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Warum viele Neubauprojekte stocken

Neubaugebiet mit vielen Häusern im Rohbau und Baukräne

Der Wohnungsmarkt ist in Hessen schon jetzt angespannt. Und um den zukünftigen Bedarf zu decken, müssten in den nächsten Jahren hunderttausende Wohnungen dazukommen. Doch im Moment treten viele Baugesellschaften auf die Bremse.

Im südhessischen Dieburg sollte auf dem Gelände eines ehemaligen Krankenhauses ein neues Wohnquartier entstehen. Die Baupläne hat die zuständige Baugesellschaft F&R Projektbau zwar fertiggestellt, doch umsetzen wird sie sie erst einmal nicht. Das hat ihr Geschäftsführer Christian Früchtenicht Anfang Januar bekannt gegeben.

Der Baustopp frustriert ihn selbst: "Es nervt, weil wir für die Planung viel Geld in die Hand genommen haben und es ewig gedauert hat, bis wir damit fertig waren." Die Planung hat sich über zwei Jahre hingezogen. In dieser Zeit sind die Kosten für das Bauprojekt um zehn Millionen Euro gestiegen, auf insgesamt 60 Millionen Euro.

Für den privaten Bauträger rechnet es sich damit erst einmal nicht mehr. Man habe nun eine Planungspause eingelegt – auf unbestimmte Zeit.

Baupreise schießen in die Höhe

Das Problem ist, dass Bauen immer teurer wird, sowohl die Handwerkerleistung als auch die Materialien wie Holz, Stahl oder Beton. "Vorher haben wir für den Kubikmeter Beton 85 Euro bezahlt, mittlerweile sind es bis zu 120 Euro", rechnet der Geschäftsführer vor. Laut Statistischem Landesamt in Wiesbaden sind die Bauleistungen in Hessen im vergangenen Jahr um 13,8 Prozent gestiegen. Bundesweit gab es zuletzt sogar einen Anstieg von fast 17 Prozent.

Dazu kommt, dass auch die Bauzinsen immer weiter steigen, auf mittlerweile fast vier Prozent. Damit werden Kredite nicht nur für die Baugesellschaft immer teurer, sondern auch für deren Kunden, wenn sie damit eine Immobilie finanzieren wollen. "Damit lohnt es sich für die meisten nicht mehr, so eine Wohnung zu kaufen, und für uns lohnt es sich nicht mehr, sie zu bauen", so Früchtenichts Fazit.

"Solche Mieten können sich viele nicht leisten"

Auch andere hessische Bauprojekte geraten ins Stocken, etwa in Darmstadt der neue Stadtteil Ludwigshöhviertel. Von insgesamt 1.400 Wohnungen werden vorerst nur knapp 100 gebaut. Wann der Rest kommt, ist nach Angaben des Bauvereins Darmstadt unklar. Ähnlich hat die Frankfurter ABG beim Wohngebiet Hilgenfeld eine Pause eingelegt.

Die Gewobau Rüsselsheim behält sich bei neuen Baumaßnahmen ebenfalls vor, sie auf ihre Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls zu verschieben oder gar aufzugeben.

Der Immobilienkonzern Vonovia, der in Hessen rund 32.000 Wohnungen besitzt, hatte als einer der ersten bekannt gegeben, dass er bis auf weiteres gar keine neuen Bauprojekte mehr in Angriff nehmen wolle. Denn um die Baukosten hereinzuholen, müsste Vonovia statt wie früher im Schnitt 12 mittlerweile bis zu 20 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete verlangen, erklärt Pressesprecher Olaf Frei: "Das ist aber völlig unrealistisch, solche Mieten können sich viele Menschen nicht leisten."

Auch für die landeseigene Wohnungsgesellschaft Nassauische Heimstätte wird es nach eigenen Angaben immer schwieriger, bezahlbare Mietwohnungen zu bauen. Die Frankfurter GWH rechnet langfristig ebenfalls mit einem Anstieg der Mieten. 

Förderanträge werden immer komplizierter

Deswegen fordern viele Baugesellschaften, der Staat solle helfen. Der fördert über die staatseigene Förderbank Kfw bereits energieeffizientes Bauen, stellt dafür allerdings immer höhere Anforderungen. So müssen Bauherren etwa nachweisen, dass sie ressourcenschonend bauen und dass ihre Baukonstruktionen gut zu recyclen sind. Außerdem waren manche Fördertöpfe zwischenzeitlich plötzlich leer – was in der Baubranche für ziemlichen Unmut sorgte.  

Das Land Hessen wiederum fördert nach eigenen Angaben insbesondere Sozialwohnungen. Indirekt unterstütze man damit aber auch den gesamten Wohnungsbau, betont der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir: "Damit hoffen wir, unseren Teil dazu beizutragen, dass bei diesen ganzen Neubauprojekten nur mal kurz die Pause-Taste gedrückt wurde und sie im Laufe des Jahres wieder anspringen", so der Wirtschaftsminister. Parallel bremse man den Mietpreisanstieg da, wo der Markt besonders angespannt sei, etwa mit Mietpreisbremsen.

Die Zahl der Baugenehmigungen sinkt

Laut einem Gutachten des Darmstädter Instituts für Wohnen und Umwelt müssen für den Zeitraum von 2018 bis 2040 rund 367.000 Wohnungen neu geschaffen werden, um den zusätzlichen Bedarf etwa durch Zuwanderung abzudecken. Diese Vorgaben hat das Land Hessen nach eigenen Angaben bisher mehr als erfüllt. Allein in der Zeit von 2018 bis 2021 seien 77.000 neue Wohnungen entstanden. Insgesamt gab es laut Statischem Bundesamt in Wiesbaden damit 2021 rund 3,1 Millionen Wohnungen.

Der Bauindustrieverband Hessen-Thüringen allerdings betont, dass sei immer noch zu wenig und bleibe hinter dem tatsächlichen Bedarf zurück. Dazu kommt laut Verband, dass für immer weniger Wohnungen Baugenehmigungen erteilt würden.

2022 seien es schätzungsweise noch rund 21.000 gewesen, 12 Prozent weniger als im Jahr zuvor. "Und wenn im letzten Jahr weniger Genehmigungen erteilt wurden, werden dieses Jahr weniger Wohnungen fertig gestellt", erklärt Hauptgeschäftsführer Burkhard Siebert. Er vermutet, dass sich dieser Trend fortsetzen wird, solange sich die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau nicht ändern.

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