Realität."

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