Von der Fast-Pleite bis zum Aufstiegs-Endspiel TV Hüttenberg schreibt am Handball-Märchen
Vor kurzem stand der Klub noch vor dem Aus, jetzt kann der Handball-Zweitligist TV Hüttenberg mit einem Sieg den Aufstieg perfekt machen. Hinter der Sensation steckt eine Halle wie aus einer anderen Zeit - und der beste Trainer der Liga.
Es ist jetzt schon eines der Sport-Märchen des Jahres und könnte am Wochenende endgültig sein Happy End bekommen. Noch vor anderthalb Jahren stand der TV Hüttenberg vor dem Aus, jetzt peilt er den Aufstieg in die Handball-Bundesliga an. Ein Sieg am Samstag (18 Uhr) bei den Eulen Ludwigshafen und die Hüttenberger könnten wohl die Sensation perfekt machen.
"Der Traum ist zum Greifen nah, jetzt willst du auch hochgehen", sagt Kapitän Hendrik Schreiber im Gespräch mit dem hr-Sport. Der Routinier will aber, wenn möglich, den Druck von der jungen Mannschaft fernhalten: "Wir wollen einfach Spaß am Handball haben." Am letzten Spieltag liegen die Hüttenberger auf dem Aufstiegsrang zwei; Konkurrent Minden hat zwar genauso viele Punkte auf dem Konto, aber die um 17 Treffer schlechtere Tordifferenz. Also: Ein Sieg und die Hüttenberger sind mit ziemlicher Sicherheit durch!
Exotische Heimstätte als Geheimnis
Ein Grund für die sensationelle Runde: Hüttenberg hat zu Hause 16 Spiele gewonnen und nur ein Mal unentschieden gespielt. "Die Zuschauer in den ersten Reihen können den Außen anpacken, das ist Handball-Romantik, wie es mal war. Das ist eine Enge, in der der Gegner Angst bekommt", drückt es Geschäftsführer Timm Schneider aus. Bei einem Aufstieg in die Erste Liga würden die Hüttenberger nach Frankfurt umziehen, die Organisation im Hintergrund ist dafür schon abgelaufen.
"Es gibt (heutzutage) immer mehr Arenen. Hier bei uns mag die Kapazität geringer sein, aber dafür ist es immer voll", so Kapitän Schreiber. "Das pusht dich als Heimspieler und wird für die Auswärtsmannschaften unangenehm." Am vergangenen Wochenende schlugen die Hüttenberger in eigener Halle die Dresdner mit 29:23 und brachten sich so in die gute Ausgangslage für den letzten Spieltag. Seitdem befindet sich die Gemeinde auf einer Euphoriewelle - oder wie es der Geschäftsführer ausdrückt: "Das ganze Dorf spielt verrückt."
Die Gemeinde rettet den Klub
Das Dorf war es auch, das den Klub vor anderthalb Jahren am Leben hielt. Seinerzeit titelte hessenschau.de: "Hüttenberg droht das Aus!" Bis zum Saisonende musste der TV Zuschüsse und Einnahmen im mittleren sechsstelligen Bereich generieren. Der Grund für die Finanzlücke lag auch in der Corona-Zeit begründet, laut Vereinsmitteilungen fehlten Sponsoring- und Ticketeinnahmen.
Dann aber zeigte sich ein Bund der Solidarität: 400.000 Euro kamen durch Spenden und Sponsoren zusammen, auch Teams wie der TVB Stuttgart boten Benefizspiele an. Die Gemeinde beschloss zudem auf einer Sitzung, dass der Restbetrag in Höhe von 76.000 Euro übernommen werden würde. Erst da konnten die Hüttenberger aufatmen und sich ganz auf den sportlichen Klassenerhalt konzentrieren.
Kneer ist "Trainer des Jahres"
Das mit dem Klassenerhalt könnte in diesem Jahr womöglich nicht klappen, aus dem erfreulichsten aller Gründe, dem Aufstieg. Das Husarenstück wäre eng mit dem Namen Stefan Kneer verknüpft. Der Trainer übernahm 2022 die Mannschaft und führte sie nach Platz 12 im Vorjahr in die Aufstiegsränge. Aus dem Team ist zu hören, dass Kneer gerade für die junge Mannschaft der perfekte Trainer sei. In der vergangen Woche wurde Kneer zum "Trainer der Saison" in der Zweiten Liga gekürt.
Kneer wurde als Spieler mit den Rhein-Neckar Löwen 2016 Deutscher Meister und strahlt auch vor dem alles entscheidenden Spiel besondere Ruhe aus. "Ich bin sehr gut mit dem Geschäftsführer von Minden (Nils Torbrügge) befreundet, wir haben heute eine halbe Stunde telefoniert, da ging es fünf Minuten um das Spiel, ansonsten nur um Privates", sagte Kneer am Montag dem hr-Sport. Er lobt sein Team vor allem für die mannschaftliche Geschlossenheit. Beim Sieg über Dresden habe kein Einzelner über fünf Tore erzielt, Hüttenberg strahlt übers Kollektiv. "Das ist auch der Grund, warum wir in der zweiten Halbzeit noch zulegen können", so Kneer.
Er kann seiner Mannschaft zudem zwei gute Gründe zur Selbstsicherheit mitgeben: 400 Fans begleiten die Hüttenberger, das verrückte Dorf auf Tour sozusagen. Und: "Wir haben den Aufstieg selbst in der Hand", so Kneer. Wer hätte so einen Satz vor einiger Zeit in Hüttenberg für möglich gehalten!?