Spitzensport am Mainufer Frankfurter Yachtclub hisst die hessische Fahne in der 2. Segel-Bundesliga
Segeln auf dem Main, das klingt nach Bahnen ziehen im Planschbecken. Tatsächlich bieten sich rund 500 Kilometer entfernt von der nächsten Küste beste Bedingungen. Nicht das einzige Missverständnis, mit dem der Frankfurter Yachtclub aufräumen möchte.
Man muss nicht lange suchen, um Menschen zu finden, die von Segeln keine Ahnung haben. Die meisten werden nicht mal wissen, dass es eine 1. und 2. Bundesliga gibt mit je 18 Teams, Auf- und Abstieg. Sich an Fußballterminologie zu halten, erhöht die Anschlussfähigkeit. Egal wie ausgeprägt das Unwissen über die Sportart auch ist, der Frankfurter Yachtclub klingt schon vom Namen her, als wolle er sich mit den Grundgesetzen des Physik anlegen. Segeln auf dem Main – das soll funktionieren?
Main bietet beste Bedingungen
Der Fluss ist dabei als Trainingsfläche nicht mal ein Standortnachteil, erklärt einer, der es besser weiß. "Gerade für die Liga ist es eigentlich optimal, auf kurzen Flächen viele Manöver zu trainieren. Wir haben eine Top-Infrastruktur. Eigentlich super Bedingungen zum Segeln hier", sagt Florentin Muchenberger. Er ist Taktiker auf dem Vierer-Boot des FYC, das in der kommenden Saison erstmals in der 2. Bundesliga startet.
Der überwiegende Teil der Konkurrenz hat zwar durchaus ein größeres Gewässer vor der Tür. Den Starnberger See, den Wannsee, die Alster. Nur rund 30 Prozent der Teams stammen aber direkt von der Küste. Muchenberger segelte vorher in Konstanz am Bodensee, kam fürs Studium nach Frankfurt.
Dort erarbeitete er gemeinsam mit dem 2. Vorsitzenden Wolfgang Zientek die Vision eines Bundesliga-Teams. Die sportliche Qualifikation gelang am Ende souverän – als bestes aller Teams, die um die Aufnahme konkurrierten. Die finanziellen Voraussetzungen zu schaffen, war eine ungleich größere Herausforderung. "Die Saison kostet, nur dass du starten kannst, 10.000 Euro. In der ersten Liga wird's noch ein bisschen teurer", erklärt Zientek.
Tour de Force in Dreier-Stockbetten
Sich überhaupt ein eigenes Boot zu organisieren, war bereits ein Kraftakt. Johanna Heerdt, in deren Verantwortungsbereich auf Position drei im Viererteam das Focksegel und der richtigen Trimm gehören, erinnert sich: "Wir sind Wochenende für Wochenende durch die Lande getingelt, haben in Dreier-Stockbetten in Vereinsheimen geschlafen, wo wir uns ein Boot mieten konnten, um für ein Wochenende zu trainieren. Das musste sich erstmal finden."
In einer Sportart, in der nicht Technik, Kraft oder Material über Sieg und Niederlage entscheiden, ist die Teamchemie einer der wichtigsten Schlüssel. "Du kannst die besten Einzelsegler haben, wenn du als Team nicht funktionierst, daran sind schon viele gescheitert", sagt Zientek.
"Mehr Purzelbäume geschlagen als sonst was"
Neben der Qualifikation über den DSL-Pokal war das Zusammenwachsen also die Überschrift der vergangenen Saison. "Wir waren alles Einzelsegler. Jeder musste erstmal seine Position finden", sagt Herdt. "Ich glaube, jeder hat am Anfang mehr Purzelbäume geschlagen als sonst was."
Denn erfolgreiche Segler müssen eine breites Skillset mitbringen. "Man lernt sich ein bisschen ins Ingenieurwesen reinzudenken, sich auf Physik zu konzentrieren. Man lernt aber genauso auch, ein Team zu leiten und zu führen oder auch sich unterzuordnen", erkärt Muchenberger.
"Muskeln, von denen du nicht wusstest, dass du sie überhaupt hast"
Auch wenn es häufig auf einen Wettstreit um die beste Taktik hinausläuft, ist es am Ende aber auch eine physische Sportart. "Für die meisten sieht es von außen entweder entspannter oder spektakulärer aus, als es tatsächlich ist", sagt Herdt. "Aber am Ende benutzt du immer Muskeln, von denen du gar nicht wusstest, dass du sie überhaupt hast."
Segeln begeistert, ohne dass diejenigen, die davon begeistert sind, es in wenige Worte fassen könnten. Muchenberger versucht es trotzdem: Man vergesse alles um sich herum. Und es bringe einen in vielen Teilbereichen des Lebens weiter, wenn man segle. "Noch jeder, der mit auf einem Boot war, war am Ende begeistert davon", behauptet Herdt. Sie selbst fand schließlich nur widerwillig zum Segeln, sprang bei einem Anfängerkurs als Ersatz ein. Das war bereits nach dem Abitur. Nun startet sie in der 2. Bundesliga.
Zwischen Reichensport und Breitensport
Ein Fallbeispiel, das Vereinsvize Zientek darin bestärkt, weiter Schwellenangst abzubauen. Der Frankfurter Yachtclub führt dazu etwa mit Schülern aus sozialen Brennpunkten durch und will die Nachwuchsarbeit weiter intensivieren. Ein Reichensport sei Segeln zwar in gewisser Weise schon, räumt Zientek ein. Dieses Bild sei aber vor allem durch Luxusyachten geprägt und deren Besitzer geprägt, die natürlich große Aufmerksamkeit auf sich ziehen. "Auf der anderen Seite ist es ein absoluter Breitensport." Die Jahresmitgliedschaft beim FYC kostet 90 Euro.
Als sportliches Aushängeschild will das Zweitliga-Team deshalb weiter Werbung für den Segelstandort Frankfurt machen und am liebsten mit dem Bundesliga-Team als Aushängeschild so hoch wie möglich hinaus. Schon vor dem ersten Jahr in der 2. Bundesliga, das am 9. Mai auf der Kieler Förde beginnt, macht aus der mittelfristigen Zielvorgabe niemand einen Hehl: die 1. Bundesliga soll's werden. "Als Neueinsteiger direkt den Durchmarsch zu schaffen, wird nicht einfach, aber das ist auf jeden Fall unser langfristiges Hauptziel", erklärt Muchenberger.
Dann würden vielleicht irgendwann nur noch wenige die Frage stellen, ob man auf dem Main eigentlich gut segeln kann.