Kletterhalle in Kirche in Bad Orb

Eine marode Kirche in Bad Orb wird zum Kletterparadies umgestaltet. Auch an weiteren Orten in Hessen stehen die Kirchen vor der unbequemen Aufgabe, sich von Gotteshäusern trennen zu müssen. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Audiobeitrag

Audio

Kirche in Bad Orb wird zur Boulder-Anlage für Sportkletterer umgebaut

Bouldern
Ende des Audiobeitrags

Was fängt man mit einer baufälligen Kirche an, die nicht mehr gebraucht wird? Abreißen? Zu Wohnraum umwidmen? Oder etwa eine Kletterhalle daraus machen? Mit diesem ungewöhnlichen Vorschlag haben sich zwei Sportkletterer in Bad Orb (Main-Kinzig) durchgesetzt. Sie wollen die katholische Kirche St. Michael in eine Boulder-Halle verwandeln. Und somit eine neue Heimat schaffen für Kletterer, die ohne Seil und Gurt an Wänden herumkraxeln.

Bis es im kommenden Frühjahr oder Sommer nach einem Umbau soweit kommt, ist es allerdings noch ein weiter Weg. An diesem Sonntag wird die Kirche zunächst mal zum Teil entweiht. Bei dem offiziellen Akt - Profanierung genannt - wird die Kirche einer neuen Nutzung zugeführt. Wenn die sakrale Inneneinrichtung entfernt ist, beginnt die Umgestaltung.

Projekt "Boulder-Church" gestartet

Dann gilt es für die beiden Macher, ihre Pläne umzusetzen. Marc Ihl ist Unternehmer und verkauft Büro-Einrichtung. Sein Geschäftspartner Marco Köhler ist Schreiner. Beide kommen aus Bad Orb, sind begeistert vom Bouldern und haben für ihr Projekt "Boulder-Church" eine GmbH gegründet. Köhler will sich beim Umbau als Schreiner selbst stark einbringen.

Wenn Ihl und Köhler bisher Bouldern wollten, mussten sie nach Frankfurt oder Fulda fahren. Beim Anblick des Kirchen-Leerstands in Bad Orb kam beiden dann die Idee, das Gotteshaus in ein Kletterparadies zu verwandeln. Sie pachten das Gebäude aber nur. Es bleibt im Besitz der katholischen Kirchengemeinde.

Kirche ist "großartiger Raum" zum Klettern

Eine Kirche wie in Bad Orb sei wie geschaffen fürs Klettern, erklärt Ihl. "Es ist ein großartiger Raum mit toller Architektur." Und vor allem: viel Raum zum Klettern bei einer Deckenhöhe von 13 Metern. Das ist mehr, als sie brauchen. Denn beim Bouldern wird meist bis zu einer Absprunghöhe von drei bis vier Metern geklettert, um dann auf Matten weich zu landen. Die Kletterfläche soll laut Plan 500 Quadratmeter umfassen, wie Ihl sagt.

Spirituellen Raum wird es aber weiter in dem Gebäude geben. Die Kapelle bleibt als kleines geweihtes Gotteshaus bestehen und somit für die kirchliche Verwendung erhalten. Es können weiter Gottesdienste abgehalten werden, nur eben auf kleinerem Raum - der verursacht dann auch weniger Heizkosten. Auch die Nutzung als Jugendkirche sei denkbar, sagte Pfarrer Kümpel. Jugendliche könnten sich einbringen bei der Umgestaltung des Raums und ihn nutzen.

Betonbrocken lösten sich aus baufälligem Turm

Die 1964 eingeweihte Kirche ist seit November 2016 wegen Baufälligkeit geschlossen. Aus dem Glockenturm hatten sich bereits Betonbrocken gelöst. Inzwischen wurde der Turm abgetragen, ganz ohne Zwischenfälle wie jüngst in Kassel, wo das Dach der dortigen Elisabethkirche einstürzte. Die Ursache dafür wird noch geprüft.

In Bad Orb dagegen wurde die Kirche für Gottesdienste seit der Schließung Ende 2016 nicht mehr genutzt. Und zwei Kirchen wurden in der Gemeinde ohnehin nicht mehr gebraucht, wie Pfarrer Stefan Kümpel erklärt. In Bad Orb gibt es für die Katholiken noch die Kirche St. Martin.

