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Verbraucherzentrale klagt gegen Stromio

Euro-Geldscheine liegen neben einem Elektrostecker und einer Steckdosenleiste.

Die Verbraucherzentrale Hessen hat Klage gegen den Billiganbieter Stromio eingelegt. Dieser hatte im Dezember 2021 überraschend die Stromlieferungen an tausende Haushalte eingestellt. Alle Betroffenen sollen nun finanziell von der Klage profitieren können.

Die eingestellten Lieferungen des Stromanbieters Stromio GmbH könnten nun rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Denn die Verbraucherzentrale Hessen hat Klage gegen den Billiganbieter eingelegt.

Am Dienstag sei die Musterfeststellungsklage am Oberlandesgericht Hamm eingereicht worden, wie die Verbraucherzentrale dem hr mitteilte.

Mit dieser wolle man im Namen der betroffenen Kunden gegen die Kündigungen vorgehen und Schadenersatz für diese erwirken. Alleine in Hessen seien mehr als 10.000 Haushalte betroffen. Bundesweit könnte es um 100.000 Haushalte gehen, denen Stromio plötzlich gekündigt habe.

"Kein zulässiger Grund"

"Wir sind der Meinung, dass Stromio die Verträge mit seinen Kunden nicht einseitig hätte beenden dürfen", sagte Philipp Wendt, Vorstand der Verbraucherzentrale Hessen. "Nach unserer Ansicht sind Preiserhöhungen auf dem Beschaffungsmarkt kein rechtlich zulässiger Grund, um sich seiner vertraglichen Pflichten zu entledigen."

Preissteigerungen gehörten zum unternehmerischen Risiko dazu. Diese dürfe der Anbieter nicht einfach ungefragt auf seine Kundschaft abwälzen.

Die Energiediscounter Stromio, Gas.de und die gemeinsame Marke Grünwelt hatten im Dezember 2021 ohne Vorwarnung die Lieferung von Strom eingestellt. Zahlreiche Kunden fielen daraufhin in die Grundversorgung und mussten bei den kommunalen Versorgern teils deutlich teurere Tarife für Neukunden in Kauf nehmen.

Stromio: Werden Forderungen ausgleichen

"Unsere Mandantin bedauert es ausdrücklich, dass Stromlieferverträge aufgrund der historisch einmaligen Preisexplosionen am Energiemarkt gekündigt werden mussten", teilte der Anwalt des Unternehmens dem hr am Dienstag mit.

Stromio empfehle Kunden, die Forderungen aufgrund der gekündigten Stromlieferverträge geltend machen möchten, sich an das Unternehmen direkt zu wenden. Berechtigte Forderungen würden entsprechend ausgeglichen. Auch Mehrbelastungen könne man "mindestens im Kulanzwege mit den Kunden regeln".

Betroffene können sich in Register eintragen

Die Verbraucherzentrale hält hingegen an ihrer Klage fest: Die vorlegte Musterfeststellungklage soll für die Betroffenen den Vorteil bieten, dass sie nicht einzeln gegen das Unternehmen klagen müssen. Das übernehme stattdessen die Verbraucherzentrale, inklusive Gerichtskosten.

Die betroffenen Kundinnen und Kunden können sich in ein Register eintragen und so klagen. Dies sei möglich, sobald das Oberlandesgericht die Klage für zulässig erachtet, teilte die Verbraucherzentrale Hessen mit. Erfahrungsgemäß könne das noch einige Wochen dauern.

"Für den Eintrag in das Klageregister haben Betroffene ausreichend Zeit. Das geht bis einen Tag vor der ersten mündlichen Verhandlung", so Wendt. Die Verbraucherzentrale informiere online fortlaufend über den aktuellen Stand.

Wer sich an der Klage beteiligen möchte, soll laut Verbraucherzentrale die Höhe des entstandenen Schadens dokumentieren. "Grob gesagt, errechnet sich der Schaden aus der Differenz des Preises, den die Betroffenen in der Ersatz- oder Grundversorgung oder bei einem weiteren Stromanbieter bezahlen, abzüglich des Preises, der mit Stromio für die Vertragsdauer vereinbart war", so Wendt.

Weitere Schadenersatzforderungen laufen

Weitere Schadenersatzforderungen gegen die Energiediscounter laufen bereits, wie das Handelsblatt berichtete. Die ersten Sammelklagen bereiten die Legal-Tech Firmen Veneko und Rightnow vor. Beide Unternehmen planen, die Forderungen von tausenden Ex-Kunden zu bündeln.

Bei der Düsseldorfer Rightnow Group hätten sich Anfang des Jahres binnen zwei Wochen mehr als 25.000 Interessenten für eine Sammelklage gemeldet. Rightnow kaufe den Kunden ihre potenziellen Forderungen ab, erklärte Geschäftsführer Phillip Eischet dem Handelsblatt. Diese erhielten eine "Sofortentschädigung" und hätten danach nichts mehr mit den umstrittenen Energieanbietern zu tun.

Veneko hingegen will die Ex-Kunden erst dann ausbezahlen, wenn mögliche Schadensersatzansprüche durchgesetzt wurden. Dann verlange Veneko eine Erfolgsprämie von einem Drittel des eingeklagten Betrags.

Lieferstopps künftig verboten

Abrupte Lieferstopps, wie im Falle Stromio, sollen künftig nicht mehr möglich sein. So steht es in dem neuen, überarbeiteten Energiewirtschaftsgesetz, das das Bundeskabinett bereits verabschiedet hat. Demnach müssen Versorger, die den Betrieb einstellen, das künftig drei Monate im Voraus bei der Bundesnetzagentur ankündigen.

Zusätzlich müssen die Kunden schriftlich informiert werden, ansonsten droht ein Bußgeld. Im nächsten Schritt wird im Bundestag über das Gesetz beraten. Im Sommer könnte es bereits in Kraft treten.