Ein Junge hält eine Blockflöte in der Hand, spielt und schaut in die Kamera. Daneben (angeschnitten) ein weiteres Blockflöte spielendes Kind und noch eine Erwachsene, die spielt. Alle stehen in einem Raum mit Spielzeug im Hintergrund.

Die neue Koalition in Hessen will die Blockflöte unter die Grundschüler bringen. Die Reaktionen sind gemischt. Die einen sprechen von einer "aus der Zeit gefallenen PR-Kampagne", andere loben das Potential des Projekts. Auf jeden Fall freuen sich schon die Blockflötenbauer.

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Blockflötenprojekt der neuen Landesregierung

Viele Kinder  sitzen nebeneinander auf dem Boden und spielen Blockflöte. Vor ihnen liegen Notenblätter.
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Die neue Landesregierung will Kindern möglichst früh das "Tor zur Welt der Musik öffnen". So ist es im Koalitionsvertrag von CDU und SPD formuliert, der vor wenigen Tagen unterzeichnet wurde. "Wir werden ein Blockflötenprojekt mit Schulanfängerinnen und Schulanfängern starten, bei dem die Grundschülerinnen und Grundschüler eine Blockflöte und die Lehrkräfte passendes Unterrichtsmaterial erhalten", heißt es in dem Text.

Diese Ankündigung im Koalitionsvertrag, die auf das CDU-Wahlprogramm zurückgeht, sorgte durchaus für Beachtung - auch überregionale Medien griffen das Thema auf.

"Durch Flötenunterricht in den Schulen kann Kindern ein erster Zugang zum praktischen Musizieren und zur Musik aller Gattungen ermöglicht werden", erläutert eine CDU-Sprecherin. Dadurch bekämen die Kinder die Möglichkeit, ein Instrument zu erlernen und Zugang zur Musik zu erhalten, auch wenn Eltern dies außerhalb der Schule nicht unterstützten.

GEW-Chef: Brauchen mehr ausgebildete Musiklehrer

Die Ankündigung des Blockflötenprojekts stieß auf ein geteiltes Echo. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hessen begrüßte zwar generell die Initiative zur Stärkung kultureller Bildung. Das Projekt habe durchaus Potenzial, sagt GEW-Landesvorsitzender Thilo Hartmann. Kinder lernten beim Üben mit einem Instrument, sich zu konzentrieren und auf andere zu hören. Zudem lernten sie die Noten kennen und somit Kenntnisse für andere Instrumente.

Wichtig sei es aber vor allem, einen dauerhaften Rahmen für das Projekt zu schaffen. Wie das gelingen solle, sei die "spannende Frage", so Hartmann. "Musik gilt in Hessen in allen Schulformen als Mangelfach." Nur etwa 25 Prozent der Lehrkräfte, die an Grundschulen Musik unterrichten, seien darin auch ausgebildet.

Vor diesem Hintergrund müssten für das neue Blockflötenprojekt mehr ausgebildete Musiklehrerinnen und Musiklehrer an die Schulen. "Sollten Lehrkräfte, die des Flötens unkundig sind, eine Grundschulklasse ohne Vorerfahrungen zum Musizieren bringen müssen, wird dieses Projekt scheitern", sagt Hartmann.

Aus der Zeit gefallene PR-Kampagne?

Insgesamt scheine das Projekt dann doch "eine aus der Zeit gefallene PR-Kampagne für eine Regierung zu sein, deren kulturelles Verständnis in der 1980er Jahren stehengeblieben ist", kritisiert Hartmann. Es gebe bei den Schülern deutlich angesagtere Instrumente als die Blockflöte. Fraglich sei deshalb, ob das Flöten bei den Schulkindern auf viel Gegenliebe stoßen werde. "Ohne eine gewisse Grundmotivation kann solch ein verpflichtendes Projekt auch kontraproduktiv wirken und ganzen Grundschulklassen das Musizieren verleiden."

Kritik kommt auch aus dem Parlament: Die Grünen-Landtagsfraktion, demnächst in der Opposition, äußerte sich wenig begeistert. "Es gibt sicher bessere Maßnahmen, um allen Kindern die Freude am Musizieren und am Erlernen eines Instrumentes zu ermöglichen", sagte der Fraktionsvorsitzende Mathias Wagner.

Und auch Gudrun Schwarzer, Professorin für Entwicklungspsychologie an der Universität Gießen hat Bedenken, "Blockflöten genießen nicht überall einen guten Ruf. Ihnen haftet ein verstaubtes Image an. Das sehe ich als Problem." Wenn Kinder keine Freude an dem Instrument entwickelten, könne der Spaß an der Musik Schaden nehmen.

Vorteil Blockflöte: klein, günstig, leicht transportierbar

Die Blockflöten hätten aber auch ihre Vorteile, sagt die Wissenschaftlerin. Die Instrumente seien nicht teuer in der Anschaffung, klein und leicht transportierbar. Kinder könnten damit rasch Lernerfolge erzielen und später auf andere Flöten umsteigen. Es komme einfach darauf an, dass die Initiative gut gemacht sei. Wenn dies gelänge, könnte aus dem Projekt ein Erfolg werden. Denn Musik kurbele die kognitive Entwicklung der Schüler an. Denk-, Lese- und Sprachfähigkeiten würden positiv beeinflusst. Das hätten Forschungen, an denen sie beteiligt war, bewiesen.   

Das Lernen der Blockflöte ist an Hessens Schulen im Übrigen nicht neu. An etlichen Grundschulen gibt es Flötenkurse im Klassenverband oder im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften (AG). Auch im Programm "ZusammenSpiel Musik" werden bereits Flötenkurse in vielen Grundschulen angeboten, wie die CDU erläuterte. Die Konsequenz, mit der das neue Blockflötenprojekt für alle Schulanfänger gestartet wird, ist allerdings neu.

Noch ist allerdings nicht ganz klar, wie genau das Projekt umgesetzt werden soll. Noch haben sich die neuen Koalitionäre dazu nicht geäußert, ob nun jedes neue Schulkind tatsächlich eine Flöte erhält - oder kaufen muss. Zehntausende Grundschüler kommen jedes Jahr in Hessen in die Schule.

Blockflötenbauer frohlocken

Wie auch immer: In Fulda schaut man schon gespannt auf das Projekt. Dort sitzen mit den Firmen Mollenhauer und Kunath große Hersteller der Holzinstrumente. Vielleicht entwickelt sich das Blockflötenprojekt für sie am Ende zu einem großen Konjunkturprogramm.

Das Blockflötenprojekt klinge verlockend, sagt Firmen-Inhaber Joachim Kunath. "Es ist total genial, wenn solch eine musikalische Ausbildung wieder zum Standard wird. Es werden dadurch auch viele Softskills geschult. Zum Beispiel das Zuhören. Und das können wir in unserer Gesellschaft alle gebrauchen."

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