"Gewinn für Bad Orb"

Zur möglichen Nutzung der Kirche gab es einige Ideen. Von einer Urnengrabstätte (Kolumbarium) oder Kindertagesstätte war mal die Rede. Doch den Zuschlag bekamen die beiden Unternehmer und Boulder-Fans Ihl und Köhler. Sie wollen mehr als 100.000 Euro in den Umbau investieren.

Kurgeschäftsführer Steffen Kempa sieht die geplante "Boulder-Church" als Bereicherung. "Das ist ein Gewinn für Bad Orb, von dem alle profitieren werden", sagt er. Das Angebot sei ganzjährig nutzbar, es passe gut ins Portfolio für den Aktivsport und Tourismus. Womöglich könne es noch mit Rehasport-Angeboten und für Schulklassen genutzt werden. "Ein sinnstiftende Nachnutzung einer Kirche", findet Kempa.

Gläubige laufen der Kirche davon

In Hessen werden immer wieder Kirchen aufgegeben. Allein in diesem Jahr fielen in den katholischen Bistümern Fulda (6), Limburg (2) und Mainz (1) neun Kirchen weg. In den kommenden Jahren werden viele weitere folgen. Bis zum Jahr 2030 soll etwa im Bistum Mainz die Hälfte der Immobilien - Kirchen, Pfarrhäuser und Gemeindesäle - aufgegeben werden. Aus Kostengründen. Andere Kirchen arbeiten ebenfalls an Konzepten, um sich zu verkleinern.

Die Gründe, die zur Aufgabe einer Kirche führen, seien vielschichtig, sagt Stephan Schnelle vom Bistum Limburg. "Oft hängen sie mit dem Rückgang an Gläubigen und an Gottesdienst-Besuchern zusammen." Viele Pfarreien erlebten mittlerweile, dass der Bestand an Immobilien, die zu unterhalten sind, viel zu groß sei. Schließlich sinkt die Zahl der Kirchen-Mitglieder stetig. Im Jahr 2022 traten so viele Katholiken wie noch nie in Hessen aus der Kirche aus.

Das Bistum Fulda, zu dem die Kirche in Bad Orb gehört, erklärte: "Es ist immer ein schmerzhafter Verlust, wenn ein Kirchengebäude aufgegeben wird." Kirchen seien schließlich besondere Orte, die für viele Menschen mit wichtigen Lebensereignissen verbunden seien.

Boulder-Fan Ihl sieht die Umwandlung zur Kletterhalle freilich als Gewinn für Bad Orb. Massive Kritik an den Plänen habe es nicht gegeben, sagt er. "Wir haben das Konzept der Gemeinde vorgestellt. Und es hat überzeugt. Eine Boulder-Halle, in der man auch mal einen Kaffee trinken kann, ist sicher besser als ein leerstehendes Gebäude, das irgendwann abgerissen werden muss."

Würde des Ortes bewahren

Mit Blick auf die anschließende Nutzung sei es wichtig, die Würde des Ortes angemessen zu berücksichtigen, betonte das Bistum Fulda. So würden profanierte Kirchen im Bistum nun gern für karitative Zwecke genutzt, in Frielendorf (Schwalm-Eder) etwa als Jugendhilfezentrum des Wohlfahrtsverbands Caritas. An anderen Orten seien Pflegeheime oder neuer Wohnraum entstanden. Und in Bad Orb wird es, wenn die "Boulder-Church" im kommenden Jahr Realität wird, ein Kletterparadies sein.

Weitere Informationen

Auch Evangelische Kirche muss Gebäude aufgeben

Auch die Evangelische Kirche in Hessen in Hessen und Nassau (EKHN) und die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) haben zuletzt vereinzelt Kirchen aufgegeben. Bei der EKKW kam es teilweise zu einer Anschlussnutzung, teilweise wurden die Kirchen auch abgerissen und die Grundstücke für andere Neubauten freigegeben. Die EKHN profitiert davon, dass sich das Rhein-Main-Gebiet stark entwickelt und Zuzug erlebt. Daher sei die Lage mit Blick auf den Gebäudebestand "stabil", wie es heißt. Es wurden sogar drei Kirchen neu gebaut: die Kirche der Christophorus-Gemeinde Darmstadt (im Jahr 2022), in Langenseifen im Taunus (2012) und in Frankfurt-Riedberg (2011).

Ende der weiteren Informationen
Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen