Der Koalitionsvertrag von CDU und SPD

Ihr Regierungsprogramm für die kommenden fünf Jahre haben CDU und SPD unterzeichnet. Hier ein Überblick, über das, was in Hessen politisch umgesetzt werden soll.

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Zusammenarbeit besiegelt - CDU und SPD unterzeichnen Koalitionsvertrag

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In der endgültigen Form hat der am Montag unterzeichnete Koalitionsvertrag von CDU und SPD für Hessen 204 Seiten. "Eine für alle" - dafür soll das Bündnis stehen. Wer das ganze Werk lesen möchte, kann das wahlweise bei den Christdemokraten oder bei den Sozialdemokraten.

Inhaltlich bleibt manches offen - vor allem, was Zahlen angeht.

Der Kern des Vertrags entspricht einem Eckpunktepapier, das beide Parteien bereits am Ende der Sondierung als Grundlage für die Koalitionsverhandlungen festgezurrt hatten. Hier einige Schwerpunkte und beispielhafte Details.

1. Sparpolitik angekündigt

Als Ziel einer Haushaltskonsolidierung wird betont, alle Ausgaben sollen auf den Prüfstand. Im Koalitionsvertrag bekennen sich CDU und SPD auch zur Schuldenbremse, deren Folgen aber untersucht werden sollen.

2. Mehr Geld für Kitas, mehr Lehrer, mehr Deutsch

Es soll mehr Geld in Kitas fließen und das letzte Kita-Jahr vor der Grundschule mit maximal sechs Stunden Pflicht werden. Ihren Schul-Systemstreit legen CDU und SPD bei: Es bleibt beim von der Union favorisierten dreigliedrigen Schulsystem, bei Noten und beim Sitzenbleiben. Ohne konkrete Zahl sollen mehr Lehrer eingestellt werden. Ein Investitionsprogramm soll den Bau und die Modernisierung von Gebäuden unterstützen.

In den ersten beiden Grundschulklassen gibt es jeweils eine zusätzliche Deutschstunde. Für die fünften und sechsten Klassen kommt mit "Digitaler Welt" ein neues Schulfach. Ein im Sommer 2024 auslaufendes Corona-Aufholprogramm wird mit weniger Geld weiter geführt.

3. Transformation unterstützen

Ein zentraler Posten ist die Schaffung eines "Hessenfonds", gedacht als Transformationsfonds. Er soll die Wirtschaft bei der Umstellung auf klimaneutrales und digitales Wirtschaften unterstützen. Mit wie viel Geld er ausgestattet wird, steht nicht im Vertrag. Eine Reform des Tariftreue- und Vergabegesetzes soll dafür sorgen, dass nur noch tariftreue Unternehmen Aufträge des Landes erhalten.

4. "Erwartungen" an Migranten  

CDU und SPD sehen eine "Belastungsgrenze" bei der Migration erreicht. Sie wollen irreguläre Migration deutlich begrenzen, die Integration derjenigen mit Bleiberecht gleichzeitig stärken. "Migrantinnen und Migranten – insbesondere Fachkräfte – heißen wir willkommen, aber wir formulieren auch die Erwartungen, dass sie etwas leisten", heißt es. Deutschkurse und Rechtsstaatsklassen sollen verpflichtend werden.

Ein Bekenntnis zum Asylrecht wird mit der Ankündigung einer "Rückführungsoffensive" verbunden. Abschiebezentren sollen eingerichtet werden. Nur Flüchtlinge mit Bleibeperspektive sollen an die Kommunen verteilt werden. In der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes soll es statt Bargeld eine Bezahlkarte für Flüchtlinge geben.

5. Mehr Möglichkeiten für mehr Polizisten

Die zuletzt schon personell aufgestockte Polizei soll weiter wachsen – eine Zahl wird nicht genannt. Die Fahndungsmöglichkeiten sollen durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Datenanalyse und einer Ausweitung der Videoüberwachung vergrößert werden. Hessen will sich für die Vorratsdatenspeicherung stark machen. Einen Schwerpunkt wollen CDU und SPD auf die Bekämpfung von Drogenkriminalität legen.

6. Kampf gegen Extremismus

Angekündigt wird ein "umfangreicher Aktionsplan gegen alle Formen des Extremismus". Schwerpunkte sind Rechtsextremismus und Antisemitismus. Regierungschef Rhein hat angekündigt, dass die künftige Landesregierung noch einmal "Punkt für Punkt" die Verbesserungsvorschläge des Untersuchungsausschusses zum Attentat von Hanau anschauen werde.

7. Bauland-Initiative und "Hessengeld"

"Bezahlbares Wohnen darf keine soziale Frage sein", heißt es. Die Investitionen in den geförderten Wohnungsbau sollen steigen. Ein Initiative für neues Bauland ist geplant. Planungs- und Genehmigungsverfahren für Neubauten sollen beschleunigt, bürokratische Hürden im Denkmalschutz abgebaut werden. Bis zu einer bundesweiten Reform der Grunderwerbssteuer soll es fürs erste selbstgenutzte Eigenheim 10.000 Euro pro Käufer und 5.000 Euro pro Kind geben.

