Foto einer medizinischen Fachangestellten in Schutzkleidung, die einen Korb mit sehr vielen Teströhrchen trägt, auf welchem der Aufkleber "PCR-Tests" angebracht ist.

Omikron scheint die Corona-Statistiken an ihre Grenzen zu bringen. Die Inzidenz ist zunehmend ungenau, die Hospitalisierungsrate hinkt hinterher. Experten warnen deshalb, sich von den aktuellen Zahlen blenden zu lassen.

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Wie geht es weiter mit Corona?

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Sind wir doch noch nicht über den Omikron-Berg? Die Zahl der Neuinfektionen ist am Dienstag sprunghaft angestiegen, das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete 11.669 Neuinfektionen mit dem Coronavirus, am Mittwoch kamen 10.527 Neuinfektionen hinzu. Auch die landesweite Sieben-Tage-Inzidenz liegt seit zwei Tagen wieder über 1.000.

Auch wenn sich nach der Oster- und Ferienzeit einige Nachmeldungen darunter befinden dürften: Experten vermuten die tatsächliche Zahl der Neuinfektionen noch höher. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) äußerte bereits Ende März Zweifel an der Aussagekraft der ausgewiesenen Zahlen und sprach von einer doppelt so hohen Dunkelziffer.

Gesundheitsämter melden verzögert

Das deckt sich mit Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik. Demnach ist die Dunkelziffer über die Ostertage kurzzeitig auf 71 Prozent gestiegen. Aktuell liege sie aber wieder bei etwa 55 Prozent.

Die Ungenauigkeit der offiziell ausgewiesenen Zahlen hat mehrere Gründe: Einerseits sind die Gesundheitsämter nach wie vor an ihren Kapazitätsgrenzen. Kontakte von Infizierten werden kaum mehr verfolgt, dadurch bleiben viele Infektionen unerkannt. Über die Osterfeiertage hat sich der Meldeverzug weiter vergrößert.

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So sagt etwa der stellvertretende Leiter des Frankfurter Gesundheitsamts, Udo Götsch, man sei bei derzeit über 1.000 Neumeldungen pro Tag nicht in der Lage, die Infektionsquelle zu erfragen und habe die Verantwortung dem Einzelnen übertragen müssen.

Zwar sei das Meldeverfahren seit Beginn der Pandemie deutlich vereinfacht worden. Mit etwa fünf Minuten pro Fall sei der Arbeitsaufwand für die Mitarbeitenden im Gesundheitsamt aber "immer noch beträchtlich".

Teststellen verzeichnen weniger Zulauf

Dazu kommt, dass auch die Zahl der Coronatests zurückgeht, seitdem die 3G-Regel - also der Nachweis eines negativen Coronatests, eines Impf- oder Genesenenzertifikats - in den meisten Bereichen aufgehoben ist.

Eine stichprobenartige hr-Umfrage unter Corona-Testzentren in Hessen ergab: Seit den jüngsten Lockerungen Anfang April verzeichnen sie weniger Zulauf als in den Vormonaten.

So meldete etwa das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Kassel-Wolfhagen in seinen sieben Testzentren einen Einbruch um ein Viertel im Vergleich zum März. Die Quote der positiven Tests dagegen stieg im gleichen Zeitraum stark an: von sechs auf über zehn Prozent. Die DRK-Testzentren im Odenwaldkreis verzeichneten im April sogar ein Minus von 35 Prozent.

In den DRK-Testzentren in Mittelhessen und Frankfurt steigen die Testungen dagegen seit Ostern wieder, ebenso steigt die Positivquote. In Frankfurt liegt sie nach Angaben des DRK-Bezirkverbands derzeit zwischen 20 und 30 Prozent.

Auch Zahl der PCR-Tests gesunken

Das beobachtet auch Virologe Martin Stürmer in seinem Frankfurter Labor. Dort würden deutlich weniger PCR-Tests untersucht als noch vor einigen Wochen. Die Positivquote liege aber bei etwa 80 Prozent. "Das heißt meiner Meinung nach, dass die Dunkelziffer sehr viel höher ist als das, was wir aktuell sehen", folgert er.

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Der Berufsverband Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM) bestätigt die abnehmende Zahl von PCR-Tests. Der ALM-Vorsitzende Michael Müller sieht dafür mehrere Gründe. Einerseits ließen Corona-Infizierte immer häufiger einen positiven Schnelltest nicht mehr durch einen PCR-Test bestätigen. In der RKI-Statistik werden aber nur diese Infektionsfälle erfasst.

Seit dem 1. April erhielten Ärztinnen und Ärzte außerdem keinen Zuschlag mehr für PCR-Abstriche. Die Kosten dafür seien nun - wie bei anderen Krankheiten auch - in einer Behandlungspauschale abgegolten. Es könne sein, dass sie deshalb weniger Tests anweisen, so Müller. Dass die Positivquote steige, sei absehbar gewesen - schließlich würde hauptsächlich anlassbezogen getestet, also bei Symptomen oder positivem Schnelltest.

Berechnungen: Krankenhausfälle steigen wieder

Die Zahl der Corona-Tests dürfte derweil weiter sinken: Ab Mai fällt die Testpflicht an Schulen weg. Auch der andere wichtige Faktor zur Einschätzung der Corona-Lage, die Hospitalisierungsrate, fällt wegen verspäteter Meldungen zunehmend ungenau aus.

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Um diesen Verzug auszugleichen, wendet das RKI seit dem vergangenen Herbst ein mathematisches Schätzverfahren an. Das sogenannte Nowcasting ist eine Vorhersage dafür, um wie viel die Hospitalisierungsinzidenz noch nach oben korrigiert werden wird und nimmt den Trend der letzten Wochen in den Blick.

Während die vom RKI ausgewiesene Hospitalisierungsinzidenz am vergangenen Samstag bei 6,26 lag, geht das RKI-Nowcasting dagegen von einer Inzidenz von 9,12 aus. Damit ist die geschätzte Hospitalisierungsrate zwar deutlich niedriger als die tatsächlichen Zahlen von Ende März, als in Hessen ein Höchststand von 12,47 erreicht wurde. Die Krankenhausfälle steigen dem Nowcasting zufolge seit Ostern aber wieder an.

Über 60-Jährige bisher seltener mit Omikron angesteckt

Ein Grund dafür könnte sein, dass sich seit den jüngsten Lockerungen vermehrt die Gruppe der über 60-Jährigen mit Corona infiziert. Sie blieb im Vergleich zu anderen Altersgruppen bisher von der Omikron-Welle verschont, hat in der Regel aber ein höheres Risiko für einen Krankenhausaufenthalt.

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Virologe Stürmer warnt deswegen davor, sich von der Aufhebung der Maßnahmen oder den niedrig erscheinenden Fallzahlen blenden zu lassen. "Ich habe die Befürchtung, dass sich das als Bumerang erweist", sagte er dem hr.

Solange noch nicht erforscht sei, welche Rolle Long Covid nach einer Omikron-Infektion spiele, "wäre ich sehr vorsichtig, hier einen Haken dran zu machen und das Infektionsgeschehen locker durchlaufen zu lassen wie bei einem normalen viralen Schnupfen."

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