Menschen, die sich in einem Wasserbecken um einen Wasserstrahl gruppieren. Die Wasseroberfläche dampft.

Hessens Heilbäder sind wegen der aktuellen Krisen in Not. Aufgrund des Spardrucks und explodierender Energiekosten schließen einige Thermen, schränken Leistungen ein oder erhöhen die Preise. Die Heilbäder und Kurorte hoffen auf Finanzspritzen aus der Politik.

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Energiekrise belastet Heilbäder in Hessen

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Hessens Heilbäder werden wieder eiskalt erwischt. Erst die Einschränkungen und Schließungen wegen der Corona-Pandemie, nun die nächsten Nöte und Zwänge: Die Energiekosten explodieren - und fliegen den Heilbädern und Kurorten um die Ohren.

Energiesparen lautet das Gebot der Gegenwart wegen der Folgen des Ukrainekriegs. Einige Hallenbäder in Hessen haben nach Appellen aus der Politik auch schon zähneknirschend die Raum- und Wassertemperaturen reduziert. Das ist für Schwimmkurse problematisch. Doch bei den Heilbädern ist kälteres Wasser noch viel problematischer.

Warmes Wasser zu Therapie-Zwecken

Die Geschäftsführerin des Hessischen Heilbäderverbands, Almut Boller, erklärt: "Die Bäder sind Gesundheitseinrichtungen, und das warme Wasser wird auch zu therapeutischen Zwecken genutzt. Sportschwimmer, die sich stärker im Becken bewegen, kommen womöglich mit etwas kälterem Wasser klar. Aber für unsere Klientel, zum Beispiel für Rheuma-Kranke, ist das unmöglich."

Deswegen lautet auch in Bad Sooden-Allendorf (Werra-Meißner) die Devise: Nicht sparen, sondern Gas geben für möglichst mollig warmes Wasser. Das Heilbad in Nordhessen wirbt ganz bewusst damit, dass in diesen harten Zeiten eben nicht an der Heizung gespart wird - und hofft auf regen Besucher-Zuspruch.

Volle Leistung: "Das ist der Deal"

Kurdirektor Jens Lüdecke sagt: "Die Therme ist die Schlüssel-Infrastruktur für den gesamten Ort. Wir leben vom Tourismus, wir leben von der Kur. Die Gäste zahlen den vollen Preis und bekommen dafür auch die volle Leistung. Das ist gewissermaßen der Deal."

Die Therme ist wichtig für die Vitalität des gesamten Ortes. Wenn der Betrieb gut läuft, profitieren auch andere Branchen: Hotels, Restaurants, Dienstleistungen und der Einzelhandel. Kur- und Wellnessgäste kurbeln schließlich den Konsum an. "Wir wissen, es wird teurer, wenn wir auflassen. Aber es wird noch teurer, wenn wir zumachen", betont Lüdecke.

Energiekosten vervierfacht

Doch die volle Leistung anzubieten, wird für immer mehr Heilbäder zum Kraftakt. In der Therme in Bad Soden-Salmünster (Main-Kinzig) haben sich die Energiekosten fast vervierfacht. Sie stiegen von 350.000 Euro auf rund 1,3 Millionen Euro im Jahr, wie der Heilbäderverband exemplarisch berichtet. Und ohnehin seien die Anlagen in Heilbädern und Kurorten kostspielig. Der Jahresunterhalt für das Gradierwerk in Bad Nauheim (Wetterau) schlägt beispielsweise mit 80.000 Euro zu Buche, wie Geschäftsführerin Boller sagt.

Der Kostendruck führt zu mehr als massiver Krisenstimmung. Almut Boller sagt: "Die Situation ist extrem schwierig für Hessens Heilbäder. Einige haben bereits geschlossen, andere werden schließen müssen - zumindest vorübergehend. Andere Bäder wissen sich womöglich noch zu helfen mit Preisanpassungen oder eingeschränkten Leistungen."

Bad Hersfelder Therme schließt zum Monatsende

Die Kurbad-Therme in Bad Hersfeld schließt zum Ende des Monats bis auf Weiteres. "Da ein Wellnessbetrieb nicht im Sparbetrieb betrieben werden kann", lautet die Begründung. Auch die Therme in Bad Salzhausen (Wetterau) hat bereits dicht gemacht.

Damit nicht noch weitere Heilbäder zugrunde gehen, fordert der Verband Finanzhilfen. Die Ausschüttungen aus dem sogenannten Bäderpfennig vom Land Hessen sollten erhöht werden. Von aktuell 13 Millionen auf 18 Millionen Euro, wie der Verband für seine mehr als 30 Mitglieder im Land empfiehlt.

Angst vor der nächsten Corona-Welle

Aber auch der Bund müsse sich engagieren, sagt Boller. Etwa indem Reha-Kliniken in den Kurorten und Heilbädern vor dem Kollaps bewahrt werden. Schon wegen der Corona-Pandemie sei der Finanzdruck enorm gestiegen. Was bei einer neuerlichen Corona-Welle passieren könnte - daran mag die Verbandschefin gar nicht denken.

Denn Corona hat bereits zu einer Schrumpfkur sondergleichen in den Heilbädern und Kurorten geführt. Im Jahr 2020 hätten sich deswegen die Umsatzeinbußen - über alle Branchen und Profiteure hinweg - auf 890 Millionen Euro summiert, berichtet Boller.

Heilbäder wichtig für Tourismus

Und dabei sind die Heilbäder und Kurorte wichtig für den Tourismus: Sie machen alleine rund ein Viertel bis ein Drittel aller Übernachtungen im Bundesland aus. Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) sagt deswegen: "Die Heilbäder und Kurorte sind ein wichtiger Faktor für den Tourismus, die Gesundheitswirtschaft und die Lebensqualität der Bevölkerung."

Leistungsfähige Heilbäder und Kurorte seien unverzichtbar, erklärt auch Boller. Denn ihre Einrichtungen kämen allen Altersklassen zugute. "Wir haben auch sehr viele jüngere Gäste und Familien, die das warme Wasser in den Bädern sehr zu schätzen wissen. Auch viele Kinder lernen dort schwimmen", betont Boller mit Blick auf die breite Besucher-Struktur. "Ihnen würde etwas fehlen, wenn nicht bald mehr Unterstützung kommt."

SPD und Linke: Land muss helfen

Dem Ruf nach Unterstützung für die Heilbäder durch das Land schließen sich SPD und Linke an. "Eine Schließung der Bäder würde die Gesundheitsprävention beeinträchtigen und wäre darüber hinaus mit erheblichen technischen Problemen verbunden", sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, Tobias Eckert, am Dienstag. Von Al-Wazir forderte er, einen "praktikablen Plan" zu entwickeln, der die Kur- und Heilbäder nachhaltig unterstützt.

Die Linke-Fraktion im Landtag betonte in einer Mitteilung vom Dienstag die Bedeutung der Heilbäder für den ländlichen Raum. Mit ihnen seien viele Arbeitsplätze verbunden, so die Gesundheitsexpertin Christiane Böhm. "Für die betroffenen Kommunen geht es um wesentliche Steuereinnahmen, die wegzufallen drohen und den Spardruck weiter erhöhen würden." Um langfristig schwere Schäden an den Kurorten zu verhindern, müsse die Landesregierung umgehend eine höhere Unterstützung zusichern.

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