8. Balkonkraftwerke-Förderung 

Die Koalition will im Bereich Klimaschutz auf Anreize statt Verbote setzen – damit hatte die CDU auch maßgeblich den Wahlkampf bestritten. Geplant sind Investitionen in moderne Energietechnologien und der Ausbau von erneuerbarer Energie. Bis 2030 soll die Landesverwaltung "netto treibhausgasneutral" werden.

Kommunen, die ihre Klimaziele deutlich früher erreichen als geplant, sollen mit einer Prämie belohnt werden. Zu einem "100.000 Solardächer-Programm" soll auch ein "100.000 Balkonkraftwerke-Programm" kommen.

9. Mehr Ausbildung und Landespflegegeld

Zusätzlich zum Pflegegeld aus der Pflegeversicherung will das Land einen eigenen Beitrag in Form eines Landespflegegeldes leisten. Die Plätze für Ausbildung und Studium in den Bereichen Medizin und Pflege sollen erhöht werden. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) soll es möglichst flächendeckend geben

10. Wolf bejagen

Das Umweltministerium mit seinen zusätzlichen Ressorts wird umbenannt in "Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt, Weinbau, Forsten, Jagd und Heimat". Die von der Union angestoßene Akzentverschiebung bedeutet auch: Klimaschutz und Verbraucherschutz tauchen nicht mehr im Namen auf. Das soll ein Signal sein: Interessen von Landwirten, Winzern, Waldbesitzern und Jägern sollen mehr berücksichtigt werden.

Der Wolf wird laut Vertrag ins Jagdrecht aufgenommen, wogegen sich die Grünen bislang gewehrt hatten. Auch Biber und Kormoran sollen in die Liste der jagdbaren Wildtierarten kommen.

11. Bekenntnis zum Defizit-Airport

Der kleine Flughafen in Calden (Kassel) schreibt seit seiner Eröffnung vor zehn Jahren rote Zahlen. CDU und SPD halten an ihm und dem dazugehörigen Gewerbegebiet als "wichtigem nordhessischen Infrastrukturprojekt" fest. Es soll eine bessere Anbindung über einen Bahnanschluss mit Verbindung zum ICE-Bahnhof Kassel geprüft werden.

12. Bekenntnis zur Documenta

Die Weltkunstausstellung wird als "Leuchtturm der hessischen Kultur mit hoher internationaler Strahlkraft“ gewürdigt. Die Ausstellung 2027 wackelt, nach einer Debatte über Antisemitismus-Vorwürfe war die Findungskommission für die künstlerische Leitung komplett zurückgetreten. Die Koalition will mit Stadt und Bund eine Struktur mit eindeutigen Verantwortlichkeiten, der Sicherung der Kunstfreiheit und "klaren Standards zur Verhinderung von Antisemitismus und Diskriminierung".

13. Blockflöten und Gendern

Schwarz-Rot will ein "Blockflötenprojekt" starten: Grundschülerinnen und Grundschüler sollen eine Blockflöte und die Lehrkräfte passendes Unterrichtsmaterial erhalten. Ziel: "So wollen wir Kindern möglichst früh das Tor zur Welt der Musik öffnen." Die Grünen ätzten schon, dass Blockflöten bei Kindern häufig das Gegenteil erreicht hätten. Schwarz-Rot sei dagegen konkrete Antworten bei der Zahl der neuen Lehrerstellen oder für Schulsozialarbeit schuldig geblieben.

Widerstand ist auch gegen das Ziel zu erwarten, das Verwenden von Gender-Sonderzeichen nicht nur an Schulen und in der Landesverwaltung zu verbieten, sondern auch an Hochschulen und im Rundfunk. Dagegen steht laut Kritikern die von der Verfassung garantierte Freiheit von Wissenschaft und Presse.

14. Weniger Bürokratie wagen

Entbürokratisierung soll ein Schwerpunkt sein – nicht zuletzt zur Entlastung der Wirtschaft. In Projekten sollen Maßnahmen getestet werden - auch in Modellkommunen. Außerdem wird sich künftig ein um diese Aufgabe erweitertes "Ministerium für Bund, Europa, Internationales und Entbürokratisierung" kümmern.

15. Ministerium geteilt

Acht von elf Ministerien sind demnächst in der Hand der CDU. Dazu gehören unter anderem das Innenministerium, das Finanzministerium und das neue Landwirtschaftsministerium. Für die Koalition wurde das Sozialministerium geteilt: Dessen ursprüngliche Ressorts Familie, Senioren, Gesundheit und Pflege samt des bisher zum Innenministerium gehörenden Sports erhält die CDU. Die SPD verantwortet die Aufgaben Arbeit , Integration, Jugend und Soziales.

Größtes und einflussreichstes der drei Ressorts für die SPD ist das für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und - was neu ist - ländlicher Raum. Hinzu kommt das Ministerium für Wissenschaft und Kunst.

Namen möglicher Ministerinnen und Minister sollen erst kommendes Jahr benannt werden. Änderungen auf Seiten der CDU sind gewiss, schon weil der bisherige Innenminister Peter Beuth nicht mehr für den Landtag kandidierte. Bei Abstimmungen im Bundesrat gilt wie auch schon für die noch amtierende schwarz-grüne Landesregierung: Einigen sich die Koalitionäre nicht, enthält sich Hessen.

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Koalitionsvertrag steht - was die Menschen in Hessen darüber denken

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