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Betriebsrat sieht Asklepios-Klinik Melsungen vor dem Aus

Der Haupteingang der Asklepios-Klinik in Melsungen (Schwalm-Eder).

Wenn das neue Jahr beginnt, könnte die Zeit der Asklepios-Klinik in Melsungen enden. Zu viele Mitarbeiter haben gekündigt, um den regulären Betrieb aufrecht zu erhalten. Die Schuld daran geben sich der Schwalm-Eder-Kreis und der Klinikbetreiber gegenseitig.

Was nach dem 1. Januar des neuen Jahres im Asklepios-Klinikum Melsungen (Schwalm-Eder) passiert, weiß niemand so genau. Dort, wo der Betreiber als Akut- und Notfallkrankenhaus "Spitzenmedizin" zusichert, dürfte dann kaum noch ein Mitarbeiter vor Ort sein, um dieses Versprechen zu erfüllen.

"Jeden Tag kommen Kündigungen rein", sagt der Betriebsratsvorsitzende Klaus Bölling. Nach dem Jahreswechsel seien weder genug Ärzte noch genug Pflegekräfte übrig, die den Betrieb in der Klinik aufrecht erhalten könnten. "Ich denke, dass über die Hälfte der Kolleginnen und Kollegen nicht mehr da sein wird", sagt Bölling.

Klinikgebäude ist marode

120 Angestellte hatte es eigentlich gegeben - die meisten von ihnen würden mit dem Herzen am Klinikum hängen, sich seit vielen Jahren ins Zeug legen für den Standort und die Patienten. "Doch der Umgang mit den Angestellten ist ganz erbärmlich", sagt Bölling.

Die Gründe dafür liegen Jahre zurück. Die Klinik war privatisiert worden, mit klaren vertraglichen Bedingungen: Asklepios würde sie sanieren oder gar neu bauen müssen, denn das Gebäude ist marode. Die medizinische Grundversorgung müsse sichergestellt werden.

Doch es kam anders. "Asklepios hat immer wieder behauptet, sie würden bauen", sagt der Erste Kreisbeigeordnete, Jürgen Kaufmann (SPD). 2018 habe es sogar eine Grundsteinlegung gegeben. "Doch zum gleichen Zeitpunkt hat Asklepios ein Gutachten besorgt, demzufolge eine chirurgische Station hier überflüssig sei", sagt Kaufmann.

"Die Belegschaft ist am Boden zerstört"

Asklepios habe statt einer grundversorgenden Klinik plötzlich eine Spezialklinik für Geriatrie bauen wollen. "Das hat zu Irritationen und Vertrauensverlust geführt", sagt Kaufmann. Und zu einer "völlig unsicheren Situation" für die bisherigen Angestellten, die sich seitdem umgeschaut und anderswo beworben und unterschrieben hätten.

"Die Belegschaft ist am Boden zerstört, wir fühlen uns von allen allein gelassen", sagt eine Krankenschwester, die anonym bleiben möchte. Die Angestellten seien "hintergangen und belogen" worden. Ihnen sei mitgeteilt worden, dass Asklepios die Klinik schließe. Und von der Politik verspreche man sich in der Belegschaft nichts mehr. Deswegen habe auch sie sich dazu entschlossen, zu kündigen.

Hört man sich unter den anderen Angestellten um, sind die Aussagen ähnlich. Viele hätten sich krank gemeldet, in Nachtschichten sei zu wenig Personal verfügbar und es werde brenzlig, wenn weitere Mitarbeiter ausfielen.

Asklepios sieht die Schuld beim Landkreis

"Dass manche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angesichts der nicht durch uns zu verantwortenden Unsicherheiten andere Jobangebote angenommen haben, können wir das durchaus nachvollziehen", teilt die Asklepios auf hr-Anfrage mit. Sie sieht die Schuld beim Landkreis, der stets auf einem vollständigen Klinikneubau beharrt hätte - auch als das schon längst völlig unrealistisch gewesen sei. Konstruktiven Gesprächen über Fachklinik-Konzepte habe sich der Kreis entzogen.

"Asklepios wollte sich nicht bewegen, die Grundversorgung sicherzustellen", sagt dagegen der Erste Kreisbeigeordnete Kaufmann. Der Klinikbetreiber hätte aber immerhin zugestimmt, dass der Landkreis Verhandlungen mit anderen potenziellen Klinikbetreibern aufnehme. Nur: "Auch Fritzlar und Kassel haben das abgelehnt - sie können eine Grundversorgung hier nicht wirtschaftlich betreiben."

"Dass auch die Gesundheit Nordhessen Holding nicht bereit war, den Versorgungsauftrag inklusive eines Krankenhausneubaus einzugehen, zeigt, wie schwierig die Situation ist", sagt Asklepios. So sind sich die Konfliktparteien immerhin in dem Punkt einig, den Kaufmann zusammenfasst: "Ein normales Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung ist in Melsungen so nicht mehr zu betreiben."

Schwalm-Eder-Kreis plant Gesundheitszentrum

Der Landkreis habe sich daher entschlossen, den Umbau des Standortes in ein sogenanntes Intersektorales Gesundheitszentrum zu forcieren. Dieses soll unter anderem über eine Rettungsstelle mit Notarzt und -einsatzfahrzeug, eine zentrale Notaufnahme, einen ärztlichen Bereitschaftsdienst und ein ambulantes OP-Zentrum verfügen. "Ein solches Gesundheitszentrum mit ausreichend Personal zu versorgen, ist hier möglich", sagt Kaufmann. Wann dieses Konzept umgesetzt werden soll, ist noch unklar - an einer zeitnahen Lösung werde gearbeitet.

Die zeitnahe Zukunft der Klinik in Melsungen liege in einer sichergestellten Notfallversorgung. "Der Notarzt bleibt in Melsungen und wird genauso agieren, wie bisher", sagt Kaufmann. Schon jetzt fahre dieser in der Regel die anderen Krankenhäuser der Umgebung an. "Wir müssen davon ausgehen, dass sich nichts Wesentliches ändert, nur die letzte stationäre Versorgung findet nicht mehr in Melsungen statt", sagt Kaufmann.

Jobgarantie oder Unklarheit?

"In Melsungen wird auch über das Jahresende hinaus eine Notarztversorgung sichergestellt sein", bestätigt auch Asklepios. Patienten würden je nach Standort und Diagnose in das nächstgelegene geeignete Krankenhaus transportiert. Auch ein Ärztlicher Bereitschaftsdienst werde nach wie vor in Melsungen gewährleistet sein.

"Leider gibt es keine klare Aussage, wie es mit den verbliebenen Mitarbeitern in Melsungen weitergeht", sagt Betriebsratsvorsitzender Bölling aber. Immerhin sei man mit der Geschäftsführung im engen Austausch. "Tatsächlich wird dort alles getan, dass keiner hier ohne Job da steht." Wer bei Asklepios bleiben oder in die Kliniken nach Schwalmstadt oder Bad Wildungen wechseln will, dem werde das auch ermöglicht.

"Für die Jobgarantie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt es nach wie vor die Rückendeckung unseres Vorstandes", teilt Asklepios auch mit. Für die Mitarbeiter bleibt also zu hoffen, dass immerhin dieses Versprechen gehalten werden kann.

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