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Irmer legt seine CDU-Posten vorzeitig nieder

Portrait von Hans-Jürgen Irmer

Mal bezeichnete er Homosexualität als "nicht normal", mal nannte er Zuwanderung und Viehhaltung in einem Atemzug: Nun beendet der am Ende auch in der Union umstrittene Wetzlarer CDU-Politiker Hans-Jürgen Irmer seine lange Parteikarriere. Ganz sind ihn seine vielen Gegner aber nicht los.

Der Wetzlarer CDU-Politiker Hans-Jürgen Irmer gibt früher als ursprünglich von ihm geplant seine letzten Posten in der Union ab. Der früherer Landtags- und Bundestagsabgeordnete hört noch diese Woche nach 25 Jahren als Vorsitzender des CDU-Kreisverbands Lahn-Dill und nach 34 Jahren als Chef der Kreistagsfraktion auf. Irmer ist einer der bekanntesten und polarisierendsten Vertreter des rechten Flügels der Union.

"Damit ist der Generationswechsel dann auch vollzogen", sagte Irmer am Dienstag dem hr auf Anfrage. Der 71-Jährige bestätigte damit einen Bericht von mittelhessen.de. Den Parteimitgliedern hatten die CDU Lahn-Dill und Irmer erst am Wochenanfang per Rundschreiben den kurzfristigen Rückzug zum 1. September mitgeteilt.

Keine Lust auf "Lame Duck"

Gewählt war Irmer als Fraktionschef bis 2026. "Der Rückzug wäre dann auch gekommen", sagte er. Zum vorzeitigen Abschied sei er aber dennoch nicht gedrängt worden. Der Landratskandidat der CDU, Carsten Braun, habe aber den Wunsch geäußert, auch die Kreistagsfraktion zu führen, um so die Kandidatur zu stärken.

"Ich bin nicht der Auffassung, dass das nötig ist. Aber es war sein Wunsch, und dann ist das auch kein Thema.“ Den Chefposten im CDU-Kreisverband verlasse er mit der Fraktionsspitze ebenfalls, weil ein "klarer Cut" besser sei, als zur "Lame Duck" zu werden.

Als Nachfolger an der Spitze der CDU Lahn-Dill und als kommenden Bundestagskandidaten im Wahlkreis wünscht Irmer sich Johannes Volkmann. Der 26-Jährige ist ein Enkel des früheren CDU-Kanzlers Helmut Kohl und amtierender Vorsitzender des Kreisparlaments.

Belastung für Schwarz-Grün

Für Irmer persönlich ist es auch das Ende eines Prozesses der Entfremdung von einem großen Teil der eigenen Partei. Die hat sich gerade in Hessen unter Ex-Ministerpräsident Volker Bouffier als Landeschef stark gewandelt und für das lange undenkbare Bündnis mit den Grünen geöffnet.

Irmer war bis 2021 vier Jahre lang direktgewählter Bundestagsabgeordneter und Mitglied der Regierungskoalition. Innerhalb der Fraktion hatte er keine hervorgehobene Bedeutung, den Wiedereinzug verpasste er. Vor allem in der Landespolitik hatte er zuvor aber lange Zeit eine wichtige und höchst umstrittene Rolle gespielt.

Rund zwölf Jahre lang nahm Irmer den Posten des Vize-Vorsitzenden der CDU im Landtag ein. Der frühere Oberstudienrat war auch der Bildungsexperte seiner Fraktion. Als er 2017 nach insgesamt zwei Jahrzehnten als Abgeordneter in Wiesbaden ausschied, um nach Berlin zu wechseln, hatten sich ganze Parlamentsdebatten und zuletzt auch Koalitionsstreitigkeiten zwischen CDU und Grünen allein um ihn gedreht. Für das seit 2014 regierende Bündnis wurde Irmer so zunehmend zur Belastung.

Rückendeckung verloren

Zuweilen geschah das innerhalb erregter Debatten, die bundesweite Reaktionen hervorriefen und in denen Irmer vereinzelt auch zurückruderte. So, als er sich mit der Äußerung zitieren ließ: "Homosexualität ist nicht normal. Wäre sie es, hätte der Herrgott das mit der Fortpflanzung anderes geregelt."

Auf eine Welle der Empörung war anschließend in einer Erklärung des Politikers von missverständlichen Äußerungen die Rede: Homosexualität gehöre für ihn "selbstverständlich zur Normalität".

Ein Artikel über Islamismus und Gewalt samt dazugehöriger korankritischer Anzeige im von ihm herausgegebenen Anzeigenblatt "Wetzlar Kurier" ging 2015 dann nicht nur der Opposition und dem grünen Koalitionspartner zu weit. Irmer verlor endgültig die Rückendeckung der Unionsspitze: Er gab seine Fraktionsämter als Vize-Vorsitzender und bildungspolitischer Sprecher ab.

Für Gegner ein "gefährlicher Agitator"

Als Bundestagsabgeordneter sorgte er im Sommer 2021 noch einmal für Schlagzeilen, als er Zuwanderung auf Facebook mit Viehhaltung in einen Zusammenhang stellte. "Es ist erstaunlich, dass die Grünen in der Landwirtschaft Forderungen nach Obergrenzen für Tiere pro Stall stellen, jedoch Obergrenzen für Zuwanderung ablehnen", schrieb er.

Wegen solcher Äußerungen zu Migration und Asylrecht, zum Islam oder zur Homosexualität nannten ihn Gegner wie der heutige SPD-Fraktionschef Günter Rudolph einen "gefährlichen politischen Agitator". Linken-Bundesvorsitzende Janine Wissler, seinerzeit Fraktionschefin im Landtag, bezeichnete den CDU-Mann als "geistigen Brandstifter".

Rückzug ja, Ruhe nein

Irmer selbst, der unter anderem dem rechts-konservativen Berliner Kreis in der CDU angehört, sieht sich als aufrechten Patrioten. Als Bundestagsabgeordneter stimmte er regelmäßig gegen Verschärfungen der Corona-Maßnahmen durch die unionsgeführte große Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Warnungen vor dramatischen Folgen eines menschengemachten Klimawandels wertet er als "hysterisch".

Als "Corona-Leugner" oder "Klimawandel-Leugner" sieht er sich deshalb nicht. Mit Gleichgesinnten aus ganz Deutschland nahm Irmer gerade erst an einer "Vollversammlung der wahren Schwarmintelligenz" in Wetzlar teil.

Im "Wetzlar Kurier" will der CDU-Politiker seine Meinungen weiterhin verbreiten. Sie begreift er als unangenehme, von einem politischen und medialen "Mainstream" diffamierte Wahrheiten. Nicht zuletzt mit der Bundes-CDU, so die Ankündigung, will er sich publizistisch auseinandersetzen. "Es wird mir künftig auch nicht langweilig", sagt er.

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