Polter von Darmstadt 98

Der SV Darmstadt 98 hält in Gladbach erst zum zweiten Mal in dieser Saison hinten die Null und zeigt damit, wie es gehen kann. Sebastian Polter ist schon jetzt ein Führungsspieler, die direkte Rettung wird dennoch immer unwahrscheinlicher.

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Die gesamte PK nach dem Spiel zwischen Gladbach und Darmstadt

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Noch am vergangenen Wochenende hatte Lilien-Trainer Torsten Lieberknecht Startelf-Einsätze von Neuzugang Sebastian Polter quasi ausgeschlossen. Der am Deadline Day von Schalke 04 verpflichtete Stürmer, der letztmals im Oktober von Beginn an Profifußball gespielt hatte, sei "kein Heilsbringer", stellte Lieberknecht nach der 0:2-Niederlage gegen Leverkusen klar. Exakt sieben Tage später scheint der 32-Jährige bei Darmstadt 98 jedoch genau das zu sein.

Polter stand beim torlosen Gastspiel in Gladbach entgegen aller Ankündigungen eben doch in der Startelf und verkörperte dann genau das, was die Lilien für das Klassenerhalt-Wunder benötigen. Polter kämpfte, Polter war präsent, Polter riss seine Mitspieler mit. "Er nimmt als Typ im Training, in der Kabine und in der Halbzeit Einfluss. Er ist Feuer und Flamme und bringt sich voll ein", lobte Lieberknecht. Polter, dieser eher ungelenk wirkende Mittelstürmer, ist schon jetzt der Darmstädter Anker im Abstiegssumpf.

Lilien bauen auf ihre Tugenden

Ob das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen für die Lilien ist, dass ein Last-Minute-Neuzugang offenbar über Nacht zum Wort- und Anführer aufsteigen kann, sei dahingestellt. Polter, der bereits bei sieben Vereinen Bundesliga-Fußball gespielt hat, hat bei den ab und zu etwas zu lethargisch wirkenden Südhessen aber bereits einen Hallo-Wach-Effekt ausgelöst. "Ich lebe als Stürmer natürlich davon, Tore zu schießen. Ich möchte aber einfach der Mannschaft helfen", sagte der Hochgelobte nach Abpfiff. Und in Gladbach war tatsächlich eine Darmstädter Wesensveränderung spür- und sichtbar.

Die Lilien, die in den vergangenen Spielen oft ordentliche Auftritte hingelegt, dann aber regelmäßig zu leichte Gegentore kassiert hatten, konzentrierten sich gegen die Fohlen zunächst und vermehrt auf die Defensive. Die Türsteher-Dreierkette um Matej Maglica, Klaus Gjasula und Christoph Zimmermann stand stabil, das ganze Team ordnete sich dem Spiel gegen den Ball unter und lief mehr als vier Kilometer mehr als die Gastgeber. "Safety first" als neue Darmstädter Lebenseinstellung. Eine Herangehensweise, gegen die sich die Lilien, die sich so gerne spielerisch aus dem Tabellenkeller befreien würden, lange gewehrt hatten.

"Es ist in der Bundesliga als kleiner Verein ganz, ganz wichtig, die Basics auf den Platz zu bringen", fasste auch Polter das Nichtabstiegs-Rezept der Lilien zusammen. Die berühmtberüchtigten Tugenden, die in Darmstadt lange zur Vereins-DNA gehörten, lebten in Gladbach wieder auf. Das sieht zwar nicht immer schön aus und ist vielleicht nicht der modernste Ansatz. Sollte es für den Tabellenletzten noch einen letzten Strohhalm geben, steckt dieser aber definitiv nicht in einem Gute-Laune-Tikitaka-Cocktail. "Wir haben das heute als Mannschaft gut gemacht, und dazu habe ich als erster Verteidiger vorne meinen Teil beigetragen", so Polter. "Das muss die Basis sein."

Lieberknecht lobt die Defensive

Ein Ansatz, den auch Trainer Lieberknecht auf der Pressekonferenz noch einmal herausstellte. Da die wenigen Chancen vorne ungenutzt blieben und so ein größerer Schritt verpasst wurde, reichte es zwar nicht zur ganz großen Euphorie. Das erst zweite Zu-Null-Spiel in dieser Saison ist aber ein Fingerzeig, wie es gehen kann und muss. "Das war ein ordentlicher Punkt und eine ordentliche Defensivleistung", so Lieberknecht. "Wir haben uns den Punkt verdient, weil wir im Defensivbereich und im Pressing gut waren. Das hat uns geholfen."

Inwieweit die Lilien trotz dieser Steigerung noch ernsthaft an den Klassenerhalt glauben können, steht jedoch auf einem anderen Blatt. Da Union Berlin am Samstag gegen Wolfsburg gewann und auch der VfL Bochum in Frankfurt einen Punkt holte, beträgt der Abstand zu Platz 15 bereits neun Punkte. Eine Lücke, die angesichts von insgesamt gerade einmal zwölf gesammelten Zählern, nicht mehr aufholbar scheint. Die letzte Lilien-Hoffnung ist die Relegation und Platz 16, auch dieser ist aber schon drei Punkte entfernt. Die direkten Konkurrenten Mainz und Köln können zudem am Sonntag weiter davonziehen.

Es braucht auch Glück

Klar ist: Polter und die Basics bilden den Anfang. Um die Mission Klassenerhalt erfolgreich abzuschließen, brauchen die Lilien aber auch jede Menge Glück und Hilfe vom Fußballgott. "Ich glaube dran, dass es im Fußball Dinge gibt, die man nicht erklären kann", unterstrich Lieberknecht. "Dieses Gefühl lasse ich mir nicht nehmen."