Rafael Borré

Europacup-Held Rafael Borré steht bei Eintracht Frankfurt auf dem Abstellgleis. Ein Wechsel wäre sportlich nachvollziehbar, emotional würde er schmerzen.

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Eintracht Frankfurt: Helden für immer!

Collage: Die jubelnden Gewinner von Eintracht Frankfurt nach Schlusspfeif vom Spiel in Sevilla. Neben ihnen ein strahlender Axel Hellmann. Text: Eintracht Frankfurt - Helden für immer! Logo: Heimspiel
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Er kriegt ja kaum das Trikot über den Kopf, zieht und zieht. 120 Minuten in der Hitze von Sevilla, dann noch diese halbe Ewigkeit des Elfmeterschießens, diese letzte, aberwitzige Anstrengung, er der letzte Schütze, der Anlauf, das Tor, jetzt klebt das Trikot am Körper. Er zieht und zieht, während der Ball aus dem Netz zurück aufs Feld hoppelt, am Mittelkreis sind die Teamkameraden schon losgesprintet, die Arme im Himmel oder am Kopf. Christopher Lenz erreicht Rafa Borré als erstes, hebt ihn hoch, stellt ihn auf ein Podest aus Luft, endlich hat er das Trikot ausgezogen, er hält es wie eine Fahne in die Nacht, blickt fassungslos um sich, um ihn toben die Spieler, auf den Rängen die Fans: Eintracht Frankfurt ist Europapokalsieger.

Der größte Moment der jüngeren Frankfurter Vereinsgeschichte ist kaum mehr als ein Jahr her. Und doch ist die Situation für Borré eine grundlegend andere. Fans haben sich den Moment seines entscheidenden Elfmeters auf die Haut tätowieren lassen, vielleicht werden sie eines Tages Lieder über ihn singen in Frankfurt, wir haben die Eintracht im Endspiel gesehen, mit dem Rafa, mit dem Rafa. Aber aktuell ist davon nicht viel zu spüren. Am Mittwoch, als die Kollegen zum Trainingsspielchen eingeteilt wurden, musste Borré auf dem Nebenplatz individuelle Übungen machen, gemeinsam mit den ebenfalls ausgemusterten Igor Matanovic und Faride Alidou. In den Testspielen war er schon nicht mehr im Kader.

Es wäre romantisch, würde er noch eine Weile bleiben

42 Jahre hat Eintracht Frankfurt auf den europäischen Titel gewartet, als der verletzte Jürgen Grabowski 1980 den Cup entgegennahm, war er 15 Jahre im Verein. Borré kam 2021 aus Argentinien nach Frankfurt, zwei Jahre später wird er den Klub wieder verlassen. Zwei Jahre, die ein Wimpernschlag im Fußball sind, aber im modernen eben in etwa die Halbwertszeit eines Spielers bei einem Verein, und sei er noch so wichtig, ja: historisch. "Es gibt mehrere Anfragen. Es liegt an Rafa, da jetzt die Richtung vorzugeben. Es macht Sinn, dass da zeitnah eine Entscheidung getroffen wird“, konstatierte Eintracht-Sportvorstand Markus Krösche nüchtern.

Lyon soll interessiert sein, ebenso Piräus und River Plate, moderne Fußballer sind Arbeiter auf Montage, Reisende und Wanderer und der Zirkus schnell woanders. Aber bei Borré schmerzt das. Der Abend im Mai 2022 hat ihn die Riege Frankfurter Legenden erhoben, es wäre nur fair, es wäre romantisch, würde er noch eine Weile bleiben, weiter mit dem Klub verwachsen. Wäre die Geschichte noch nicht zu Ende.

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"Trapp, du Tier" - der Eintracht-Triumph zum Nachhören

Eintracht-Keeper Trapp
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"Wir hätten einem Gegner sehr, sehr viel Schaden zufügen können"

Aber so ist es eben nicht. Der Fußball ist zu selten die große Erzählung, die große Romanze, oft ist er nur eine schnöde Aneinanderreihungen von Samstagen, die dann eine Entwicklung ergeben, die in diese oder jene Richtung mäandert. Schon in der vergangenen Saison saß Borré meist draußen, er, der Europacupheld, musste hinter Sensationsstürmer Randal Kolo Muani Platz nehmen. Kam er rein, ackerte er viel und traf wenig und dann saß er wieder auf der Bank. Als Doppelspitze versuchte es Ex-Trainer Oliver Glasner selten, sehr zum Leidwesen von Borré. "Ich bin davon überzeugt, dass wir einem Gegner sehr, sehr viel Schaden zufügen können", sagte er der SZ. Und wer weiß, vielleicht hatte er Recht. Und die Dinge wären jetzt anders.

Kolo Muani ist noch da, andere Stürmer gekommen, der jüngere Jessic Ngankam hat ein ganz ähnliches Profil wie Borré, Typ Pressingstürmer, Fußballarbeiter, Devise: Immer alles geben. Und so neigt sich die Zeit des Rafael Santos Borré nach nur zwei Jahren dem Ende zu, ein Wimpernschlag, eine winzige Zeitspanne, in der er in Frankfurt quasi im Vorbeigehen zur Legende geworden ist. "Ich hatte das Gefühl, Verantwortung auf den Schultern zu tragen - für die Stadt, den Klub, die Fans", sagte er über sein Siegtor in Sevilla. Anschließend trugen sie ihn auf den Schultern, das wird für immer bleiben, auch wenn er schon geht.